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Landesbank mit Defiziten

Landesbank mit Defiziten
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Im Mai feierte die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ihr 200-jähriges Bestehen. Die Jubiläumsfreude trübt der neueste Fair Finance Guide: Aus Sicht der kritischen Bankentester hat das öffentliche Geldinstitut in puncto Nachhaltigkeit großen Nachholbedarf.

Nein, von Eurokrise, Handelskrieg oder Kreditrisiken war nicht die Rede. Die Ansprachen während des Festakts zum 200-jährigen Jubiläum der LBBW kreisten vor allem ums Grundsätzliche eines jeden Geldgeschäfts: das Vertrauen. "Die Landesbank gehört zu den Vertrauensträgern unseres Landes", lobte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der für das Land sprach, das wie der in Stuttgart ansässige Sparkassenverband 40,43 Prozent der Anteile an dem Geldhaus besitzt. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn – die Landeshauptstadt ist mit 18,93 Prozent beteiligt – war sich ganz sicher, dass es wirtschaftliche Innovationen und Wohlstand in Land und Stadt nicht ohne die LBBW "als Vertrauensbank des Mittelstands" geben würde. Und Sparkassenpräsident Peter Müller schweifte gar ins Religiöse, um die Entwicklung der Bank vom Wohltätigkeitsinstitut für arme Menschen zum marktführenden Allfinanzdienstleister für Privatkunden und Unternehmen zu preisen: "Ein Segen", meint der einstige Biberacher CDU-Landtagsabgeordnete.

Vertrauen ist gut, Kontrolle immer noch besser, sagen sich dagegen die Tester vom Fair Finance Guide (FFG) – und prüften, wie anständig und nachhaltig die mit einer Bilanzsumme von 238 Milliarden Euro (Stand Ende 2017) größte deutsche Landesbank mit dem Geld ihrer Kunden umgeht. Und siehe da, <link http: fairfinanceguide.de external-link-new-window>im jüngsten Bankencheck der Nichtregierungsorganisation, vor wenigen Tagen publiziert, landet die LBBW unter den 13 getesteten Geldinstituten weit hinten. Schlechter schnitten nur die Postbank, die Bayern LB und die Sparkasse Köln ab. Bessere Bewertungen als die LBBW erhielten etwa die Branchenriesen Deutsche Bank und Commerzbank. Mit Abstand am nachhaltigsten und transparentesten agieren aus Sicht der Bankentester die Bochumer GLS Bank ("Geld ist für die Menschen da"), die Ethikbank ("Wir finanzieren weder Kriegswaffen noch Tierversuche"), einer Tochter der thüringischen Volksbank Eisenberg, sowie die deutsche Niederlassung der holländischen Triodos Bank ("Wir wollen mit Geld positiven sozialen, ökologischen und kulturellen Wandel bewegen").

Während das Spitzentrio im Bankentest mindestens 90 Prozent der Bewertungskriterien des FFG erfüllt, erreicht die LBBW diese nur zu 30 Prozent. Immerhin: Gegenüber dem vorangegangenen Bankencheck im Jahr 2016 konnte das öffentliche Geldhaus aus Stuttgart seinen Erfüllungsgrad fast verdoppeln. Mehr wäre drin gewesen, wenn die Landesbank auch halten würde, was sie online, in dicken Rechenschaftsberichten oder mit blumigen Botschaften verspricht, sagen die Tester (Werbeslogan der Bankentochter BW-Bank: "Besondere Transparenz. Alles über die BW-Bank. Das Wasser. Aufgrund seiner molekularen Struktur gehört es zu den wenigen Stoffen, die Licht nahezu ungehindert durchdringen kann.").

Beziehungen zu "kontroversen Unternehmen"

So strebe die LBBW nach eigener Aussage an, Nachhaltigkeit sukzessive als integralen Bestandteil ihrer Geschäftspolitik zu implementieren und sich ihrer unternehmerischen Verantwortung etwa bei ihren Finanzierungen bewusst zu sein. Die Bankentester konnten diesen Anspruch als nur teilweise verwirklicht erkennen. So habe die Überprüfung der Finanzierungs- und Anlageaktivitäten der LBBW gezeigt, dass weiter Finanzbeziehungen zu "kontroversen Unternehmen" bestehen. Zu den meisten Umwelt- und Klimaschutzaspekten, die der Fair Finance Guide prüft, würden nach wie vor nur vage Richtlinien von der Bank veröffentlicht.

Die Bankentester verweisen auf die <link http: www.facing-finance.org files dirty_profits_5_web_korrigiert.pdf external-link-new-window>Studie "Dirty Profits" von Facing Finance vom Februar 2017. Darin werden die finanzielle Verflechtungen der LBBW mit fünf Unternehmen beschrieben, die gegen Umwelt- und Menschenrechtsstandards verstoßen. An diese habe die LBBW 675 Millionen Euro an Kapital bereitgestellt, 84 Millionen Euro habe sie selbst in diese Unternehmen investiert. So halte die Bank etwa Aktien am Öl- und Gaskonzern BP, der massiv zum Klimawandel beiträgt. Die Tester monieren auch, dass die LBBW Volkswagen Kapital leiht, obwohl der Automobilkonzern mit dem Abgasskandal nicht nur seine Kunden betrogen habe, sondern auch die Gesundheit von Millionen Stadtbewohnern gefährde.

Kritische Bankenprüfer

Hinter dem Fair Finance Guide Deutschland (FFG), dem nach eigenen Angaben ersten frei zugänglichen Informationsportal zur Überprüfung der sozialen und ökologischen Richtlinien deutscher Banken, stehen vier Kooperationspartner: die bankenkritische Nichtregierungsorganisation Facing Finance, der aus ökomenischer Bewegung entstandene Verein Südwind, der auf Nachhaltigkeitstest von Markenherstellern spezialisierte Verein Rank a Brand sowie die Verbraucherzentrale Bremen. Der deutsche FFG ist Teil des Netzwerkes Fair Finance Guide International, gegründet von Oxfam Novib und finanziert von der schwedischen Entwicklungsbehörde Sida und der Stiftung Umwelt und Entwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Bankentest-Methodik mit ihren 250 Prüfkriterien wurde mit Unterstützung der niederländischen Agentur Profundo entwickelt. Der FFG International umfasst derzeit neun Länder und vereint annähernd 40 Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Umweltgruppen und Verbraucherorganisationen. (jl)

Negativ aufgestoßen ist den Testern auch die finanzielle Verflechtung der LBBW mit drei Rüstungskonzernen. Nach Studie der Organisationen Urgewald (<link https: urgewald.org sites default files ff_urgewald_diewaffenmeinerbank_web-v2_-_kleiner.pdf external-link-new-window>"Die Waffen meiner Bank" vom April 2016) hat die Landesbank an Airbus, Thyssen-Krupp und den italienischen Rüstungskonzern Leonardo SpA 106 Millionen Euro an Krediten sowie Aktien oder Anleihen ausgegeben. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass von der LBBW aufgelegte Fonds ebenso in kontroverse Unternehmen investierten. "Durch Finanzierung von beziehungsweise Investition in kontroverse Unternehmen fördert die LBBW indirekt Normverstöße und profitiert direkt von kontroversen Geschäftspraktiken", so die Kritik des FFG.

Auf Nachfrage widerspricht die Landesbank dem Urteil der Bankentester vehement. "Die Methodik des FFG bildet aus unserer Sicht weiterhin das Nachhaltigkeitsengagement der LBBW nicht angemessen ab", betont ein Sprecher. Denn im Unterschied zu den Nachhaltigkeitsratings renommierter Agenturen, in denen auch interne Regelungen berücksichtigt würden, nutze der Fair Finance Guide nur öffentlich zugängliche Informationen. "Bei den Bewertungen durch die erwähnten Ratingagenturen schneidet die LBBW überdurchschnittlich ab", betont er.

Bei Öko-Ratingagenturen schneidet LBBW besser ab

So habe die Nachhaltigkeitsagentur ISS-oekom die LBBW erst kürzlich auf einer Skala von D- bis A+ (Bestnote) mit der Gesamtnote C+ bewertet. "Mit diesem Ergebnis belegt die LBBW in der Branche 'Financials/Public & Regional Banks' Platz 4 von 88 untersuchten Banken auf internationaler Ebene", ergänzt er. Die LBBW erfüllt die von ISS-oekom definierten Mindeststandards an das Nachhaltigkeitsmanagement und wird als "Prime" eingestuft.

Als weiteres Beispiel verweist der LBBW-Sprecher auf das "imug Nachhaltigkeitsrating" von Bankanleihen 2017, das die LBBW positiv (BB) bewertet. "Damit belegt sie Platz 1 von 29 innerhalb des Landesbanken- und Sparkassensektors, unter den europäischen Banken belegt sie Platz 4 von 169 untersuchten Banken", so der Sprecher.

Zudem habe die LBBW im Dezember 2017 den <link https: www.globalcompact.de external-link-new-window>UN Global Compact unterzeichnet und sich damit verpflichtet, zehn Nachhaltigkeitsprinzipien in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung in Unternehmensstrategie, -kultur und Tagesgeschäft zu integrieren sowie sich an Kooperationsprojekten zu beteiligen.

In ihrem Nachhaltigkeitsbericht 2018 werde die Bank entsprechend der Global Reporting Initiative (GRI) transparent und umfassend über Fortschritte berichten, kündigt der Sprecher an. Unabhängig davon habe die LBBW in den vergangenen Jahren ihre Regelwerke zur Nachhaltigkeit weiterentwickelt und nochmals verschärft, insbesondere auf dem Gebiet der Menschenrechte, der biologischen Vielfalt und der Diversity. "Außerdem haben wir für das Kreditgeschäft strenge Richtlinien zu ABC-Waffen, Atomkraft und Uranbergbau vorgegeben", so der Banksprecher. Im Energiesektor finanziere die LBBW keine neuen Kraftwerke, die mit Kohle betrieben werden.

Nachhaltiges Engagement bedeute für die LBBW auch, Kunden nachhaltige Investitions- und Anlagemöglichkeiten zu bieten und sie bei der Weiterentwicklung hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen zu unterstützen. "So hat die LBBW im vergangenen Jahr die bis dato größte Green-Bond-Emission einer europäischen Geschäftsbank mit einem Volumen von 750 Millionen Euro begeben", erklärt der Sprecher. Mit dem Erlös refinanziere die LBBW energieeffiziente Gewerbeimmobilien und künftig auch Projekte im Bereich Erneuerbare Energien. Auf Wunsch verwalte die Bank das Vermögen ihrer Kunden nach sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien – Ende 2017 mit insgesamt 791 Millionen Euro. "Unabhängige Tester haben unser Vermögensmanagement wiederholt als vorbildlich bewertet", betont der Sprecher.

Ratingagenturen als "Blackboxes"

Also alles im grünen Bereich? Für Thomas Küchenmeister sind die abweichenden Noten kein Wunder. "Der Fair Finance Guide ist kritischer und verfolgt zudem eine komplett transparente Methodik", sagt der geschäftsführende Vorstand von Facing Finance, der am FFG mitarbeitete. Ratingagenturen kippten dagegen jede Menge Informationen in eine Blackbox, schrieben eine Zahl darunter und verkauften diese dann für viel Geld an ihre Kunden, zu denen auch viele Banken gehörten, kritisiert er.

Dass unabhängige Tester die Banken nur anhand öffentlich zugänglicher Informationen und Daten bewerten, ist für Küchenmeister kein Nachteil: "Damit kann jeder Bankkunde unseren Bankencheck überprüfen", betont er. Wie Ratingagenturen zu ihren Ergebnissen kommen, sei dagegen nicht nachvollziehbar. Auch seien die Standards der Agenturen nebulös und unpräzise. "Der Prime-Standard von ISS-oekom ist schlicht Etikettenschwindel", sagt Küchenmeister. Auch das Bekenntnis der LBBW zum UN Global Compact garantiere nicht automatisch faires und nachhaltiges Handeln. "Der Pakt ist total unverbindlich und verpflichtet die Unternehmen zu nichts."

Wasser in den Wein gießt auch Hannes Rockenbauch, Vorsitzener Fraktionsbündnisses SÖS-Linke-Plus im Stuttgarter Rathaus. "Angesichts einer Bilanzsumme von 238 Milliarden Euro steht die LBBW im Transformationsprozess noch ganz am Anfang", urteilt der Stadtrat, der auch im Aufsichtsrat der LBBW-Tochter BW-Bank sitzt. Die Green-Bond-Emission 2017 etwa sieht er als Feigenblatt. Eine öffentlich-rechtliche Bank, in der Milliarden der Steuerzahler liegen, müsste deshalb besonders scharfen Transparenzkriterien unterliegen, fordert er die Offenlegung aller entsprechender Kredit- und Investmentbeziehungen.

Wortkarg gibt sich Fritz Kuhn, wenn man ihn fragt, wie nachhaltig die Landesbank agiert. Der Stuttgarter OB muss es schließlich wissen, besetzt er doch gleich zwei Aufsichtsratsposten im LBBW-Konzern. Man habe sich sowohl intern als auch mit den anderen Anteilseignern beraten und sei zu dem Schluss gekommen, auf die Stellungnahme der LBBW-Bank zu verweisen, teilt die städtische Pressestelle auf Kontext-Anfrage mit. In diesem Statement findet sich ganz am Ende auch der Hinweis, dass auf dem Dach des LBBW-Hauptgebäudes in Stuttgart neuerdings Bienenstöcke stehen: "Dabei geht es nicht nur um den Honig. Die Idee ist vielmehr, die Artenvielfalt in der Stadt zu erhalten. Rund 40 freiwillige Helferinnen und Helfer des Sport- und Freizeitclubs der LBBW machen mit." Ökosoziales Banking ist eben kein Honigschlecken.


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