Es mutet wie eine ironische Pointe an. Die Inszenierung, mit der sich Hasko Weber ganz wesentlich für die Leitung des Stuttgarter Schauspiels empfahl, blieb ein Monolith. "Brand", das selten gespielte Drama von Henrik Ibsen, kann beim besten Willen nicht als typisch für die acht Jahre von Hasko Webers Intendanz gelten, weder für den Spielplan noch für den Stil, und was den Regisseur Hasko Weber angeht, so blieb diese zu Recht preisgekrönte Arbeit von 2002 bis heute sein größter Wurf. Die Qualitäten von Hasko Webers Stuttgarter Direktorium, für die er in Erinnerung bleiben wird, liegen anderswo.
Bei den Berliner oder den Wiener Philharmonikern spielen wohl nur noch sehr wenige Musiker, die schon vor dreißig oder gar vor sechzig Jahren in diesen Orchestern gespielt haben. Die Chefdirigenten haben mehrmals gewechselt. Und trotzdem spricht man von den Berliner oder den Wiener Philharmonikern, als wären sie eine zeitlose Einrichtung, als besäßen sie eine konstante Identität. Das Kollektiv ist den Individuen, aus denen es besteht, übergeordnet.
Anders beim Theater. In vergangenen Zeiten, als die Mobilität eingeschränkt und das Gefühl der sozialen Verantwortung gegenüber Schauspielern noch ausgeprägt war, blieben große Teile des Ensembles auch bei einem Intendantenwechsel am Haus. Das ist längst nicht mehr so. Ein neuer Schauspiel- oder Operndirektor bringt in der Regel "seine" Regisseure und zahlreiche Schauspieler oder Sänger aus seiner bisherigen Wirkungsstätte mit, holt sich weitere, die er schätzt und mit zusätzlichen Möglichkeiten ködern kann. Vom Stammensemble werden viele Mitglieder gnadenlos entlassen, manche wünschen sich auch einen Ortswechsel. Arbeitsrechtlich geschützt sind nur jene, die mindestens 15 Jahre am Haus angestellt waren. Selbst solche traditionellen und traditionsbewussten Einrichtungen wie das Wiener Burgtheater, die Pariser Comédie-Française oder das Berliner Ensemble opfern neuerdings ihre Identität den wechselnden Intendanzen.
Unter diesen Bedingungen spricht es für die Charakterfestigkeit und die künstlerische Autonomie eines Theaterleiters, wenn sich mit seinem Weggang alles, also auch das Profil eines Theaters verändert. Stuttgart hatte in den vergangenen fünfzig Jahren Glück. Starke Persönlichkeiten haben dem Theater ihre Note aufgeprägt und für ein weit überdurchschnittliches künstlerisches Niveau gesorgt. Peter Palitzsch schenkte der Stadt ein zugleich intellektuelles und sinnliches Schauspiel, das damals in (West-)Deutschland kaum Konkurrenz zu fürchten hatte. Peter Palitzsch verstand es auch, das klassische Repertoire und Zeitgenossenschaft auf einen Nenner zu bringen. Es folgten Alfred Kirchner und bald darauf Claus Peymann, die mit ihrem hochkarätigen Ensemble so populär waren, dass die heute geläufige Rede von der Antiquiertheit des Theaters gar nicht erst aufkommen konnte.
Als Peymann gehen musste, kam der unterschätzte Hansgünther Heyme, dessen wiederum hochintellektueller, strenger Stil durchaus ein wichtiger Bestandteil der Stuttgarter Theatergeschichte wurde. Mit seinen guten Verbindungen holte Ivan Nagel dann in seiner allzu kurzen Intendanz zahlreiche Stars an den Neckar. Zu seinen Verdiensten zählt auch das "Theater der Welt", das er 1987 nach Stuttgart einlud. Achtzehn Jahre später, nach der Intendanz von Jürgen Bosse, gelang es dem langjährigen Theaterchef Friedrich Schirmer und Marie Zimmermann, dieses bedeutende Festival ein zweites Mal in die Landeshauptstadt zu bringen. Interessant: Die Geburtsjahre von Heyme, Kirchner, Peymann und Bosse liegen nur vier Jahre auseinander, Ivan Nagel war vier Jahre älter als der Älteste von ihnen. Erst mit Schirmer fand ein Generationswechsel statt.
Theater mitten in der Stadt
Ob sie nun selbst Regie führten oder von der Dramaturgie her kamen, ob sie eher an Entdeckungen unbekannter Stücke oder an der Ensemblepflege interessiert waren – die Stuttgarter Theaterleiter machten das Schauspiel zu einem Ort, der nicht nur geografisch mitten in der Stadt existierte. Gerade dieser Aspekt hat unter Hasko Weber noch einmal Auftrieb erfahren.
1 Kommentar verfügbar
Manfred Lieb
am 23.05.2013Weber ist immer als ein angenehmer, ein kreativer und als ein sozialer Mensch im Theater in Erscheinung getreten. Sein Abschied ist zu bedauern.
Hoffen wir, dass Petras die Qualitäten von…