Filiz Sefer ist zum Heulen zumute. Die 41-Jährige arbeitet seit 22 Jahren bei der Firma Eberspächer in Esslingen. Im Werk 3 direkt am Neckar produziert sie mit 299 KollegInnen Standheizungen. "Das sind tolle Kollegen", sagt Sefer. "Ich arbeite da gerne." Aber nicht mehr lange. Denn das 150 Jahre alte Familienunternehmen schließt das Werk 3 und verlagert die Fertigung nach Polen. Bis Ende nächsten Jahres werden die 300 Frauen und Männer entlassen. Als Grund nennt Eberspächer Corona und das Auslaufen des Verbrennermotors und damit weniger Aufträge. Dass dieser Motorentyp keine große Zukunft hat, ist keine besonders neue Erkenntnis. Dennoch: Dass jetzt wirklich das Aus kommt, kann Filiz Sefer kaum fassen.
Die große, sehr schlanke Frau sitzt in ihrer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung in Esslingen. Alles ist in Weiß und Holztönen gehalten, in einer Ecke sitzen zwei kleine Buddha-Statuen mit Kugelkerzen in den Händen. Doch buddhistische Gelassenheit kann die gebürtige Esslingerin gerade nicht aufbringen. "Als alleinerziehende Mutter finde ich doch keine Arbeit", sagt sie. Im Hintergrund hockt die fünf Jahre alte Tochter Mira auf dem Rand des Sofas und schaut fern. Trickfilme mit Tieren. Sie sei das Beste in ihrem Leben, erzählt die Mutter. Doch für die Zukunft befürchtet sie Schlimmes. "Bei 'alleinerziehend' denkt doch jeder Arbeitgeber gleich, ‚die ist nie da, weil das Kind andauernd krank ist' und all sowas. Dabei war ich in den vergangenen vier Jahren fast immer auf Arbeit. Egal, was war."
Beschäftigte haben Pech gehabt
Verkündet hatte die Eberspächer Geschäftsführung ihren Plan im Mai, als sie berichtete, wie gut das Jahr 2019 gelaufen war. Man habe bei Umsatz und Gewinn zugelegt, doch weil Eberspächer sich internationaler aufstellen will, habe man vor allem in die Produktion in China, in Indien und in Mexiko investiert. Deutschland kam in dieser Aufzählung nicht vor. Hier ist es dem Familienunternehmen zu teuer. Oder, um es im Unternehmens-Sprech auszudrücken: "Insbesondere die deutschen Produktionsstandorte stehen im internationalen Vergleich aktuell unter noch höherem Druck." So formulierte es Geschäftsführer Martin Peters in der Bilanz-Pressemitteilung vom Mai. Er bezeichnet es als "erforderliche Veränderungen", dass der Standort Fahrzeugheizungen in Esslingen geschlossen wird.
12 Kommentare verfügbar
Michael
am 10.10.2020Man kann nicht gleichzeitig "für Europa" / "für die EU" sein und sich über Verlagerungen nach Polen / Ungarn beschweren.
Indien/China ist ein anderes Problem, da könnte die Bundesregierung/EU eingreifen, z.B. über eine Fluchtsteuer.