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SC Freiburg und Schwarzwaldmilch

Sponsor mit brauner Geschichte

SC Freiburg und Schwarzwaldmilch: Sponsor mit brauner Geschichte
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Eigentlich ein perfektes Paar: der SC Freiburg und die Schwarzwaldmilch GmbH. Wäre da nicht eine seltsame Lücke in der Chronik der Großmolkerei: die Zeit zwischen 1933 und 1945, in der sie ein Hort der SS war, wie unser Autor herausgefunden hat.

Die Hauptfigur war Ernst Schmidt. Von 1930 bis 1945 Geschäftsführer der "Breisgau-Milchzentrale" (BMZ), die 2010 in die Schwarzwaldmilch GmbH umgewandelt wurde. Der 1893 geborene Freiburger sorgte dafür, dass Adolf Hitler 1939 die BMZ als erste Firma in Südbaden zum "nationalsozialistischen Musterbetrieb" erhob. Sie war damals nicht nur die wohl modernste Molkerei Deutschlands, sie war auch ein Hort der SS, Hitlers brutaler Schutzstaffel. Und ihr Direktor Schmidt war SS-Obersturmführer.

Er war das wider Willen. So behauptete es Schmidt 1946 in seinem Entnazifizierungsverfahren. Im Jahr 1950 – Schmidt durfte nach einer Zwangspause wieder die Chefrolle in der Breisgaumilch übernehmen – präsentierte er sich vor dem Landgericht Freiburg auch als Judenfreund. Es ging damals um ein Grundstück der Freiburger Jüdin Hedwig Weil, das neben dem Firmengelände der BMZ lag und von dieser für eine mögliche Erweiterung benötigt wurde. Es war wohl Schmidt selbst, der die Witwe zu Hause aufsuchte und zum Verkauf drängte.

Ein gutes Geschäft mit der jüdischen Witwe

Mit Erfolg. Hedwig Weil verkaufte das Gelände für 3,50 RM pro Quadratmeter. Für die BMZ ein Schnäppchen. Die Stadt Freiburg, die ebenfalls ein Nachbargrundstück besaß, bekam damals 5 RM. Den Erlös von knapp 17.000 RM dürfte Hedwig Weil nie gesehen haben. Das Geld kam auch hier auf ein Sperrkonto, das sich das Deutsche Reich später unter den Nagel riss. Hedwig Weil wurde am 6. Dezember 1942 im KZ Theresienstadt umgebracht.

Doch der Grundstückskauf sollte für die Breisgaumilch noch ein Nachspiel haben. 1949 erhob Dr. Josef Rudolf Weil, der nach England geflohene Sohn, vor dem Landgericht Freiburg Klage auf Rückerstattung des Grundstücks. Wie bei vielen Juden, die nicht mehr ins Land der Mörder zurückkehren wollten, endete das Restitutionsverfahren am 26. Juli 1950 mit einem Vergleich: Die BMZ musste an Weil als Wiedergutmachung einen Betrag von 9.500 DM nachzahlen, damals ein erklecklicher Betrag.

Als Schmidt 1930 die Geschäftsführung der damals neu gegründeten "Breisgau-Milchzentrale" übernahm, hatte er, zuletzt als Inhaber einer eigenen Molkerei, schon Jahre der erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den Milchbauern und ihrem Verband, Milchhändlern, der Stadt Freiburg und den Kunden durchgestanden. Als 1933 die NSDAP die Macht übernahm, verschärften sich die Konflikte, da nun auch die NS-Kreisbauernführer in der noch von der Stadt Freiburg dominierten "Breisgau-Milchzentrale" das Sagen hatten und vor allem die Leitung neu besetzen wollten. Um sich dagegen, auch gegen Demonstrationen und Drohungen, wehren zu können, trat Schmidt in die NSDAP ein, von der er, – so behauptete er 1946 – "weiter nichts wusste, als dass sie die Macht in Deutschland übernommen hatte".

Merkwürdig an dieser Geschichte ist nur, dass die NSDAP ihn, der zum Parteieintritt gezwungen worden sein soll, damals angeblich gar nicht aufnehmen wollte. "In Parteikreisen hatte die Hetze gegen den Betrieb und meine Person so starke Wirkung", erinnerte er sich 1945, "dass meine Anmeldung in der Partei Proteste auslöste. Durch meine Ablehnung sollte mein Verbleib als Geschäftsführer der Milchzentrale unmöglich gemacht werden. Ich blieb somit Parteianwärter und erhielt erst im Jahre 1937 meine endgültige Aufnahme bestätigt."

Auch diese Angabe ist zweifelhaft, denn sein Parteieintritt ist in seiner Mitgliedskarte, erhalten im Bundesarchiv, zum 1. Mai 1933 dokumentiert – unter der Mitgliedsnummer Nr. 3.126.453. Schmidt behauptete Ende 1945 vor der Spruchkammer zur Entnazifizierung, er sei 1934 in die SS eingetreten. Das war gelogen. Denn im Bundesarchiv lagert auch seine SS-Stammkarte. Darin ist eindeutig vermerkt, dass Schmidt schon am 15. Juni 1933 in die SS eingetreten ist.

Des Führers Geist soll stets lebendig bleiben

In der SS musste er als Kriegsbeschädigter keinen Dienst machen, dafür war er für die NSDAP sehr rührig. Er sorgte dafür, dass sich das Unternehmen schon kurz nach der Machtübergabe an Adolf Hitler an die Spitze der nationalsozialistischen Bewegung in Freiburg setzte. Die 90-köpfige Belegschaft trat als erste Freiburger Firma geschlossen in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) und die NS-Volkswohlfahrt, beides Organisationen der NSDAP, ein.

Sein Werk war auch der Neubau des hochmodernen Molkereigebäudes im Juli 1936. "Daß wir hier arbeiten können," zitierte die "Freiburger Zeitung" seine Rede bei der Eröffnungsfeier, "verdanken wir unserem Führer, der dem deutschen Volke Ehre, Arbeit und Brot gab. Den Geist, den uns der Führer vorlebt, wollen wir auch auf dieses Werk übertragen und dieser Geist wird stets in uns lebendig bleiben!"

Doch damit nicht genug. 1937 beteiligte sich die BMZ als eines der ersten Unternehmen auch sofort unter der Parole "Wir marschieren mit!" an dem von Robert Ley erstmals ausgelobten reichsweiten "Leistungskampf der Betriebe". Für ihre Leistungen verlieh NS-Gauleiter Robert Wagner 1938, am Nationalfeiertag 1. Mai, der "Gefolgschaft" unter ihrem Betriebsführer Pg. Ernst Schmidt das "Gaudiplom für hervorragende Leistungen".

Und es ging so weiter. Am 1. Mai 1938 überreichte Robert Ley, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF), der BMZ das "Leistungsabzeichen für vorbildliche Förderung" der NS-Organisation Kraft durch Freude. Und auch für die Qualität ihrer Produkte wurde sie 1938 ausgezeichnet: Bei der Reichsnährstandschau verlieh ihr der für die Landwirtschaft zuständige Reichsminister Richard Darré die Große Silberne Medaille.

Der Höhepunkt: Empfang in der Reichskanzlei

Doch der ganz große Erfolg sollte noch kommen. Am 1. Mai 1939 wurde Schmidt nach Berlin eingeladen. Im Mosaiksaal der Neuen Reichskanzlei wurde er mit den 99 anderen ausgezeichneten Betriebsführern aus dem Reich von Adolf Hitler, Hermann Göring und Robert Ley persönlich empfangen. Sie alle erhielten die Urkunde für die Auszeichnung als "nationalsozialistischer Musterbetrieb". Der Führer reichte jedem die Hand und wechselte einige Worte mit jedem. BMZ-Betriebsführer Ernst Schmidt war, so las man tags darauf im Freiburger NS-Kampfblatt "Der Alemanne", gepackt von der Begegnung mit dem "größten deutschen Staatsmann der Weltgeschichte".

Am Tag darauf feierte Schmidt den Erfolg im Saalbau Wiehre in Freiburg. Seine Belegschaft präsentierte sich als "Soldaten des Führers", er selbst erschien, so belegt es ein Foto im "Alemanne", in SS-Uniform – mit Ehrenwinkel am Arm, einer besonderen Auszeichnung. Unter der 84-köpfigen "Gefolgschaft" waren nach Erkenntnissen des Freiburger Historikers Heiko Wegmann mindestens 14 SS-Leute. Zeitungsberichte bestätigen, dass die SS in der BMZ schalten und walten konnte, wie sie wollte. So war es gut möglich, wie ein SS-Mann im Synagogenbrand-Prozess im Jahr 1949 behauptete, dass in der Pogromnacht zum 10. November 1938 das Benzin, mit dem die Freiburger Synagoge in Brand gesetzt wurde, von SS-Leuten aus der BMZ hergeschafft wurde. Doch erwiesen ist es nicht. Immerhin waren es nur SS-Männer, die die Synagoge zerstörten.

Was Schmidt vom Treiben der SS in seinem Betrieb wusste, ist unklar. Er behauptete nach dem Krieg, er habe nie SS-Mitglieder in der BMZ protegiert, sondern sie, wo er konnte, gekündigt. Angesichts der SS-Präsenz ist das völlig unglaubwürdig. Nach all dem, was hier aufgeführt wurde und darüber hinaus dem Autor bekannt ist, muss Schmidt ein strammer, ja fanatischer Nazi gewesen sein, obwohl er nach 1945 das Gegenteil behauptete – und er konnte beeindruckend viele Zeugnisse von Menschen, darunter auch Prominente, vorweisen, die ihm bestätigten, dass er sie gut behandelt, vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt und ihnen sogar das Leben gerettet habe. Darunter auch Juden, Widerständler und 20 französische Kriegsgefangene.

Was für ein Mensch war Schmidt wirklich?

Hier Nazi, dort NS-Gegner. Welcher Mensch war Ernst Schmidt nun wirklich? Ein mutiger Opportunist? Auch die Komitees, die seine NS-Vergangenheit prüfen mussten, schwankten in ihrem Urteil. Erstmal verlor er jedoch im Mai 1945 seine Stellung, wurde interniert, 1946 als "Minderbelasteter" eingestuft und zu "gemeinnütziger Arbeit" eingeteilt. Seine Revision wurde, "da zu sehr belastet", 1947 abgelehnt. Erst 1950 durfte Ernst Schmidt wieder an seine Direktorenstelle der BMZ zurückkehren.

Was für eine Geschichte! Die Schwarzwaldmilch GmbH, mit 220 Millionen Euro Umsatz und rund 440 Beschäftigten eines der größten Unternehmen Freiburgs, will davon bis jetzt nichts wissen. Es gibt keine historisch fundierte Darstellung der Firmengeschichte, auf der Website steht zwar ein Kapitel "Geschichte", doch jene endet 1932 und geht erst 1957 weiter. Erklärung der Firma dazu: Diese Chronik sei "produktorientiert", ihr Fokus liege auf der Sortiments- und Markenentwicklung. Vielleicht, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit, werde man beim Relaunch der Website im Herbst "zusätzliche Aspekte aufnehmen".

Nicht beleuchtet wurde die so bemerkenswerte NS-Zeit der Firma auch in der "Chronik" zum 90-jährigen Jubiläum im Jahr 2020., die in der "Badischen Zeitung" (BZ) veröffentlicht wurde. Dieser Text war wohl kein Werk der BZ, sondern ein von der Schwarzwaldmilch bereitgestellter Beitrag.

Seit 2016 war die Großmolkerei Hauptsponsor des Fußballbundesligisten SC Freiburg und damit auch für das Image dieses politisch höchst korrekten Vereins mit zuständig. Zumindest bis Ende der Spielzeit 2021/2022, danach bleibt er "Exklusivpartner". Abgelöst wird das heimische Unternehmen von dem britischen Online-Autohändler Cazoo.


Autor Bernd Serger hat seinen Text für Kontext stark gekürzt. Die Langfassung findet sich hier.


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3 Kommentare verfügbar

  • Rudolf Fois
    am 19.07.2022
    Antworten
    Wird dann Hugo Boss ....Audi ...Mercedes....Hänschel ...Krupp ....Siemens und was noch immer auch Verboten?
    Ihr seid so gute Menschen...ich Hoffe das bei euch jeder Mitarbeiter mit Boss Pulli nach Hause geschickt wird
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