KONTEXT:Wochenzeitung
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Klimaquatsch mit Ecki

Klimaquatsch mit Ecki
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Zum Klimagespräch der IHK Region Stuttgart trafen sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Daimler-Cheflobbyist Eckart von Klaeden. Bei der Frage, was die Klimaschutzziele für die Autoindustrie bedeuten, waren sie sich ziemlich einig: Weh tun soll's nicht. Aber Spaß machen.

Immer mehr Fahrverbote, das gefällt Andreas Scheuer nicht. "Nicht verhältnismäßig" sei das, denn nicht von den vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, nicht von den Wirtschaftstreibenden her gedacht, die "auf einen sauberen Diesel angewiesen sind", beklagt der Bundesverkehrsminister. Doch statt so zu denken, "haben wir eine einzigartige deutsche, masochistische Diskussion". Ein Masochist, das ist der Niederbayer Scheuer eher nicht. Er will Spaß, sieht immer so aus, als habe er eine Mordsgaudi an seinem Job. Irgendwann sagt er sogar: "Mir macht Klimaschutz auch Spaß." Aber erst am Schluss.

Scheuer ist der prominenteste Gast des "12. Stuttgarter Klimagesprächs", zu dem die IHK Region Stuttgart am 15. November ins Wöllhaf Konferenz- und Bankettcenter im Terminalgebäude des Stuttgarter Flughafens geladen hat. Er soll auch als erstes sprechen, und wie es sich für wichtige Gäste gehört, kommt er ein bisschen zu spät. Zehn Minuten nachdem sein Statement angekündigt ist, rauscht er mit Entourage in den Raum Lilienthal. Rauf auf's Podium, mit der Rechten so raumgreifend wie beiläufig das Mikro geschnappt, die Linke lässig in die Hosentasche, dazu wippen die braunen Wildlederschuhe leicht in einem imaginären Beat, und die ganze Haltung signalisiert: Hier steht ein Checker, eine Rampensau, ein Mann, der ständig unter Strom ist.

Scheuer war mal Generalsekretär der CSU, und davon scheint er nie ganz losgekommen, zumindest betreibt er seinen aktuellen Ministerjob beständig im latent forsch-angriffslustigen Generalsekretär-Modus. Dass er dabei auch als Quasi-Generalsekretär der Autoindustrie agiert, als "unverhohlener Lobbyist der Konzerne" (Deutschlandfunk), das kann der Scheuer Andreas freilich nicht auf sich sitzen lassen. "Ich bin nicht der Buddy der Bosse, ich bin der Kumpel der Fließbandarbeiter", zitiert ihn Moderator Werner Eckert zu Beginn. Als Kommentar nur ein Pokerface von Scheuer. Passt scho.

Das Motto des Klimagesprächs lautet "Klimaschutz und Mobilität", neben Scheuer geladen sind Eckart von Klaeden, Cheflobbyist von Daimler, und damit das Ganze nicht zu einseitig buddy-mäßig wird, die Professorin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Alle drei halten erst kurze Referate, ehe sie miteinander diskutieren und schließlich Zuschauerfragen beantworten sollen. 

Bestechende Lage mit faszinierendem Flugzeug-Blick

Der Ort ist im Prinzip ganz interessant gewählt: Die etwa 120 Gäste im Raum Lilienthal haben freien Blick auf die Rollbahn des Flughafens, auf wartende, startende und landende Flugzeuge, deren Insassen gerade mal wieder ihre CO2-Fußabdrücke verdoppeln. Um den Flugverkehr geht es allerdings so gut wie gar nicht, sondern vor allem um die Zukunft des Automobilstandorts Stuttgart. Um Fragen wie: Welche Auswirkungen haben Klimaschutzpolitik, haben die geforderte Reduktion von CO2 und von Stickoxiden auf die hiesigen Unternehmen? Ist der Diesel tot? Liegt die Zukunft allein in der Elektromobilität? Die Erwartungen fasst eingangs IHK-Präsident Johannes Schmalzl zusammen: "40 bis 50 Prozent aller Arbeitsplätze in der Region hängen an der Mobilität. Und viele haben Sorge, dass die politischen Rahmenbedingungen mitunter nicht ganz der Realität entsprechend gesetzt werden könnten."

Die Sorgen der Unternehmen zerstreuen, dafür ist Scheuer der Richtige. Er stellt erstmal klar: Saubere Luft, das will er doch auch. Aber auch "gute Mobilität". Beides zusammen, saubere Luft und gute Mobilität, will er sogar zum Exportschlager machen. Wie? Jedenfalls nicht mit Fahrverboten. "Das müssen wir über Anreize hinbekommen." Um den Dieselskandal, bei dem die Autoindustrie offenbar die falschen oder zu wenig Anreize hatte – was Scheuer nicht sagt –, kommt er nicht ganz rum. Darüber war er natürlich auch "verärgert", über die "Fehler und Manipulationen", und da habe er "viele Gespräche geführt, lieber Eckart von Klaeden, harte Gespräche" (Kontext berichtete).

Aber das sei heute nicht das Thema. "Sondern das Thema ist: Wie kriegen wir die Mobilität so faszinierend hin, dass wir sauberer werden, und dass wir die Klimaschutzziele einhalten?" Die Mobilität der Zukunft muss Spaß machen, sehr viel konkreter wird Scheuer nicht. "Technologieoffen" will er fördern, klar, Elektromobilität, aber nicht nur. Auch digitale Verkehrsmanagement-Systeme faszinieren ihn, ach ja, und dann hat er noch einen Mobilitätspreis vergeben für junge Start-Ups, ganz hoffnungsvoll sei er da, und sein Ministerium habe eine nationale Plattform eingerichtet, und da wolle er über die Mobilität der Zukunft reden, "mehr Mobilität bei weniger Verkehr", "mobil und digital zusammenbringen", da müsse man "pushy" sein. Die Floskeln der guten Absichten schießen wie Pfeile durch den Raum.

Der "liebe Eckart von Klaeden" ist im Laufe von Scheuers Kurzvortrag zu "Ecki" geworden. Bevor er spricht, ist aber noch Kemfert dran, die unter anderem eine Quote für Elektroautos fordert. Vielleicht auch, damit nicht zu deutlich wird, dass zwischen den Ecki und den Minister kaum ein Blatt passt. Von Klaeden kommt, trotz Jeans und Krawattenlosigkeit, längst nicht an Scheuers Lässigkeit und Rampensau-Qualitäten ran, er spricht eher monoton und abgehackt, und, wie PR-Berater wohl sagen würden, sein Wording ist auch nicht ganz so fresh. Aber sonst herrscht trautes Einvernehmen.

Die Ökonomie ist ja wohl kein Orchester!

Saubere Luft und Klimaschutz, das wollen beide. Und mehr E-Mobilität auch. Aber eine Quote für Elektroautos? Fahrverbote? Wollen beide nicht. "Eine Quote halte ich für falsch" (von Klaeden), "ich bin nicht so der fixierte, einzementierte, an Quoten oder Verboten orientierte Typ" (Scheuer). Vor "politisch-ideologischen Entscheidungen" solle man sich hüten, sagt Scheuer. Stattdessen müsse man durch Anreize für mehr E-Mobilität sorgen. Von Klaedens Paraphrase klingt etwas dröger: "Ich bin der festen Überzeugung, dass es ökologisch-marktwirtschaftlich und nicht ökologisch-dirigistisch funktioniert." Den Klimaschutzzielen müsse man "marktwirtschaftlich begegnen", sagt der Daimler-Lobbyist. Das klingt ein bisschen wie "den Klimaschutz autogerecht gestalten". 

Den Staat will von Klaeden trotzdem nicht ganz abschaffen, der soll bitte für ausreichend erneuerbare Energien und eine gute Infrastruktur für E-Mobilität sorgen. Und er wünsche sich sogar "vorhersehbare, klare, als Staatsbürger auch scharfe Vorgaben", so der Daimler-Mann, "die aber im Einzelfall nicht so dirigistisch sind." Wie diese leicht an der Quadratur des Kreises erinnernde Forderung erfüllt werden soll, verrät von Klaeden nicht so genau. Aber die Formel "Anreize gut, Regulierung schlecht" vertritt praktischerweise ja auch Scheuer.

Nur einmal kommt es zu einem kleinen Dissens zwischen den beiden. Als von Klaeden mal wieder über den staatlichen "Dirigismus" gegenüber der Autoindustrie in Deutschland lamentiert, über "Zusatzauflagen", über "Tests, die uns die Planung und die Entwicklung der Fahrzeuge unglaublich erschweren", da wird es selbst Scheuer zu bunt: "Also Ecki, da muss ich aber echt sagen, dass die Messungen so kommen, das haben wir, das habt ihr Jahre im Voraus gewusst." Und die Autoindustrie habe "schon einen Riesenanteil daran, dass wir jetzt strenger unterwegs sind", legt der Bundesverkehrsminister nach. Baff. Da fühlte man sich gleich an den kalkulierten Wutausbruch Scheuers von vorvergangener Woche erinnert, als er Vertreter der Autoindustrie mit einer Missbilligung von deren Verhalten seit dem Dieselskandal verdutzte ("Ich ärgere mich echt"), um kurz darauf eine Einigung zu Hardware-Nachrüstungen zu präsentieren, die der Autoindustrie nicht weh tut.

Immerhin, indem Scheuer nach seiner Rüge von den Versäumnissen der heimischen Autoindustrie blitzschnell weiterspringt zu seiner Unzufriedenheit über das Fehlen einer einheitlichen europäischen Regelung, da verhindert er vielleicht unangenehme Nachfragen. Denn von Klaeden war in der Vergangenheit bei Abgastests ja überaus, wie man in Managementkreisen wohl sagt, "proaktiv": Im Jahr 2015 hatte der ehemalige Staatsminister im Kanzleramt, der 2013 nahtlos zu Daimler wechselte, das getan, was man sich von Lobbyisten, die eben noch Politiker waren, halt so erwartet: <link http: www.spiegel.de wirtschaft soziales daimler-cheflobbyist-eckart-von-klaeden-beeinflusste-kanzleramt-bei-regeln-fuer-abgastests-a-1161319.html _blank external-link>Er setzte sich erfolgreich im Kanzleramt gegen strenge Abgastests bei Dieselautos ein. Die strengeren Regeln wären eine Umsetzung von Plänen der EU-Kommission gewesen. Deren Fehlen wer gerade monierte? Ach hören wir auf, das wird zu kompliziert.

Immer nur dagegen: Scheuer will weder Tempolimit noch neue Steuern

Claudia Kemfert wirkt neben den beiden Freunden der Autoindustrie ein bisschen wie das wissenschaftliche und weibliche Feigenblatt. Dass Messwerte nicht eingehalten werden, dass Gerichte über Fahrverbote entscheiden, das hätten wir uns doch selber zuzuschreiben, betont sie. Und da gehe doch nicht um ideologische Programme, "es geht um saubere Luft, um unsere Umwelt, um unsere Gesundheit", und es sei doch klar, dass das mit der Wirtschaft zusammen gehen müsse. Scheuer sagt artig "Danke für dieses Plädoyer", um doch wieder zu betonen, dass man leider gerade nicht "die Mobilität von morgen" diskutiere.

In der offenen Runde für Publikumsfragen zeigt sich dann verstärkt, was der gemischte Applaus schon vorher nahelegte. Dass nämlich die IHK-Vertreter an diesem Tage offenbar doch keinen ganz so monolithischen Block bilden – <link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft stachel-gegen-abnicken-4388.html _blank external-link>die rebellische Kaktus-Initiative hat eifrig mobilisiert. Statt über den Klimawandel sei es heute vor allem um Fahrvergnügen gegangen, moniert ein Unternehmer, er würde gerne wissen, wie die Diskutanten denn zum Tempolimit stünden, das würde ja auch zu Einsparungen führen. Tempolimit, das ist natürlich der Gottseibeiuns der deutschen Autolobby, entsprechend nennt von Klaeden dies "eine Diskussion von gestern" und Scheuer sagt, die Richtgeschwindigkeit habe sich bewährt. Kemfert widerspricht, ein Tempolimit würde durchaus Unfälle vermeiden, den Schadstoffausstoß senken und auf lange Sicht für kleinere, sparsamere Autos sorgen.

Nun kriegt Scheuer den Furor. "Wir diskutieren nur über Einschränkungen, Beschränkungen, Downsizen, weniger, weniger, weniger." Wenn man das alles, den Klimaschutz, so negativ diskutiere, dann werde das nie ein Erfolg. Das mache doch keiner, entgegnet Kemfert, aber man müsse doch auch ohne die "Verbotskeule als Totschlagargument" über Klimaschutz reden können, darüber, "dass Klimaschutz Spaß machen kann, dass man Ziele gemeinschaftlich umsetzen kann." "Mir macht Klimaschutz auch Spaß", kommt von Scheuer trotzig zurück. 

Der Spaß kommt freilich bald an seine Grenzen, als ein Zuhörer fragt, ob die Bundesregierung immer noch im Würgegriff der Autoindustrie sei. Darauf geht Scheuer gar nicht erst ein, hebt vielmehr hervor, dass sein Ministerium so viel Geld in den Schienenverkehr gesteckt habe wie nie zuvor. Die S-21-Gegner bekommen auch noch eins mit, "man muss auch mal ja sagen zu neuer Infrastruktur", sagt der Minister, Kapazitätsfragen erörtert er freilich nicht.

Irgendwann kommt sie dann doch, die zum Veranstaltungsort passende Frage. "Wann wird endlich Flugbenzin besteuert?", fragt eine Zuhörerin. Scheuer: "Ich will keine Steuererhöhungen, ich will auch keine zusätzliche Steuer". Das gibt Applaus. "Es ist immer so: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass", kommentiert Kemfert, mittlerweile leicht resigniert wirkend. Scheuer hat nun aber keine Zeit mehr, dies als Diskussion von gestern zu schelten, er muss wieder los. Ein Weinpräsent gibt's noch, unbesehen drückt er es dem Referenten in die Hand, "wo müssen ma hin?", der Minister-Pulk rauscht weiter. 

Was bei der Veranstaltung etwas zu kurz kam: Scheuer kann auch ganz pragmatische Pirouetten drehen. Fahrverbote mag er für "nicht verhältnismäßig" halten, aber wenn es sie schon gibt, macht man das Beste draus: So hat das Bundesverkehrsministerium jüngst einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der ermöglicht, Fahrverbote mit Hilfe einer automatisierten Überwachung aller Verkehrsteilnehmer durchzusetzen. Das ermögliche eine Massenüberwachung, <link https: www.heise.de newsticker meldung bundesregierung-plant-offenbar-massenueberwachung-bei-diesel-fahrverboten-4221457.html _blank external-link>die laut Kritikern völlig unverhältnismäßig sei und weit übers Ziele hinaus schieße.

A Hund is er scho, wie der Bajuware sagt.


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7 Kommentare verfügbar

  • Fred Nagel
    am 13.03.2019
    Antworten
    Der Artikel ist zwar schon etwas älter, aber wer aktuell (bis 5.4.19) etwas für den Gottseibeiuns tun will, kann eine Petition beim Bundestag für ein Tempolimit unterzeichnen:
    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_01/_09/Petition_89913.nc.html
    Vielleicht können ja möglichst viele…
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