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Der böse Geist von Big T.

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Beim Davosle von Schwäbisch Hall ist nichts mehr wie früher. Schuld daran ist Donald Trump, der die Weltmarktführer verschreckt. Und ein CSU-Minister liest ihnen auch noch die Leviten.

Robert Friedmann, der Vorstandschef vom Schraubenkönig Würth, erzählt seinen staunenden Zuhörern in der Kaffeepause, wie es so ist, heute in Amerika. Mitte Januar hat er einen großen US-amerikanischen Kunden besucht, und was sagt der zur Begrüßung? "I proudly support our new President." (Ich bin stolz, unseren neuen Präsidenten zu unterstützen.) Er sei verblüfft gewesen, sagt der 50-jährige Manager, "das hätte es früher nicht gegeben. Politik und Religion waren Tabu-Themen".

Früher war vor Trump. Das dämmert so einigen Teilnehmern dieser Veranstaltung, die seit sieben Jahren für drei Tage dem 35 000-Einwohner-Ort Schwäbisch Hall zumindest einen zarten Hauch von großer weiter Welt verleiht. Nicht von ungefähr sagen sie auch Davosle von Hohenlohe dazu, kommen doch viele Weltmarktführer hierher, im Anschluss an das richtige Davos. Wenn sich die Großkopfeten im Januar in dem Schweizer Luftkurort auf dem World Economic Forum versammeln, lockt sie Baden-Württembergs Wirtschaftsminister, FDP-Landesvorsitzender und FDP-Vizebundesvorsitzender (alles ex), Walter Döring, 62, kurz danach in seine Heimatstadt.

Das Timing von Döring, vom dem später noch die Rede sein wird, schien dieses Jahr nahezu perfekt. Globalisierung, Digitalisierung oder dieses Jahr der Schwerpunkt "Afrika – der Chancenkontinent" sind sicherlich ganz nette Diskussionsfelder, aber mit dem Amtsantritt von Trump hat der Gipfel sein eigentliches Thema. Das Thema, das jeden umtreibt.

Die neue Zeitrechnung hat den typischen schwäbischen Unternehmer kalt erwischt. Bisher war die Welt schön. Durch Fleiß und Erfindergeist kommen ständig neue Produkte des Mittelständlers auf den Markt. Und der ist überall. Gerne auch in den USA. Doch wie geht es jetzt weiter? Der böse Geist von Big T. schwebt über dem Kochertal. Strafzölle für Importware, Steuersenkungen für US-Betriebe, neue Regeln für Immigration und Aufenthalt – wer blickt da noch durch?

Miriam Meckel, Chefredakteurin des Co-Veranstalters und Medienpartners "Wirtschaftswoche" will "aufrütteln" und sieht bei Trump die vermeintlich längst in die historische Rumpelkammer verbannten Dämonen des Merkantilismus und Protektionismus wiedererwachen. Aber vielleicht ist Trump auch einfach nur "neidisch", weil es in den USA nur 400 Weltmarktführer gebe, in Deutschland dafür sage und schreibe 1300, mutmaßt Meckel. Doch was nutzt der tolle Vorsprung, wenn der Weltmarkt für die Führer wegzubrechen droht. Die Reaktion der Unternehmer fällt unterschiedlich aus: Von "Kataschdrofe" bis "der macht schulbuchmäßig das, was jeder neue Vorstand bei Dienstantritt macht: die größten Brutalitäten und Sauereien gleich am Anfang knallhart durchziehen."

Und dann holt der CSU-Minister den großen Knüppel raus

Als wäre das alles nicht schon furchterregend genug, taucht auf dem Kongress noch ein Mann auf, der mit geradezu apokalyptischen Bildern erschreckt. Von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, so heißt der Mann, Allgäuer mit CSU-Parteibuch, hätten das hier die Allerwenigsten erwartet. Müller gibt den Anti-Trump. Mit "The world first" lässt sich sein Credo auf den Punkt bringen. Zur Begrüßung verpasst er seinen Gastgebern, Meckel und Döring, gleich mal einen kurzen Einlauf. Denn Staus und mangelnde Wahrnehmung seiner Person mag er offensichtlich nicht. "Eine grausige Autobahn habt's ihr hier. Und schön, dass nach drei Jahren die 'Wirtschaftswoche' auf mich aufmerksam geworden ist." Doch das war nur das Präludium im kleinen Kreis, vor den versammelten Unternehmern holt Müller den ganz großen Rhetorik-Knüppel raus.

Er startet mit einer Philippika, die sich gewaschen hat. "Die G7-Staaten verfügen weltweit über 90 Prozent des Vermögens – und für den Rest wird es immer weniger. Meinen wir mit freiem Welthandel wirklich einen fairen und sozialen Handel?" So arbeiten, schimpft Müller, Näherinnen in Bangladesch für unsere Textilien für 15 Cent die Stunde, 16 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Müller: "Das ist 19. Jahrhundert. Das gibt Revolution und Krieg!" Da glaubt doch mancher, dass da das Haller SPD-Urgestein Erhard Eppler von der Kanzel spricht.

Nun ist Bangladesch weit weg, doch der Minister weiß, wie er sein Auditorium packen kann. Bis 2050 werde sich die Bevölkerung Afrikas verdoppelt haben, prophezeit er, und wenn wir bis dahin mit unseren Klimazielen gescheitert seien, "werden mindestens 200 Millionen zu uns kommen." Sein Therapie-Vorschlag lautet: "Auf nach Afrika." Von den 400 000 deutschen Unternehmen seien gerade einmal 1000 auf dem Nachbarkontinent aktiv. "Und überall wo ich in Afrika hinkomme, treffe ich Chinesen und ich muss mit Toyotas rumfahren." Da horcht der Mittelständler auf.

Und Müller setzt noch einen drauf, als käme er eben von der Good Planet Foundation. "Wenn Sie hier Ihr Handy aus der Tasche ziehen, sind sie sicher, dass dafür nicht Mangrovenwälder in Nigeria vernichtet werden oder Kinder im Kongo für die Rohstoffe der Mobilgeräte arbeiten müssen?", fragt er in die Runde. "Nein, das sind wir nicht. Wir müssen das ändern." Bei diesem Szenario werden die Schwäbisch Haller Probleme, wie eine grausige Autobahn, schlechtes Funknetz oder ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren ganz nichtig und klein.

Die Sache mit dem Staatsanwalt betrifft den Gastgeber Döring. Der Ex-Wirtschaftsminister hat die Strafverfolger an der Backe, die sich mit der insolventen Firma Windreich AG beschäftigen, bei der Döring alles mögliche war. Vorstand, Aufsichtsrat, Berater – aber nach der eigenen Wahrnehmung wohl nicht entscheidend am Untergang beteiligt. Trotz aller widrigen Nachstellungen gehe es ihm "saugut", erzählt der Liberale und ahnt womöglich, dass bei ihm genauso wenig rauskommen wird, wie bei einem anderen Ex-Prominenten. Wendelin Wiedeking, ehemaliger Porsche-Chef, wurde von derselben Behörde im Zusammenhang mit der letztlich gescheiterten VW-Übernahme verfolgt und konnte am Schluss mit einem Freispruch erster Klasse nach Hause gehen. Also keinen Kopf machen.

Doch nach dem Haller Davosle schwant so manchem, dass es sich bald entscheiden wird, wohin die Reise geht. Ob der sich und seine Nation einmauernde Trump gewinnen wird, oder Politiker vom Schlage des Ministers Müller Gehör finden. Robert Friedmann, der Künzelsauer Schrauben-Vorsitzende, ist schon schwer ins Grübeln geraten. "Wegducken", sagt er, "wird auf jeden Fall nicht funktionieren."


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4 Kommentare verfügbar

  • Rolf Steiner
    am 08.02.2017
    Antworten
    Nicht umsonst wird - selbst bei hochbezahlten Managern hinter der vorgehaltenen Hand - vom "eigenen" Raubtierkapitalismus gesprochen. Die Einsicht, dass die Weltwirtschaft grundlegend reformiert werden muss, steckt bei vielen im Hinterkopf. Doch vordergründig wird weiterhin den Interessen des…
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