Schon 1973 wurde des Atomkraftwerk Wyhl am Kaiserstuhl geplant. Die "Kraftwerks Union" wollte zwei Druckwasser-Reaktoren mit einer Leistung von 1.200 und 1.300 Megawatt bauen. Kurz nach der Ankündigung begannen 27 Bürgerinnen und Bürger aus Wyhl gegen den Bau zu protestieren. Bald darauf gründeten sich in der Umgebung bei Freiburg und im angrenzenden Elsass Anti-AKW-Initiativen. Ihre ersten Gründe für die Ablehnung: Das Kühlwasser des AKW könne den Rhein aufheizen und sein biologisches Gleichgewicht gefährden. Vor allem aber sollte das Rheintal kein "zweites Ruhrgebiet" werden. 1974 erhoben bereits 89.000 Menschen Einwendungen gegen die Atom-Pläne. Der damalige CDU-Ministerpräsident Hans Filbinger schwadronierte: "Ohne Wyhl gehen noch in diesem Jahrzehnt in Baden-Württemberg die Lichter aus". Ich lebe schon immer im Ländle und kann versichern, dass mir hier noch immer ein Licht aufgegangen ist. Ähnlich sah das Problem Filbingers Nachfolger Lothar Späth, der mir in einem Interview in "Report Baden-Baden" sagte: "Wir brauchen Wyhl gar nicht". Er hatte klugerweise von der Protest-Bewegung gelernt. Also wurde der Bauplan erst auf 1993 verschoben, danach auf das Jahr 2000 und acht Jahre nach Tschernobyl ganz begraben.
"Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv"
Damit ist das AKW Wyhl das erste geplante Atomkraftwerk, das in Deutschland von der Anti-AKW-Bewegung verhindert wurde. Deren Motto hieß: "Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv". Der Erfolg der Bewegung bestand vor allem in ihrer Überparteilichkeit. Darin vereint waren die Landbevölkerung, Studenten aus Freiburg, der lokale Klerus, Landwirte, Künstler und Akademiker. Der Prostest war total friedlich. Hingegen kam es beim Kampf gegen die Errichtung des AKW Brokdorf zu bürgerkriegsähnlichen Schlachten zwischen Polizei und Demonstranten.
Im Jahr 1977 war unter der SPD-Bundesregierung von Helmut Schmidt und der CDU-Landesregierung von Ernst Albrecht in Niedersachsen die Standort-Entscheidung für das atomare Endlager-Projekt Gorleben gefallen. Gegen dieses atomare Entsorgungslager wurde damals nicht nur im Wendland Protest laut. Die "Grüne Liste Umweltschutz" errang bei der Landtagswahl 1978 als Vorläufer der Grünen Partei 3,9 Prozent der Stimmen. Kurz zuvor war ich mit Ernst Albrecht zu einem Fernseh-Interview in seinem Privathaus verabredet. Er kam eine Stunde zu spät, stieg kreidebleich und verstört aus dem Hubschrauber, aus dem er zuvor 100.000 Demonstranten beobachtet hatte. Fix und fertig sagte er in die Kamera: "Mir wurde jetzt klar, dass ich schießen lassen muss, wenn ich an den Endlagerplänen festhalte. Aber als Christ kann ich das nicht verantworten." Im März 1979 verkündete dann Albrecht, dass "zu diesem Zeitpunkt in Gorleben ein Endlager politisch nicht durchzusetzen ist". Große Teile seiner Partei waren entsetzt über diese "Feigheit".
Später wurde Gorleben ein "Zwischenlager" und am 28. September 2020 ganz aufgegeben. Gorleben kann leben.
Auch die WAA Wackersdorf scheitert
Nachdem sich die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen am 4. Februar 1985 für das bayerische Wackersdorf als Standort entschieden hatte, demonstrierten schon am 16. Februar rund 35.000 Menschen bei eisiger Kälte friedlich gegen die Wiederaufarbeitungsanlage (WAA). Prominent an ihrer Seite der SPD-Landrat von Schwandorf und viele bayerische Pfarrer beider Konfessionen. Die Polizei beschwerte sich über die wachsende Solidarisierung der Einheimischen mit den auswärtigen Atomkraftgegnern. Bayerns Ministerpräsident Franz-Josef Strauß wollte die WAA unbedingt. Er musste sogar den Bundesgrenzschutz zu Hilfe rufen, weil die bayerische Polizei allein mit den immer mehr Demonstranten – darunter auch viele CSU-Wähler – nicht fertig wurde.
1 Kommentar verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 02.11.2020Im März 1979 verkündete dann Albrecht, dass "zu diesem Zeitpunkt in Gorleben ein Endlager politisch nicht durchzusetzen ist". Große Teile seiner Partei waren entsetzt über diese "Feigheit".
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