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Der Fall Max Emden

Der Fall Max Emden
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Wer war Max James Emden? Lebenskünstler, Exzentriker und Kaufhauskönig bis Ende der 20er-Jahre, mit Ablegern in Freiburg. Wegen seiner jüdischen Vorfahren verfolgten ihn die Nazis. Später verweigerten deutsche Behörden seiner Familie eine Wiedergutmachung, mit abenteuerlicher Begründung.

Auch wenn seine Firma M.J. Emden & Söhne zu den größten Waren- und Kaufhausunternehmen Deutschlands gehörte, war sie fast unbekannt. Sie gehörte zum halben Dutzend der Warenhaus-Giganten jener Zeit: Hermann Tietz (später Hertie), Leonhard Tietz (später Kaufhof), Rudolph Karstadt, Wertheim und dem Stuttgarter Schocken. Bis auf Karstadt waren es alles jüdische Unternehmen, wie überhaupt damals rund 80 Prozent der Waren- und Kaufhäuser in Deutschland in jüdischem Besitz waren.

Auch die Firma M.J. Emden hatte jüdische Ursprünge – und was für welche! In „Tachles“, dem jüdischen Wochenmagazin, war vor Tagen zu lesen, dass Max Emden aus einer bedeutenden Rabbiner-Familie kommt: "Stammvater war der in Vilnius geborene, später in Budapest lehrende Rabbi Ephraim Ben Jacob Ha-Kohen (1616–1678), dessen Sohn die Tochter des damaligen Altonaer Oberrabbiners geheiratet und sich in Hamburg niedergelassen hatte. Ihr Sohn Jacob Israel Ben Zebi Ashkenasi, genannt Jacob Emden, 1697 in Altona geboren, gilt bis heute als einer der bedeutendsten Reformrabbiner Europas. Neben seiner Gelehrtentätigkeit betrieb Jacob Emden in Altona (heute ein Hamburger Stadtteil) eine Druckerei und einen Handel mit Edelsteinen – und wurde zum Begründer der Kaufmannsdynastie."

Das 19. Jahrhundert bescherte dem Unternehmen schwere Krisen, aber auch Höhenflüge. Durch die Seeblockade gegen England und die Besetzung Hamburgs sorgten die Truppen Napoleons dafür, dass das Vermögen der Emdens vernichtet wurde. Dem 19jährigen Meyer Jacob Emden, daher M.J. Emden, blieb es überlassen, die Familie über die Runden zu bringen. Er gründete mit einem Partner 1823 die Firma Nathan & Emden, einen Großhandel für Textil-Kurzwaren, also Knöpfe, Nadeln, Garne und dergleichen. Nach dem Tod des Partners 1838 firmierte das Unternehmen mit M.J. Emden. Als 1864 die drei Söhne Julius, Hermann und Jakob (Max Emdens Vater) als Gesellschafter in die Firma eintraten, wurde der Name in M.J. Emden & Söhne geändert – so blieb er, bis die Nazis die Kaufhaus-Dynastie ausraubten und vernichteten.

Das Engros-Geschäft der Emdens stagnierte, solange Hamburg nur auf den internationalen Handel setzte und sich weigerte, dem Zollverein beizutreten. Bis die Stadt 1887 diesen Schritt dann doch vollzog, musste sich die Firma M.J. Emden & Söhne manches einfallen lassen, um diese Zollgrenzen zu überwinden. Und sie tat es mit Erfolg. Als Max Emden nach seinem Studium 1898 als 24jähriger in die Firma seines Vaters eintrat, hatten dieser und sein Bruder Hermann aus dem Engros-Handel das erste bedeutende Franchise-Unternehmen in Deutschland gemacht. Unter dem Namen „Hamburger Engros-Lager“ hatten die beiden Brüder (Julius Emden war früh ausgetreten) bis 1904, als Max Emden Teilhaber des Unternehmens wurde, weit mehr als 200 Kaufhäuser in Deutschland gegründet oder übernommen oder sich daran beteiligt.

Das Konzept war aufgegangen: M. J. Emden & Söhne half dem darnieder liegenden Detailhandel in den Städten mit Krediten, Beratung in Geschäftsführung, Buchhaltung und Werbung, Belieferung mit Waren, aber auch mit Grundstücken auf die Beine. Die örtlichen Geschäfte wurden eng von der Hamburger Zentrale geführt und mussten sich verpflichten, alle Waren nur von M.J. Emden & Söhne zu beziehen. Dafür gab es die Garantie, dass in der Stadt nur jeweils ein „Hamburger Engros-Lager“ aufgemacht wurde.

Die Freiburger Geschäftspartner rücken ab

In Freiburg startete der jüdische Kaufmann Julius Eckmann bereits 1886 mit einer Filiale in der Kaiserstraße 34 (heute Parfümerie Douglas). 1889 zog Eckmann mit seinem Kurzwaren- und Wollgeschäft ein Haus weiter, bekannt gemacht durch eine spektakuläre Anzeige. 1891 löste ihn Johann Ludwig Mutter als Nachfolger ab, der seinerseits „unglücklicher Familienverhältnisse wegen“ bereits 1893 das Freiburger „Hamburger Engros-Lager“ an Hermann G. Heetel, wie Mutter kein Jude, übergeben musste.

Schon damals gab es, so eine Anzeige, 215 „Hamburger Engros-Lager“ in Deutschland. Heetel zog 1908 mit dem Geschäft in die Kaiserstraße 88 am Bursen-Eingang (heute WMF-Filiale) weiter. Bereits 1913 erschien in den Anzeigen von Heetel der Hinweis auf seine Verbindung mit der Firma „Hamburger Engros-Lager“ seltener. Danach verschwand er völlig – aus Sorge, seine Geschäfte mit einer als jüdisch geltenden Firma könnten ihm schaden? Denn dass das – nun mit einem breiten Kaufhaus-Sortiment aufwartende – Geschäft weiterhin mit der Firma M.J. Emden verbunden war, erfuhren die Leser der „Freiburger Zeitung“ am 12. April 1934, als Heetel auch im Handelsregister den Hinweis auf das „Hamburger Engros-Lager“ löschen ließ. Besser ist besser, dachte er wohl. Oder gab es einen Wink der Partei?

Dabei war die Firma M. J. Emden schon seit vielen Jahren gar nicht mehr jüdisch, denn der Alleininhaber Max Emden, dessen Mutter Protestantin war, war schon 1893 als 19jähriger zum Protestantismus konvertiert. Heetel lag richtig: Das kümmerte die Nazis nun gar nicht. Sie gingen nicht nach dem Glauben, sondern nach der Abstammung, dem Blut, wie es hieß. Und da war Max Emden eben Halbjude.

Auch für die Herren in Bern bleibt Emden verdächtig

1927 verkaufte Max Emden den Großteil seiner Kaufhausfirmen 1927 an die Rudolf Karstadt AG, behielt aber zumeist die Grundstücke. Er zog ins Tessin, wo er die im Lago Maggiore liegenden Brissago-Inseln erwarb und darauf eine große Villa im klassizistischen Stil errichten ließ – seinen Alterssitz.

Als er nach langem Hinhalten 1934 doch die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielt, schien er auf der sicheren Seite zu sein. Doch die Schweizer Regierung rührte keinen Finger, um ihm als nun Schweizer Bürger bei seinem Kampf gegen den Raubzug der Nazis, die ihm ein Kaufhaus-Grundstück nach dem anderen entrissen, beizustehen. Für die Herren in Bern war Max Emden, der geschieden war und auf der Insel mit seiner mehr als 30 Jahre jüngeren Geliebten und etlichen jungen Besucherinnen das Leben genoss, verdächtig – aus moralischen Gründen, aber eben auch als Jude.

Max Emden, dem durch die „Arisierung“ seines Besitzes die Mieteinnahmen wegbrachen, war schließlich gezwungen, seine exquisite Kunstsammlung zu Geld zu machen. Ein Canaletto wurde über Umwege sogar vom Beauftragten von Adolf Hitler erworben – und landete später in der Villa Hammerschmidt des Bundespräsidenten. Da war Max Emden, der 1940 in seiner Verzweiflung einem Herzleiden erlag, schon lange tot. Sein einziger Sohn Hans-Erich konnte sich, da die Mutter gebürtige Chilenin war, nach Südamerika retten.

Beschämend ist, wie deutsche und vor allem Hamburger Behörden mit den Anträgen der nun in Chile lebenden Familie Emden auf Rückerstattung und Wiedergutmachung umgegangen sind. Max Emden, der als Mäzen Hamburg reich beschenkte und unter anderem auf eigene Kosten einen Golfplatz und Poloplatz anlegen ließ, sei ja gar kein Jude, sondern Protestant und zudem Schweizer Bürger, so wurde die Zurückweisung der Anträge begründet.


Sehenswert dazu ist der Film „Auch Leben ist eine Kunst – Der Fall Max Emden“. Er ist im April in den Kinos angelaufen. Mehr Informationen finden Sie hier


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