Ein Ereignis elektrisiert nicht wenige in der Südwest-CDU in diesen Tagen. Mit welcher Konsequenz Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) seinen grünen Regierungspartner:innen nach zehn Jahren den Stuhl vor die Tür stellte, macht mächtig Eindruck. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag Manuel Hagel nennt das "die Politik der starken Mitte", die "auf einen Geist des Ermöglichens setzt mit gesunder Eigenverantwortung: eine realistische und begrenzende Migrationspolitik, Stadt UND Land, sichere Straßen, eine moderne Mobilität (auch ohne Fahrrad) sowie eine zukunftsstarke Bildung für unsere Kinder in gefestigten Familien".
Die schon 2021 ventilierte Idee einer Deutschland-Koalition ohne die Grünen, aber mit CDU, SPD und Liberalen, feiert also fröhliche Urständ in Baden-Württemberg. Dass die SPD die Unterstützung des fliegenden Wechsels vor der nächsten Landtagswahl weg von den Grünen mehrfach abgelehnt hat, stört wenig. Vor allem, weil Cem Özdemirs Mitteilung über das Ende seiner Ehe als "erster Schritt nach Baden-Württemberg" bewertet wird, wie ein CDU-Landtagsabgeordneter sagt: "Jetzt wird es ernst." Hagel hatte schon im Spätsommer viel Zustimmung in den eigenen Reihen gefunden für die klare Ansage, seine Fraktion werde einen grünen Nachfolger für Winfried Kretschmann noch während der laufenden Legislatur nur im Falle einer Erkrankung des Ministerpräsidenten mitwählen.
Der Grat aber könnte schmäler kaum sein. Nicht nur, weil Schwarz-Rot-Gelb im Landtag auf nur zwei Mandate über der erforderlichen absoluten Mehrheit kommt. Alle Beteiligten gingen damit höchstes Risiko ein, und selbst eingefleischte Fans sind nicht der Meinung, dass der künftige Landes- und Fraktionschef bereit zu dieser Art Husarenritt wäre, auch wenn die Umfragen den Schwarzen wieder bessere Werte zusprechen.
Bei der Jungen Union kommt er gut an
Dem Jungstar ohne Abitur, der noch vor zwei Jahren den inzwischen in Skandalen versunkenen österreichischen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als politisches Vorbild pries, werden manche Stärken zugeschrieben. "Er kann in kleinen Runden glänzen", berichtet einer aus der Fraktion, "wenn er selber die Themen bestimmt." Immer gilt er als gut informiert und – meistens – umgänglich, als zuvorkommend, ein Schwiegermutter-Typ eben sowie einfühlsamer Vater und Ehemann ("Wickeln gehört für mich als junger Papa natürlich zum Handwerkszeug."). Christina Stumpp, die stellvertretende Generalsekretärin der Bundes-CDU aus Waiblingen, rühmt den 35-Jährigen als "echten Macher".
Wie ein roter Faden zieht sich durch viele Auftritte aber zugleich ein Hang zum Provinzialismus und unter anderem die Gewohnheit, Probleme zu skizzieren, ohne eigene Gedankenarbeit oder gar Lösungen anzubieten. Am vergangenen Samstag war Hagel Hauptredner beim Landestag der Jungen Union in Tauberbischofsheim, wo er eine Woche vor Reutlingen schon mal austesten konnte, welche Redepassagen welche Wirkung entfalten, jedenfalls unter dem Jungvolk. Immer wieder gab es sehr viel Beifall – selbst an ganz besonderer Stelle: nicht beim Thema Brandmauer gegenüber der AfD, sondern als er daran erinnerte, dass ein Unvereinbarkeitsbeschluss der Union, also ihr prinzipielles Nein zu jedweder inhaltlichen Zusammenarbeit, auch für die Linke gilt.
2 Kommentare verfügbar
Bernd Letta
am 18.11.2023Dies betrifft vor allem Politiker, die als verdeckte Lobbyisten für andere Interessen…