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Banker auf der Straße

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Die "Fridays for Future" machen Druck und wollen nicht länger alleine auf der Straße stehen. Beim globalen Klimastreik am kommenden Freitag sind alle aufgerufen, mitzumachen. Die GLS-Bank ist dabei. Ein Gespräch mit dem Stuttgarter Chef.

Herr Münch, jetzt gehen schon die Banker auf die Straße. Zum Globalen Klimastreik macht die GLS-Bank ihre Filialen und Schalter dicht. Was ist los mit Ihnen?

Ich kann nicht für alle Banker sprechen. Uns hat der Aufruf der Jungen von "Fridays for Future" motiviert, am Klimastreik teilzunehmen. Wir haben uns gesagt, wir müssen mit raus auf die Straße und wir müssen unsere Netzwerke nutzen. Deshalb haben wir unsere 35 000 Firmenkunden angeschrieben, ich selbst habe die Firmen rund um die GLS hier in Stuttgart abgeklappert, bis hin zur Eisdiele Pinguin. Ich war vorher viele Jahre in konventionellen Banken beschäftigt, und bin begeistert, dass Vorstand und Geschäftsleitung diesen Raum aufgemacht haben.

In diesem Raum marschieren Sie nun vom Eugens- zum Kernerplatz und weiter zum Schlossplatz, haben Transparente gemalt und bilden mit Schlips und Anzügen den dunklen Block?

Wir gehen nicht als GLS Bank mit einer Werbefahne vorneweg, sondern als Mitglied der Entrepreneurs for Future. Wir haben ein Banner, darauf steht schlicht Entrepreneurs for Future oder auch Wirtschaft kann Klimaschutz. Manche werden Business gehen, also als AnzugträgerInnen, damit erzeugt man sicher einen Effekt, aber das stelle ich meinen Leuten frei.

Wie kam die Entscheidung zustande? Kommt da Ihr Vorstandschef Thomas Jorberg und sagt: Leute, wir machen dicht, alle raus, husch, husch?

Das kann man nicht von oben verordnen. Die Frage nach erneuerbaren Energien und Energiewende, das ist ein Kernanliegen der Bank seit 1974. Heute sind wir an einem Wendepunkt angelangt, wo der Vorstand sagt, wo wir sagen: Die Fridays brauchen eine stärkere Unterstützung, wir brauchen einen größeren Druck. Macht ihr mit, seid ihr dabei? Dann entstehen Ideen, dann schaut man, wer macht was, das ist auch unterschiedlich ausgeprägt, von Hamburg bis Berlin. In Bochum ...

... dem Hauptsitz der GLS …

... ist ein Riesencorso unterwegs mit den Fridays. In Bochum gibt es kein Problem damit, dass unsere Bank den Zug mit einem E-Auto mit GLS-Werbung begleitet. In Freiburg und Stuttgart sagen die Fridays, wir wollen keine Werbegeschichten, aber schon sichtbar machen, dass auch die Unternehmer und die Parents mit dabei sind. Das akzeptieren wir.

Was machen Sie denn, wenn ein GLS-Mitarbeiter sagt, Raum aufgemacht, schön und gut, aber ich geh lieber shoppen?

Bei 600 Mitarbeitern gibt es unterschiedliche Sichtweisen, das ist bei vielen Themen bei uns so. Und die Mitarbeiter, die sagen, ich bin jetzt bei der Vorbereitung dabei, aber bei der Demo nicht, denen steht es frei, zu ihrem Arbeitsplatz zu gehen und die Dinge zu machen, die sie sonst auch machen. Aber Sie können davon ausgehen, dass fast die ganze Bank unterwegs sein wird.

Herr Münch, ist das für Sie persönlich der erste Streik?

Als Banker ist das mein erster Streik und das finde ich total spannend. Aber privat war ich artig und überzeugt auf der Straße, bei der Menschenkette der Friedensbewegung etwa oder bei Anti-Atomkraft-Demos. Aber zugegeben, das ist schon eine Weile her.

Ihr Chef, Thomas Jorberg, sagt auch, der Chef einer Bank muss Aktivist sein. Ist der Stuttgarter Filialleiter Münch auch einer?

Schon aus der Aufgabe heraus ergibt sich, dass man ein Aktivist sein muss. Lebenseinstellung und berufliche Einstellung sind bei uns nicht mehr so zu trennen wie in anderen Banken.

Ich dachte immer, der Chef einer Bank sollte sich mit Zahlen auskennen?

Tut er auch. Aber ich engagiere mich darüber hinaus kommunalpolitisch in meinem Heimatort Freudenstadt, bin seit vielen Jahren im Vorstand einer freien Schule, und streite mich mit dem Oberbürgermeister. Was halt so ansteht.

Wie konnte es denn passieren, dass eine AfD-nahe Stiftung, die Desiderius-Erasmus-Stiftung, ausgerechnet bei der GLS ein Konto einrichten konnte?

Das war im Mai 2018 und wurde nicht sofort entdeckt. Leider. Aber wenn wir das merken, kündigen wir und das haben wir in dem Fall getan. Denn die Politik der AfD und unsere Leitlinien gehen auf keinen Fall zusammen. Wir begrüßen beispielsweise die Vielfalt. Und wir waren 2015 in der Flüchtlingshilfe aktiv. Der Kunde muss zu unseren Zielen passen. Da ist bei der AfD nicht der Fall.

Zurück zum Klimastreik. Sehen Sie bei den konventionellen Banken eine Entwicklung hin zu mehr Ökologie, weg von fossilen Brennstoffen hin zu grünen Ideen?

Wir sind Vorreiter und Referenz, wenn in Deutschland über nachhaltige Geldanlagen und Finanzierung gesprochen wird. Oder über ein mutiges und transparentes Vorgehen in der Entscheidung, welche Wertpapiere in unsere Portfolien aufgenommen werden. Und da ist bei den konventionellen Banken durchaus eine positive Entwicklung zu sehen. Sicherlich geht die immer noch zu langsam, etwa, wenn wir sehen, was auf europäischer Ebene läuft. Die Kommission hat eine AG ins Leben gerufen für ein nachhaltiges Finanzsystem, die ist uns noch zu lasch. Im Moment wird sehr stark auf Klima- und Erderwärmungsschutz fokussiert, der Aspekt Ökologie und Soziales wird vernachlässigt.

Mit der Kampagne "Nicht mein Erbe" mobilisieren Sie über 1000 Firmen.

Wir haben den Aufruf gemeinsam mit Unternehmensgrün gemacht, das sind mittlerweile über 3000 Unternehmen, die schon nachhaltig unterwegs sind. Und dann haben wir mit "Fridays for Future" überlegt, wie wir noch mehr Firmen gewinnen können, die nachhaltig wirtschaften, aber nicht Unternehmensgrün sind. Das haben wir mit der Werbeagentur Grey zusammen entwickelt, mit deren Azubis und Trainees, was total spannend war.

Seit wann bereiten Sie den Klimastreik vor?

Seit Frühjahr diesen Jahres. Wir haben die jungen Werbeleute gefragt, ob sie Ideen zum Klimastreik haben, und daraus einen Aufruf für Unternehmen gemacht. Inzwischen sind das um die 1500, die bereits unterschrieben haben. Die sind nicht alle Kunden bei uns.

Die Unternehmen, die den Streik unterstützen, machen die auch den Laden dicht? Sagen etwa die Naturkosmetiker Hauschka und Wala auch: Raus auf die Straße mit Blümchen im Haar?

Nettes Bild, aber das müssen die Unternehmen selbst entscheiden. Die Agentur Grey, das wissen wir, stellt es ihren MitarbeiterInnen in Düsseldorf frei. Aber wie sich Wala oder Härle in Leutkirch verhalten, weiß ich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass sie auch den Raum aufmachen.

Was machen Sie am autofreien Sonntag, zwei Tage nach dem Klimastreik. Gehen Sie auf der Theodor-Heuss-Straße oder der B 14 in Stuttgart spazieren?

Kein Problem. Wir haben keine Dienstfahrzeuge, wir fahren mit dem ÖPNV. Ich bin viel unterwegs, habe eine Bahncard 100. Aber Spazierengehen auf der Theo wäre sicher eine super Sache, wobei ich, bei allem Verständnis für das Riesenthema Auto in Baden-Württemberg, sagen muss: Mir fällt auf, dass bei den entsprechenden Gipfeln immer wieder gesagt wird, dass man die Automobilindustrie sichern will. Klar ist aber, dass es eine grundlegende Transformation geben wird und geben muss, hin zu erweiterter Mobilität. Das wird zu wenig diskutiert. Und wenn der grüne Ministerpräsident immer wieder mahnt, den Diesel nicht zu verteufeln, dann nehme ich das zur Kenntnis und sage, ganz frei nach Hannah Arendt: Die Hoffnung auf Erkenntniszugewinn stirbt zuletzt.


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2 Kommentare verfügbar

  • Dorothea Geiges
    am 22.09.2019
    Antworten
    Als sehr zufriedene Kundin der GLS-Bank kann ich die Erfahrungen von Frau Mausch nicht bestätigen: Wann immer ich ein Anliegen hatte, wurde das vom Eugensplatz aus schnell und gut erledigt. Oder umgekehrt, mein Berater kam auf mich zu.
    Das Interview fand ich genau so gut, ruhig und kompetent von…
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