Die kargen Kieselsteinplatten, welche die trostlos graue Fassade des klobigen Betonbaus zieren, haben ihre besten Tage lange hinter sich. Und unter ästhetischen Gesichtspunkten fällt es schwer, ein paar warme Worte über das alte Regionalzentrum der EnBW im Nordosten der Stuttgarter Innenstadt zu verlieren. Doch immerhin ist dem siebengeschossigen, klotzig-massiven Bauwerk in der Hackstraße, eingerahmt vom Villa-Berg-Park und dem Unteren Schlossgarten, eine gewisse Markanz nicht abzusprechen: Man kann das Teil kaum übersehen, da tut das große blaue Schild mit dem Logo des Energiekonzerns sein Übriges.
Nur ein paar dutzend Meter weiter, in der Stöckachstraße, unterhält noch die Netze BW GmbH ihren Stuttgarter Sitz, ein deutlich ansprechenderes Gebäude mit rotbraunen Backsteinen und einer breiten Gläserfront mit blauer Verkleidung. Gemeinsam mit der umliegenden Bebauung sorgen die beiden Gebäudekomplexe bereits seit Monaten für Grundsatzdebatten über die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus in der Landeshauptstadt. Denn das gut 4,2 Hektar große Areal im Besitz der EnBW will der Energiekonzern bis spätestens 2020 räumen. Dann soll hier, im Stadtteil Stöckach (73,5 Hektar groß), ein kleines neues Wohngebiet entstehen. Drei Straßenbahnstationen grenzen schon heute direkt ans Gebiet an und wenn mal was passiert, ist das Karl-Olga-Krankenhaus nur eine Straßenquerung entfernt.
Hier will die Kommunalpolitik, und dabei gibt es ungewöhnlich großen Konsens unter den Fraktionen im Rathaus, 600 preiswerte Wohnungen bauen. Davon sollen mindestens die Hälfte städtisch gefördert und möglichst viele zur Sozialmiete angeboten werden. Bis vor Kurzem bedeutete das in Stuttgart, dass die Preise auf maximal 7,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter gedeckelt waren (bei einer 50-Quadratmeter-Wohnung also höchstens 375 Euro). Seit April 2017 dürfen es auch bis zu neun Euro sein (450 Euro auf 50 Quadratmeter). Das ist immer noch deutlich niedriger als der Stuttgarter Standard. Wer knapp bei Kasse ist, leidet trotzdem drunter.
Die Lage am Wohnungsmarkt wird sich weiter zuspitzen
Weil es nach Darstellung der Stadtverwaltung an geeigneten Flächen mangelt, um günstigen Wohnraum innerhalb Stuttgarts zu schaffen, und vermutlich auch weil Fritz Kuhns "Bündnis für Wohnen" das angepeilte Ziel von jährlich 600 neugebauten geförderten Wohnungen bislang meilenweit verfehlt, hat die Kommunalpolitik ihr unbedingtes Interesse erkennen lassen, das Areal zu kaufen und in Eigenregie zu entwickeln. Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) bezeichnet es gar als "notwendig, dass hier bezahlbarer Wohnraum in ausreichender Menge entsteht."
Denn die ohnehin extrem angespannte Lage am Stuttgarter Wohnungsmarkt wird sich weiter zuspitzen. Allein der aktuelle Mietspiegel für die Stadt, der die Preisentwicklung zwischen 2014 und 2016 untersucht, stellt eine durchschnittliche Kostensteigerung von etwa sechs Prozent fest. Mit starken Schwankungen: In einzelnen Kategorien, etwa Neubauten in guter Lage, sind die Mietkosten in nur zwei Jahren sogar um mehr als 18 Prozent gestiegen. Bundesweit ist München zwar unangefochtener Spitzenreiter, was teure Mieten angeht. Doch ist der zweite Platz im Deutschland-Ranking zum Greifen nah für die baden-württembergische Landeshauptstadt, die sich mit Frankfurt Jahr für Jahr ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen um die Silbermedaille liefert und zuletzt nur knapp unterlag.
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