Es müsste auch den Neoklassikern auffallen, dass sie mit ihrer Theorie zu kurz springen. Die Realität schlägt doch täglich zu.
Es hat eine politische Funktion, dass die Neoklassiker so nachdrücklich behaupten, dass die Wirtschaft stets zum Gleichgewicht tendieren würde: Dies entsorgt das leidige Thema "Macht". Plötzlich ist es keine Frage mehr, warum einige reich und viele arm sind. Jeder bekommt, was angeblich seiner "Leistung" entspricht. Die Neoklassik ist eine Theorie, die für die Privilegierten sehr bequem ist.
Können Smith, Marx oder Keynes erklären, warum die Armen arm und die Reichen reich sind und was dagegen unternommen werden kann?
Adam Smith hat bereits vor 240 Jahren klar erkannt, dass nicht die Intelligenz oder die "Leistung" erklärt, ob jemand arm oder reich ist. Stattdessen sah er genau, dass die Herkunft entscheidend ist – und dass Arbeiterkinder kaum Chancen haben. Karl Marx hat beschrieben, wie der Einsatz von Technik dazu führt, dass am Ende nur noch wenige Großkonzerne übrigbleiben, die ihre Branchen beherrschen. Der Wettbewerb wird ausgehebelt, und es entsteht ein Oligopol. Und Keynes hat erstmals die Macht der Finanzmärkte analysiert. Er gilt ja oft als "linker Spinner". Das ist eine völlig falsche Wahrnehmung. Keynes war selbst professioneller Spekulant und hat ein Vermögen von umgerechnet 22 Millionen Euro hinterlassen. Aber gerade weil er lebenslang mit Derivaten spekuliert hat, wusste er genau, dass man die Finanzmärkte sehr stark regulieren muss, wenn man verhindern will, dass eine kleine Elite sich auf Kosten der Mehrheit bereichert.
Wodurch entstehen Krisen und in welcher Situation befinden wir uns Ihrer Meinung nach?
Gefährliche Finanzkrisen entstehen immer dadurch, dass zu viele Kredite vergeben wurden. Dieser Schuldenberg lastet dann auf der Realwirtschaft. In genau dieser Situation befinden wir uns jetzt. Es hat sich eine "Superblase" aufgepumpt, die bis zum Zerreißen gespannt ist. Allen Bankern ist klar, dass es zu einer weiteren schweren Finanzkrise kommen wird. Genau deshalb ist jetzt die Angst so enorm groß, dass die Deutsche Bank in die Pleite schlittern könnte.
Aber wir wissen doch alle: Krisen gehören zum Kapitalismus.
Finanzkrisen lassen sich vermeiden: Man muss nur die Banken entmachten. Investmentbanken sind völlig überflüssig; Sparkassen reichen aus. Historisch lässt sich zeigen, dass das Wachstum immer dann am stärksten war, wenn es keinen "Freihandel mit Geld" gab, sondern Kapitalverkehrskontrollen dafür sorgten, dass man mit Devisen nicht spekulieren konnte.
Was ist von Smith, Marx und Keynes zu lernen?
Finanzminister Schäuble sollte unbedingt einmal Smith lesen, der schon vor 240 Jahren wusste, dass Exportüberschüsse unsinnig und extrem gefährlich sind. Smith war keineswegs ein radikaler Liberaler, obwohl die Neoklassiker immer so tun, als wäre er ihr Stammvater. Marx hat ganz klar gezeigt, dass der Kapitalismus keine Marktwirtschaft ist, weil es keinen Wettbewerb gibt – und auch nicht geben kann. Es ist daher extrem bedenklich, dass heute immerzu nach "Marktlösungen" gesucht wird und sich der Staat zurückzieht. In den letzten Jahren wurden fast alle öffentlichen Güter verkauft: Wasserwerke, Krankenhäuser, Elektrizitätswerke, Sozialwohnungen. Jetzt wird diskutiert, ob man auch die Autobahnen durch "Private-Public-Partnership" indirekt privatisiert. Besonders krass war die Riester-Rente, die exemplarisch zeigt, wer von diesen "Marktlösungen" profitiert: Die staatlichen Subventionen haben nur die Allianz und die Deutsche Bank reich gemacht. Von Keynes kann man lernen, wie ein Weltwährungssystem aussehen müsste, das die Devisenspekulation sofort beendet. Dieser Vorschlag ist brandaktuell: Momentan kreisen täglich fünf Billionen Dollar um den Erdball, um mit Währungen zu hantieren.
11 Kommentare verfügbar
rudof
am 02.02.2017Gefühlsmäßig redet fast jeder der Kommentatoren von einem anderen Kapitalismus . Findet sich bei Marx oder Smith dieser Begriff überhaupt?
Wenn schon der Kapitalismus verschieden ist, ist das auch seine Negation. Zu Frau Herrmann schweige ich, da…