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Baupilot mit Gschmäckle

Baupilot mit Gschmäckle
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Ein Bürgermeister, dessen Firma Software an Gemeindeverwaltungen verkauft? Ja, das geht. Und weil es sich um Software handelt, mit der Wiesen und Grünzüge sogar vom heimischen Sofa aus für Bebauung reserviert werden können, sind die Firma Baupilot und ihr Chef Stephan Mantz auch noch hoch dekoriert.

Wer im kommunalen Flächen- und Immobilien-Management nach einem Zauberwort sucht, wird mit "Abrakadabra" oder "Simsalabüm" nicht weit kommen, auch wenn das Suffix "BüM" für Bürgermeister, lautmalerisch eindrücklich auf den Zauberer zurückverweist. Nein, die ultimative Parole, die alle mit dem Klimawandel verbundenen Bedenken und politischen Absichtserklärungen beim ungehemmten Flächenfraß und der massenweisen Aufgabe von Grünzügen hinwegfegt, kommt schon in der Lautfolge weitaus biederer daher: Bedarf.

Wie lebhaft der Streit in Gemeinderäten, auf Informations- und Diskussionsveranstaltungen zum Beispiel im Zusammenhang mit der Fortschreibung des Regionalplans Bodensee-Oberschwaben auch immer verläuft, sobald Verbandsdirektor Wilfried Franke und die ihm folgenden Bürgermeister und Funktionäre das Wort "Bedarf" von den Lippen tropfen lassen, ist die Diskussion zu Ende, die Kritiker entwaffnet. Denn ganz klar: "Bedarf" ist die unhinterfragte Ultima Ratio kommunalen Flächenanspruchs. Die Zwillingsschwester von Bedarf heißt "Nachfrage".

Wer es wagt, diesen "Bedarf" zu hinterfragen, bekommt keine oder zögerlich-nebulöse Antworten. Der Bedarf ist einfach da, geschätzt, vermutet, hochgerechnet, irgendwie. Die Tatsache jedoch, dass dieser Bedarf von vielen Kommunen, die dafür auch richtig Geld in die Hand nehmen, zumindest teilweise erst geweckt und dann gezielt auf die eigene Gemarkung gerichtet wird, bleibt unerwähnt. Stattdessen führen Vorgänge wie der um die Bauplatzvergabe in der kleinen Gemeinde Ummendorf (Landkreis Biberach) dazu, dass bauwillige Familien inzwischen ernsthaft besorgt sein müssen, nicht mehr an Baugrundstücke früherer Flächengroßzügigkeit gelangen zu können.

In einem vergleichsweise spektakulären Beschluss vom 17. Juni 2019 (Az. 3 K 7459/18) hatte das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Bauplatzvergabe in Ummendorf als rechtswidrig bewertet und die Vergabe gestoppt. Der Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren bezog sich in der Begründung allerdings nicht auf die Kriterien der Bauplatzvergabe an sich, sondern rügte die beklagte Gemeinde zum Beispiel für den Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot. Die Vergabekriterien in Ummendorf waren nichtöffentlich ausgekungelt worden.

Neue Geschäftsmodelle werden geboren

Nun geschieht, was immer geschieht, wenn ein Gut knapp wird: Neue Geschäftsmodelle werden geboren, die aus dieser Verknappung Kapital schlagen – und das Gut damit für alle noch teurer machen. Ein solcher Anbieter ist zum Beispiel das inzwischen bundesweit tätige Unternehmen Baupilot GmbH mit Sitz in Maselheim (Landkreis Biberach). Baupilot bietet sich Kommunen als digitaler Dienstleister bei der Vermarktung von Baugrundstücken, Gewerbeflächen und Immobilien an. Das Unternehmen kann auf hohe und höchste Auszeichnungen verweisen: 2017 "Cyber One" Landessieger ITK, Medien und Kreativwirtschaft, ebenfalls 2017 Sieger von "startup BW" Regionalcup Böblingen sowie 2018 Gründerpreis der Schwäbisch Media, Sonderpreis für digitale Innovationen. Baupilot wird Kommunen (wie zum Beispiel Ummendorf) vom Gemeindetag Baden-Württemberg ausdrücklich und namentlich empfohlen. Die nötige Software lieferte das Rechenzentrum ITEOS, eine Anstalt öffentlichen Rechts.

Den blendenden Glorienschein um Baupilot herum rundet der ehemalige Ulmer Oberbürgermeister und Rechtsanwalt Ivo Gönner ab. Der gibt Kopf und Expertise her und verspricht Gemeinden (wie Ummendorf) "rechtssichere Bauplatzvergabe". Stimmt gar nicht, kam gerade erst in einer Gemeinderatssitzung ebendort heraus. Baupilot-Geschäftsführer Mathias Heinzler ruderte bezüglich der versprochenen Rechtssicherheit coram publico zurück. Aber das ist nicht das Einzige, was an diesem Unternehmen "verwundert". Baupilot ist eine regelrechte Wundertüte.

Einer der beiden Geschäftsführer der Baupilot GmbH ist Stephan Mantz. Er ist darüber hinaus auch noch Geschäftsführer der hinter Baupilot stehenden HMF Holding GmbH. Trotz dieser beiden verantwortungsvollen Tätigkeiten versieht Mantz noch einen kleinen Nebenjob: Er ist hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Wain. Auch diese Gemeinde liegt im Landkreis Biberach.

Mantz‘ Personalunion ist praktisch in der Kundenakquise, dient sich sein privatwirtschaftliches Unternehmen doch exklusiv Kommunen als Dienstleister an. So wirbt zumindest ein Textband auf der Unternehmenswebseite, wo die mit Baupilot arbeitenden Städte – es sollen 120 sein - wie Nummerngirls über den Bildschirm laufen müssen. Hübsch: Die Mehrzahl der dort aufgeführten "Städte" sind gar keine.

Selbst seine eigene Gemeinde – Wain – konnte der geschäftstüchtige Bürgermeister als Kunde der Firma Baupilot gewinnen. Selbstredend umsonst, damit das Ganze kein Gschmäckle hat. Wie kann man sich so einen Vertragsabschluss zwischen der Gemeinde Wain und Baupilot vorstellen? Abstimmungsprobleme im Terminkalender der beiden Vertragspartner gibt es schon mal keine. Wenn Mantz dann den Vertrag in seiner Funktion als Wainer Bürgermeister unterzeichnet hat, braucht er nur um den Schreibtisch herumzulaufen und zeichnet als Geschäftsführer der Baupilot GmbH gegen? Das darf er auch. Er besitzt Einzelvertretungsberechtigung mit der Befugnis, im Namen seiner Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. So etwas ist Normalsterblichen unter dem Begriff "Insichgeschäfte" nach Paragraf 181 Bürgerliches Gesetzbuch verboten.

Auf Anfrage versichert Mantz der Kontext-Redaktion gegenüber, an dieser Firma keinen Cent zu verdienen und keine Sekunde Arbeit in diese Firma zu stecken, sei er doch Bürgermeister von Wain mit "Herz und Seele". Auch das Landratsamt bestätigt, dass Mantz‘ Nebentätigkeiten ordnungsgemäß angemeldet wurden.

Baupilot war aber auch schon im Wainer Gemeinderat Thema. Erst in einer Sitzung im Dezember ging es um die Frage, ob Wain die Dienste von Mantz GmbH nicht mit einem Preis-Nachlass von 100 Prozent nutzen könne, um Gschmäckle zu vermeiden. Hintergrund: Baupilot wird seit Mitte 2019 nicht mehr über dritte, sondern von Mantz und Partner selbst vertrieben. Rätin Julia Freifrau von Herman befand, das Gschmäckle ergebe sich erst recht durch eine Schenkung der Dienste und ob es nicht eine "konkurrenzfähige Alternative" zu Baupilot gebe. Von Interesse wäre überdies die Frage, ob es überhaupt einen Piloten geben muss, der Flächenfraß sozusagen auf Knopfdruck und vom heimischen Sofa aus möglich macht.

Interessant sind auch die weiteren Unternehmenstätigkeiten des zweiten Baupilot-Geschäftsführers: Mathias Heinzler. Der durfte gerade erst dem Ummendorfer Gemeinderat die Firma Baupilot vorstellen. Von den anderen Unternehmen, die sich ihm zuordnen lassen, erwähnte er dort allerdings nichts. Das ist ein bisschen schade, denn gerade die Sir Duke Robinson GmbH, dessen Geschäftsführer Heinzler auch noch ist, bietet in dem nicht jugendfreien Internetshop Rauschpulver.com zum Beispiel Liköre mit so vielverspritzenden Etiketten wie "PornoColada", "MUSCHIto" und "Sex with the Bitch" an. Unter Verwendung sexistischer Fotos von Frauen in entwürdigenden Positionen wird für "frivole Unterhaltung" geworben und der Verbraucher darüber informiert, dass "voll" nicht bedeute, es passe kein Schnaps mehr rein. Dazu gibt es noch Werbung für Porno-Webseiten. Heinzler beantwortet selbstverständlich keine Fragen zu Baupilot und seinen vielfältigen anderen Unternehmenszweigen.

Kommunen, die den Immobilienmarkt befeuern?

Der Ostracher Blogger Franz Schreijäg hat sich überdies einmal angesehen, welcher Art die Grundstücke sind, die seine Kommune bei ihrem Baupilot-Partner anbietet. Sein auf dem Blog "Sofa" belegtes Fundstück ist "Königsegg II", ein interkommunales Gewerbegebiet der Gemeinden Ostrach, Königseggwald und Riedhausen. Für dieses besteht noch nicht einmal ein Flächennutzungsplan, von einem Bebauungsplan ganz zu schweigen. Im Vorstellungstext zu der Gewerbefläche auf dem Baupilot-Portal heißt es, "Königsegg II" solle "aufgrund hoher Nachfrage erweitert werden".

SimsalaBüM, da sind wir wieder beim Zauberwort und seinen Anverwandten. Um diese angebliche Nachfrage überhaupt erst zu generieren, zahlt die Gemeinde Ostrach monatlich 300 Euro, wie Bürgermeister Christoph Schulz die Baupilot-Kosten für seine Gemeinde (knapp 7000 Einwohner) beziffert. 2013 wurden diese Kosten in einem Zeitungsartikel noch mit 2500 Euro pro Jahr angegeben. Ein Ostracher Gemeinderat freute sich seinerzeit über die neue Möglichkeit, "mit dem Programm die Attraktivität und den Verkauf von Bauplätzen in der Gemeinde und in Teilorten (zu) forcieren." Die Freude am Befeuern eines ohnehin überhitzten Immobilienmarkts hält bei Schulz auch 2020 an. Ausdrücklich lobt er das Baupilot-Angebot, das es Ostrach ermögliche, überregionale Nachfrage nach Flächen in Ostrach zu erwecken.


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