"Christian Lindner hat die Partei wieder aufgerichtet", jubelte die "FAZ". "Pathos, Ethos, Logos", titelte die "taz". Während Kanzlerin und Kanzlerkandidat als Schlaftabletten durch den Bundestagswahlkampf taumelten, machte der FDP-Chef einen auf Polit-Hipster. Und besetzte hippe Themen, wie etwa: Digitalisierung. "Sie kann unser Leben einfacher, besser und sicherer machen. Und sie birgt die Chance, einen erheblichen Beitrag zur Sicherung unseres Wohlstands in der Zukunft zu leisten", warb Lindner und forderte einen "Weltmeisterplan", um Deutschland zur führenden Digitalnation zu machen. Kurzum: "Digital first. Bedenken second", so stand es auf FDP-Plakaten.
Ein Slogan, der für ätzende Reaktionen sorgte. "Leider ist der Spruch extrem dumm", kritisierte etwa der WDR-Journalist Jörg Schieb. "Wer derart platt der Digitalisierung an sich das Wort redet, belegt, dass er genauso viel von der Sache versteht wie alle, die technische Innovationen reflexartig ablehnen. Nämlich: Nichts", so der Netzexperte. Wolle die FDP also alles angehen und anschieben, was den Stempel "Digital" hat oder bekommt? Sei Digital an sich also gut?, fragte sich Schieb auf seinem Blog. Doch das sei nicht nur schief gedacht, sondern sogar äußerst gefährlich: "Denn die Kernbotschaft, das wichtigste Ziel der meisten Start-Ups (vor allem aus den USA) ist: Disruption. Also per Definition die Zerstörung einer kompletten Branche, einer bestehenden Dienstleistung, einer existierenden Technologie."
Tatsächlich rechnen Wissenschaftler und Ökonomen damit, dass die Digitalisierung nicht nur neue Arbeitsplätze schafft, sondern auch viele etablierte Jobs vernichtet. Nur in welchem Tempo und Umfang, da stochern die Experten meist im Nebel. Computer und Maschinen werden in Zukunft 40 Prozent aller heutigen beruflichen Tätigkeiten in Deutschland verrichten können, prognostiziert etwa eine im November erschienene Studie von The Boston Consulting Group (BCG). Das bedeute, dass bis zum Jahr 2025 die Stellen von 7,7 Millionen Beschäftigten von Automatisierung betroffen sind. Sprich: jeder fünfte Arbeitnehmer muss um seinen Job bangen. Laut Studie träfe es nicht nur Geringqualifizierte: Mehr als 60 Prozent der Betroffenen sind Fachkräfte, heißt es in der BCG-Analyse "Schöne neue Arbeitswelt 4.0? Was wir tun müssen, damit uns die Arbeit nicht ausgeht".
Fachkräfte – die Verlierer der digitalen Revolution
Noch dicker kommt es laut McKinsey: Bis 2030 müssen sich hierzulande bis zu zwölf Millionen Beschäftigte, also fast ein Drittel aller Arbeitskräfte, einen neuen Job suchen, heißt es in einer vor wenigen Tagen erschienenen Schrift des Beratungskonzerns. Nahezu ein Viertel der Arbeitsstunden, die dann voraussichtlich in Deutschland geleistet werden, könnten durch Automatisierung wegfallen, schätzen die McKinsey-Experten. Für die USA taxieren sie dieses Potenzial auf 23 Prozent, in China auf 16 und in Indien auf neun Prozent. Gerade Deutschland sei von dem Strukturwandel besonders betroffen, weil höhere Löhne größere Anreize böten, Arbeitskraft durch Maschinen zu ersetzen, so die Autoren. Auch McKinsey sieht Fachkräfte als Verlierer der digitalen Revolution: vor allem Sachbearbeiter, aber auch Schlosser oder Köche würden überflüssig.
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P-W Bürkle
am 03.02.2018