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Ex-Konsul Klaus Mangold

Immer nur sachorientiert gelacht

Ex-Konsul Klaus Mangold: Immer nur sachorientiert gelacht
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Wenn es um Geschäfte mit Russland ging, hatte Klaus Mangold keine Berührungsängste mit Putin und dessen Oligarchen. Nach dem Überfall auf die Ukraine distanziert sich der einstige Daimler-Vorstand und Honorarkonsul vom Kriegsherrn im Kreml – ist aber weiter in russischen Diensten.

Das Foto, das am 6. Dezember 2019 im Bocharov Ruchey, der Sommerresidenz des russischen Staatspräsidenten, in Sotschi entstand, zeigt zwei Männer, die sich gut verstehen. Links Klaus Mangold. Vor dem einstigen Daimler-Vorstand, Ex-Tui- und Continental-Aufsichtsrat sowie früheren Ostbeauftragen der Deutschen Wirtschaft, liegt eine dicke Dokumentenmappe, gläserne Teekanne und güldene Becher rahmen die Szenerie. Rechts Wladimir Putin. Der Kreml-Herrscher neigt sich seinem Gast aus dem badischen Münstertal fast liebevoll zu. Er schaut ihm in die Augen, beide lächeln gelöst. Mangold war damals als Aufsichtsratschef des Münchner Konzerns Knorr-Bremse ans Schwarze Meer gereist.

Es ist nicht der einzige Schnappschuss, der "Mister Russland", wie die FAZ den heute 78-jährigen Multi-Funktionär taufte, mit Putin und dessen Entourage an Staatskonzernbossen und Oligarchen in inniger Verbundenheit zeigt. An Nikolaus 2019 herzte Mangold auch Andrei Kostin, wie Aufnahmen belegen. Schon damals stand der Chef der zweitgrößten russischen Bank VTB auf einer US-Sanktionsliste, die im April 2018 als Reaktion auf russische Einmischung bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen zwei Jahre zuvor erlassen worden war. Inzwischen treffen Bank und Chef auch EU-Sanktionen. Kostin verteidige Putins Annexion der Krim sowie die Destabilisierung der Ukraine, so Brüssel.

Auch mit Gazprom-Boss Alexei Miller pflegte Mangold augenscheinlich freundschaftliche Nähe. Fotos vom 12. Oktober 2017, ebenfalls in Putins Sommerresidenz gemacht, zeigen beide feixend. Miller dient bereits seit den 1990er-Jahren Putin, als dieser noch Bürgermeister von Sankt Petersburg war. Seit Mai 2001 führt er den staatlichen Energiekonzern, den Putin auch als geostrategische Waffe einsetzt. Gazprom baute die Nord Stream-Pipelines, die Deutschland abhängig von russischem Gas machten. Während Miller auf westlichen Sanktionslisten steht, bleibt sein Konzern aus Angst vor Lieferstopps bislang davon verschont.

Freundschaft mit Putin? Aber nicht doch!

Seit Putins Truppen am 24. Februar die Ukraine überfielen, ist Schluss mit lustig. Eine Woche nach Kriegsbeginn warf Mangold als russischer Honorarkonsul hin, der er seit 2005 in Stuttgart war. Mit Erlass Nr. 5896 vom 14. April 2022 hat das Außenministerium in Moskau seine Vertretungsvollmacht widerrufen. Von persönlichen Banden oder gar Freundschaft will "Mr. Russland" heute nichts mehr wissen. "Der Kontakt zu Herrn Putin war sachorientiert", teilt sein Sprecher auf Anfrage mit.

Mangold habe den russischen Präsidenten "ausschließlich im Rahmen von Delegationsreisen und anderen öffentlichen Terminen mit anderen" getroffen. Zuletzt im Juni 2021 beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg. Im Vordergrund der Gespräche seien immer "Themen in Bezug auf die deutsche Wirtschaft" gewesen. Und: "Es besteht kein privater Kontakt zu Putin."

Mangold ging es angeblich auch nicht nur um "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft", wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi während seiner Bundestagsrede Mitte März kritisierte. "Darüber hinaus hat sich Professor Mangold beispielsweise immer wieder auch für Kirill Semjonowitsch Serebrennikow eingesetzt", ergänzt sein Sprecher, womit es auch um Menschenrechte gegangen sei. Im Juni 2020 war der Starregisseur wegen angeblicher Unterschlagung öffentlicher Gelder zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der regierungskritische Kulturschaffende, der offenbar mundtot gemacht werden sollte, konnte im Januar nach Deutschland ausreisen.

Fakt bleibt, dass Mangold einer war, der die deutsche und russische Wirtschaft verwob. Nicht zuletzt als "Head" von "Mangold Consulting" im Münstertal verhalf er hiesigen Unternehmen lukrative Geschäfte in Russland anzubahnen sowie in Usbekistan und Kasachstan. Mit der heiklen Folge, zumindest indirekt selbst im Ukraine-Feldzug Putins involviert zu sein. Zum einen, weil russische Panzer und Geschütze zur Front mit den Staatsbahnen RZD gelangen, mit denen die von Mangold beaufsichtigte Knorr-Bremse lange gute Geschäfte machte. Ein Jahr vor der russischen Annexion der Krim im März 2014 hatte der Münchner Konzern mit der Föderalen Güterwagengesellschaft FGK, einer RZD-Tochter, das Joint Venture für die Produktion von Bremstechnik gegründet. "Das war vor der Amtszeit von Professor Mangold", betont sein Sprecher.

Mangolds Knorr-Bremse fährt immer mit

Das stimmt, Mangold ist erst seit 2018 Chefaufseher des Konzerns. Doch auch unter "Mr. Russland" weitete Knorr-Bremse sein Engagement in Putins Reich aus, und das trotz der Wirtschaftssanktionen wegen der Krim-Annexion. Noch im April 2020 gab das Unternehmen bekannt, Brems- und Klimasysteme für 13 neue Sapsan-Hochgeschwindigkeitszüge zu liefern. Zwei Monate darauf schlossen die Münchner eine Partnerschaft zur Konstruktion der nächsten Sapsan-Generation ab, die zwischen Moskau und Sankt Petersburg verkehren. Zudem erweiterte Knorr-Bremse im selben Jahr seine Produktion in Russland.

Noch länger ist die LKW-Sparte der Münchner vor Ort. Bereits im Jahr 2008 gründete sie ein Joint-Venture mit dem größten russischen LKW-Hersteller Kamaz. Aus dessen Werk rollen derzeit auch Militärfahrzeuge in die Ukraine, etwa gepanzerte Truppentransporter vom Typ KamAZ-63968. In den sozialen Medien kursieren Aufnahmen, die den "Taifun" im Kriegsgebiet zeigen.

"Den 16 Soldaten im Innern der rollenden 'Kampfmaschinen' können weder Minen, Sprengfallen noch direkter Beschuss mit Handwaffen gefährlich werden. Frauen, Kinder, überhaupt alle Zivilisten, denen ein solches Fahrzeug in Kiew, Charkiv oder anderen Städten der überfallenen Ukraine in die Quere kommt, sind den Aggressoren hilflos ausgeliefert", schreibt das Magazin "Mobilitätsmanager" über den 20-Tonner, von dem die russische Armee rund 330 Einheiten besitzt.

Der Vollständigkeit halber: Neben Knorr-Bremse arbeiten auch die baden-württembergischen Unternehmen ZF Friedrichshafen und Liebherr mit Kamaz. Der Stuttgarter Lastwagenhersteller Daimler Truck hält sogar 15 Prozent an der Firma. Mitte März warf der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba auch Bosch eine "groß angelegte Zusammenarbeit mit Russland in der Verteidigung" vor. In erbeuteten Infanteriefahrzeugen hatten die Ukrainer Antriebskomponenten des schwäbischen Zulieferers gefunden. Bosch bestritt die Vorwürfe. Am 8. März gab Knorr-Bremse wie die anderen Unternehmen auch den Rückzug aus Russland bekannt.

Luxusyachten gehören auch zum Portfolio

Recherchen ergeben Hinweise auf weitere Verbindungen des einstigen Honorarkonsuls mit Russlands Elite. Von 2013 bis 2020 saß Mangold im Beratungsgremium der Bremer Lürssen Maritime Beteiligungen GmbH & Co. KG. Die in dieser Zeit in deutschen Lürssen-Werften gebauten Luxusyachten gingen auch an russische Kunden. Etwa die 2019 vom Stapel gelaufene "Scheherazade". Die mit 140 Meter Länge und einem Schätzwert von rund 700 Millionen Dollar eine der größten und teuersten Yachten der Welt wurde vor wenigen Tagen in einem toskanischen Hafen beschlagnahmt. Italienischen Medien zufolge ist Eduard Chudainatow, Ex-Chef des russischen Staatskonzerns Rosneft, als Besitzer eingetragen. Der Erdölmanager wird auch als Eigentümer der Superyacht "Amadea" angeführt, die auf Fidschi beschlagnahmt wurde. Als wahrer Eigentümer der "Scheherazade" wird aber immer wieder Putin genannt.

2016 lieferte Lürssen die 156 Meter lange Superyacht "Dilbar" aus, die mit einem 25-Meter-Pool das größte Planschbecken auf einer Yacht auf den Meeren spazieren fährt. Lange konnte sich der Besitzer des 800 Millionen-Euro-Schiffs hinter Briefkastenfirmen verstecken. Jetzt wird sie Putins Lieblingsoligarchen Alisher Usmanov zugeordnet, der seit 2014 mit seinem geschätzten Vermögen von 17,6 Milliarden US-Dollar auf EU-Sanktionslisten steht.

Half Mangold als Beirat bei Lürssen, um Aufträge von russischen Oligarchen an Land zu ziehen? "Die Vermittlung von Aufträgen ist nicht Gegenstand dieser Beiratsarbeit. Diese unterliegt grundsätzlich der Vertraulichkeit, so dass hierzu keine weiteren Informationen gegeben werden können", erklärt sein Sprecher auf Anfrage. Im Jahr 2020 machten die Lürssen-Werften über 2,1 Milliarden Euro Umsatz.

Auch die sibirische Gas- und Ölindustrie braucht Rat

Nach seinem Ausscheiden bei Lürssen übernahm Mangold ein neues Berateramt, als "Chairman Advisory Board" der Eastsib Holding. Bei dieser Unternehmung, der über ein halbes Dutzend Firmen in der sibirischen Gas- und Ölindustrie gehören, bleiben die Besitzverhältnisse zunächst ebenfalls unklar. Der Internet-Auftritt befindet sich gerade im "Maintenance Mode". Handelsregister offenbaren eine Adresse im zyprischen Nikosia, unter der auch eine 2016 liquidierte Firma in den Panama-Papers auftaucht. In den Tiefen des Internets findet sich der Geschäftsbericht 2020, der den britischen Lord Sir Frederick Matthew Thomas Ponson als Aufsichtsratschef nennt. Weitere Google-Suche führt auf russische Nachrichten-Portale, die über einen großen Korruptions- und Betrugsfall in Moskau berichten, in den auch Agenten und Generäle des russischen Geheimdienstes FSB involviert sein sollen.

Immer gut beschäftigt

Klaus Mangold wurde am 6. Juni 1943 in Pforzheim geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft. Von 1991 bis 1994 war er Vorstandschef der Quelle AG, von 1995 bis 2003 Vorstandsmitglied der DaimlerChrysler AG, wo er unter anderem für zentral- und osteuropäischen Märkte zuständig war. Von 2000 bis 2010 war Mangold Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Er war Mitglied mehrerer Aufsichts- und Beiräte, darunter Metro AG, Norman Foster + Partners, Ernst & Young, Alstom S.A., E.ON AG, Continental AG sowie Aufsichtsratsvorsitzender der TUI AG Deutschland. Sein Aufsichtsratsvorsitz bei Knorr-Bremse München endet am 24. Mai. Zwischen 2005 und März 2022 war er Honorarkonsul der Russischen Föderation für Baden-Württemberg.  (jl)

Mangolds Sprecher bestreitet, dass Eastsib nur über einen Briefkasten verfügt. Stattdessen mailt er Beiträge von zyprischen Medien, in denen die russischen Dissidenten Alexander Bondarenko and Vladimir Stolyarenko als "ultimate beneficial owner" der Holding genannt sind. Gegen die Geschäftsleute, die in London leben sollen, gibt es ein Auslieferungsgesuch Russlands wegen Betrugs, dem Interpol jedoch nicht nachkommt. "Aus den Artikeln geht auch hervor, dass beide eher Opfer der russischen Politik sind und anscheinend die Justiz und der FSB mit ihnen ähnlich verfährt, wie im Fall Michail Chodorkowski", deutet Mangolds Sprecher an, dass Putins Machtapparat versucht, die Holding unter staatliche Kontrolle zu stellen. "Zu ihrem angeblich kriminellen Verhalten gehörte die Forderung nach einer Reform der russischen Strafverfolgungsbehörden und die Verfolgung der Korruption in der Moskauer Stadtverwaltung", schreibt "In Cyprus" Anfang Februar. Stutzig macht, dass der britische Lord Ponson im März seine Funktion bei der Eastsib Holding aufgab. Mangold übt sein Amt weiter aus.

Das Geschäft geht einfach nicht aus

Im vergangenen Juni, als Russlands Truppen bereits an der ukrainischen Grenze standen, nahm Mangold einen weiteren sensiblen Job an. Der Deutsche wurde Aufsichtsrat bei ACRA. Die Moskauer Rating-Agentur wurde 2015 nach dem sanktionsbedingten Rückzug westlicher Agenturen gegründet und gilt als vom Kreml "bevorzugt". Hinter ihr stehen 28 Unternehmen vor allem aus dem staatlich kontrollierten Finanzsektor, etwa die sanktionierte VTB Bank. CEO Yekaterina Trofimova war früher bei der Gazprom-Bank, an die westliche Länder russische Gasrechnungen überweisen. Im Juni 2018 übernahm ACRA die slowakische European Rating Agency (ЕRА) und erhielt damit Zugang zum EU-Finanzmarkt. Zum 1. April 2021 verzichtete ACRA Europe von sich aus auf die EU-Registrierung. "Die ACRA ist nach wie vor für ausländische Investoren eine wichtige Institution zur Bewertung wirtschaftlicher und finanzieller Bonität, vor allem russischer Unternehmen. Das gilt insbesondere auch in der aktuellen Situation. Insoweit spielt ACRA gerade jetzt für die Geschäftstätigkeit westlicher Unternehmen eine gewichtige Rolle", antwortet sein Sprecher auf die Frage, warum Mangold sein Aufsichtsratsmandat weiter in Kriegszeiten ausübt, in denen sich westliche Unternehmen gerade scharenweise aus Russland zurückziehen.

Aber auch Mangold hat sich diversifiziert. Geschäftlich ist er auch in Usbekistan und Kasachstan aktiv, beides Länder mit reichlich fossilen Rohstoffvorkommen. Ende Oktober 2021 sprach er in der usbekischen Hauptstadt Taschkent mit Regierungsvertretern über mögliche westliche Investitionen, unter anderem ging es um die Privatisierung von Uzbekneftegaz. Der staatliche Energiekonzern musste bereits 2020 Teile seiner Ölfelder an ein Unternehmen abgeben, das dem usbekischen Oligarchen Bakhtiyer Fazylov zugeschrieben wird. Zudem ist Uzbekneftegaz Kreditnehmer bei russischen Staatsbanken. Daneben sollen weitere staatseigene Unternehmen wie die Fluglinie Uzbekistan Airways zeitnah ganz oder teilweise privatisiert werden. Das Geschäft dürfte Klaus Mangold nicht ausgehen. Ukraine-Krieg hin oder her.


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6 Kommentare verfügbar

  • Siskin
    am 12.10.2022
    Antworten
    Verständlich, dass Mangold jahrelang auf‘s falsche Pferd gesetzt hat. Er war weiß Gott nicht der Einzige. Vielleicht hätte ihm die KGB-Herkunft zu denken geben müssen, ebenso wie das brutale Vorgehen in Tschetschenien und Georgien. Rotes Licht hätte aufgrund der Annexion der Krim leuchten müssen.…
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