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Mieterhöhungen bei der SWSG

Von der einen Tasche in die andere

Mieterhöhungen bei der SWSG: Von der einen Tasche in die andere
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Mieter:innen der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) müssen sich auf höhere Kosten einstellen. Ab 1. Juli steigt die Miete um sechs Prozent. Anträge, die Erhöhung auszusetzen, scheiterten an Grünen, CDU, Freien Wählern und FDP.

Es war der letzte Versuch: Im Wirtschaftsausschuss Anfang Mai hätten die Stadträte die SWSG-Mieter:innen vor Mieterhöhungen verschonen können, doch die Mehrheit wollte nicht. Die bürgerlichen Parteien lehnten die Anträge sowohl von SPD als auch von der FrAktion (Linke, SÖS, Piraten, Tierschutzpartei) ab, die sechsprozentige Erhöhung ab 1. Juli auszusetzen. "Die Grünen fehlen bei dem Thema", konstatiert Hannes Rockenbauch von der FrAktion. Die hatten bereits im vorigen Jahr erklärt, sie seien gegen eine weitere Mieten-Nullrunde, weil "nur wenige Mieter*innen in der Gesamtstadt" davon profitieren würden, "alle anderen Mieter*innen bei privaten Wohnungseigentümern nicht" (Kontext berichtete).

Rockenbauch hält das für eine krude Begründung: "Im Prinzip sagen sie damit, den SWSG-Mieter:innen geht es schon so gut, wenn es denen noch besser geht, ist das ungerecht." Dabei könnte die Stadt mit ihrer eigenen Wohnungsgesellschaft so ein Zeichen setzen. Aber der Zug ist nun abgefahren.

Bei einer Inflation von über sieben Prozent und explodierenden Energiekosten jetzt noch die Mieten zu erhöhen, hält Martin Körner, Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat, für falsch. "Da bekommen jetzt die Menschen 300 Euro vom Staat, um die Belastung durch die Energiekosten abzumildern – das Geld geht im Prinzip gleich an die SWSG." In der Tat passt der Energiekostenzuschuss nahezu exakt: Die geplante durchschnittliche Mieterhöhung von 26 Euro pro Monat bedeutet aufs Jahr 312 Euro mehr für die SWSG-Mieter:innen. Für Energie bleibt da nichts mehr übrig.

Schlechte Aussichten also und auch sonst erscheint kein Silberstreif am Mietenhorizont. Die Mieten in Stuttgart steigen kontinuierlich, bezahlbare und erst recht Sozialwohnungen fehlen. Zwar wissen die politisch Verantwortlichen, dass Stuttgart zu den teuersten Städten der Republik gehört, doch es tut sich nichts. Das wurde auch klar bei der Mitgliederversammlung des Mieterbundes in der vergangenen Woche. Dessen Vorsitzender Rolf Gaßmann verdeutlichte, was Mieter:innen in der Landeshauptstadt zugemutet wird. Er ließ Fotos an die Wand werfen: eine kleine Wohnung in Cannstatt mit uralt-Kochecke, kaputter Decke für 32 Euro pro Quadratmeter; ein Inserat für eine 3-Zimmer-Wohnung, Miete: 4200 Euro.

"Solche Wucherpreise sind in Stuttgart möglich", sagt Gaßmann. Auch weil die Stadt nicht dagegen vorgehe. 15 bis 17 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete seien Verstöße gegen die Mietpreisbremse und strafbare Mietpreisüberhöhungen. In Freiburg versuche die Verwaltung nun, derartige Wuchervermieter:innen zu belangen, erst mittels eines blauen Briefes und wenn die Miete nicht geändert wird, mit Bußgeld. Im Januar habe der Mieterverein Baubürgermeister Peter Pätzold, Grüne, aufgefordert, dies auch in Stuttgart in die Wege zu leiten. "Wir erwarten, dass die Stadt endlich aus der Zuschauerrolle heraustritt", so Gaßmann.

Von Nopper kommt auch nichts Neues

Immerhin: Oberbürgermeister Frank Nopper, CDU, erklärte als Gast beim Mieterverein, das solle jetzt kommen. Ansonsten enttäuschte er mit seiner Rede, die unter dem Titel "Mein Wohnungsprogramm für Stuttgart" angekündigt war. Ungewohnt ernst las der sonst notorisch gut gelaunte Nopper vor allem Zahlen vor: Wie viele Wohnungen voraussichtlich fehlen, wie viele die Stadt bauen will, wie viele dann immer noch fehlen und so weiter und so weiter. Anwesende Stadträte von Grünen, CDU, SPD verzogen derweil keine Mine.

"Das muss er ja sagen, das haben wir im Gemeinderat ja so beschlossen", flüsterte eine Stadträtin vor sich hin. Nichts Neues also, außer dass Nopper befand, er könne sich "als ultima ratio" auch vorstellen, im Außenbereich von Stuttgart zu bauen, "gegebenenfalls mit Bürgerentscheiden". "Mein Wohnungsprogramm" war also eher ernüchternd und so bedankte sich Mietervereins-Chef Gaßmann "für die Erläuterung der bisherigen Stuttgarter Wohnungspolitik". Zwar sei der OB nicht für Bisheriges verantwortlich zu machen, aber: Nun müsse man die Dinge endlich angehen. Da ginge es schon mit der Bedarfsanalyse los. Die der Stadt sei nämlich falsch. Zum Beispiel werde für die nächsten zehn Jahre mit einem Bevölkerungswachstum von einem Prozent gerechnet. Für Gaßmann nicht nahvollziehbar: "Hamburg rechnet in mit sieben Prozent, München mit zehn." Es sei unwahrscheinlich, dass die Menschen ausgerechnet um eine so wirtschaftsstarke Stadt wie Stuttgart einen Bogen machten.

Auch die Mieterhöhung bei der SWSG kritisierte Gaßmann. Die würde vor allem Geringverdiener in Bedrängnis bringen. Der Mieterverein rate den SWSG-Mieter:innen, zu prüfen, ob sie wohngeldberechtigt sind. Laut Gaßmann "wissen das viele gar nicht". Dann könnten sie entlastet werden. Wohngeld bezahlt die Stadt. Würden tatsächlich deutlich mehr SWSG-Mieter:innen Wohngeld beziehen, käme damit das Geld für die SWSG aus dem städtischen Haushalt. Am Ende würde die SWSG zum einen von den 300 Euro Energiekostenzuschuss (Steuergeld) profitieren und zum anderen von Wohngeld (Steuergeld). Sinnvoll erscheint das nicht. Und die Mieten werden auch nicht gedämpft. Aber das war ja wohl auch nicht das Ziel der beschlossenen Mieterhöhung.


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