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Das Kettensägen-Imperium

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Wo Bäume abgeholzt werden, ist Stihl ganz vorne mit dabei. Wo der Kettensägenhersteller aus Waiblingen sonst noch überall seine Finger im Spiel hat, zeigt unser alternativer Geburtstagsgruß zum Neunzigsten des Unternehmens.

Models baden im hölzernen Zuber, posieren knapp bekleidet vor heimischer Bergkulisse oder auch in den Tropen, die Kettensäge immer in Griffweite: Auf dem Stihl-Kalender, der in dieser Form seit 1973 erscheint, ist die Männerwelt noch in Ordnung - diie Frau als Objekt, das steile Sägeblatt mit dem knatternden Zweitakter ein Hort männlicher Potenz.

Ganz unwidersprochen bleibt dies nicht. Teilnehmer des Kongresses "Weltweitwissen" im Stuttgarter Haus der Wirtschaft verfassten 2014 <link http: www.glokal.org unsaeglich-stihllos _blank external-link>eine Resolution. Sie hätten "mit Erstaunen und Entsetzen die Präsentation des Foto-Kalenders 2014 der Firma Stihl (Auflage 900 000) im Foyer des Hauses der Wirtschaft Baden-Württemberg zur Kenntnis genommen" schrieben sie. "'Frauen als scheue Tiere in der beeindruckenden Natur Südafrikas' darzustellen - so der Ausstellungstext - ist nicht nur frauenverachtend und diskriminierend, sondern konterkariert die Ziele des Globalen Lernens ebenso wie die erklärten Bildungsziele der Landesregierung Baden-Württembergs."

1973 war das Jahr, in dem Hans Peter Stihl die Geschäftsleitung übernahm. Er hat den Motorsägenhersteller zum Global Player gemacht. Ein Familienunternehmer, wie er im Buche steht. Ein Partiarch, konservativ bis in die Knochen. Einer, der noch mit 83 mit dem Motorrad über die Autobahn braust. Der gegenüber den eigenen Mitarbeitern sozial sein und nach außen auch Wohltaten verteilen kann. Aber allen Widerspruchsgeistern gerne zeigt, wer die Hosen anhat.

Konservativ bis in die Knochen

Stihl war 13 Jahre lang Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT), der Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern (IHK), und zugleich der IHK Region Stuttgart.

Er ist dafür verantwortlich, dass sich die IHK so stark für das Projekt Stuttgart 21 eingesetzt hat und forderte noch im September 2010, wenige Tage vor dem "schwarzen Donnerstag", ein stärkeres Engagement der Wirtschaft. Der grün-roten Landesregierung drohte der passionierte Autofahrer 2012 unverhohlen mit Abwanderung, sollte sie den motorisierten Individualverkehr ausbremsen. Das Gegenteil sei der Fall, versicherte prompt der Ministerpräsident bei seinem Auftritt zum Stihl-Jubiläum im März.

Stihl ist einer der wohlhabendsten Unternehmer des Landes. Auf der Liste der Reichen in Deutschland rangiert die Familie ungefähr auf Platz 50, im Südwesten nach Würth, Bosch und neuerdings Kärcher, aber noch vor Voith, Leibinger (Trumpf) und Stoll (Festo). Rund 2,5 Milliarden Euro beträgt das Vermögen, der Jahresumsatz über 3 Milliarden.

Die erste Stihl-Säge wog 50 Kilo

Begonnen hat alles ganz klein vor 90 Jahren. In der Seyfferstraße in Stuttgart gründete Hans Peters Vater, der gebürtige Schweizer Andreas Stihl, ein Ingenieurbüro und entwickelte bald eine elektrische Kettensäge. Die erste Benzinmotorsäge, hergestellt in einer Werkstatt in Bad Cannstatt, wog 50 Kilogramm und war nur im Zweimannbetrieb zu verwenden, kam aber bei der Kundschaft gut an. Nur mit Müh und Not brachte Stihl das Unternehmen durch die Weltwirtschaftskrise. Exportaufträge aus Russland brachten nicht viel ein. Besser lief es in den USA und Kanada.

1938 erwarb Stihl eine Fabrikanlage in Neustadt, das heute zu Waiblingen gehört. Als das Cannstatter Werk 1944 völlig zerstört wurde, zog das Unternehmen endgültig ins Remstal. 1939 hatte Stihl 250 Mitarbeiter, bei Kriegsende waren es 500, überwiegend Frauen und mindestens 100 Zwangsarbeiter.

Die Holzwirtschaft war wichtig, da das Reich von Erdölimporten abgeschnitten war. Der Treibstoff der Holzvergaser-Fahrzeuge wuchs sozusagen am Wegrand. Stihls Zweimann-Kraftsäge 43, kurz KS 43, leistete gute Dienste.

Nach Kriegsende musste Stihl im Lager Moosburg bei Fürstenfeldbruck drei Jahre lang Motorsägen reparieren. Er war 1933 in die NSDAP eingetreten und 1934 SS-Sturmführer in Höfingen geworden. "Im Spruchkammerverfahren bezeichnet ihn der Betriebsrat 1947 als 'fanatischer, aktiver Kämpfer für die nationalsozialistische Ideologie'", schreibt Ebbe Kögel, Mitglied des Bürgerprojekts AnStifter, in einem Leserbrief an die Waiblinger Kreiszeitung, den diese bisher nicht veröffentlichen wollte.

Doch Stihl hatte auch Fürsprecher. Sie erklärten, Zwangsarbeiter hätten bei ihm mehr zu essen bekommen als anderswo. Stihl erhielt seinen Persilschein: Als Mitläufer eingestuft, wurde er gegen eine Geldbuße von 500 Mark entlassen. Viel später, 1999, hat sich Hans Peter Stihl als DIHT-Präsident vehement für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter durch die Stiftungsinitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" der deutschen Wirtschaft eingesetzt. Direkte Ansprüche an sein eigenes Unternehmen lehnte er ab.

Hans Peter Stihl: Bin kein Freund der Gewerkschaften

In der Nachkriegszeit produzierte Stihl auch Traktoren, um sich über Wasser zu halten. Doch es war das Geschäft mit der Kettensäge, das um 1960 endgültig den Durchbruch brachte. Die getriebelose Einmannsäge "Contra", die nur 12 Kilogramm wog, war weltweit konkurrenzlos. Der 63-jährige Andreas Stihl drängte den 27-jährigen Sohn, ins Unternehmen einzusteigen, das er in eine Kommanditgesellschaft umwandelte, mit gleichen Anteilen für alle vier Kinder. Mit seiner Schwester Eva Mayr-Stihl musste sich Hans Peter Stihl das Büro teilen. Dabei ist es bis heute geblieben. Die Geschwister speisen in der Unternehmenskantine, stellen sich wie ihre Mitarbeiter an der Essensausgabe an.

Freischneider, Trennschleifer, Heckenscheren, Motorsensen: Die Produktpalette hat sich ständig erweitert, auch durch Übernahme des österreichischen Gartengeräteherstellers Viking. Im Vertrieb hat Stihl konsequent auf den Fachhandel gesetzt und sich nicht in die Fänge der Baumärkte begeben. So wurde Stihl 1971 Weltmarktführer. Seit 1973 gibt es wegen der dortigen Importzölle ein Werk in Brasilien, seit 1974 eines in den USA: um vom Wechselkurs unabhängig zu sein.

Nach den schwierigen Jahren der Weltwirtschaftskrise hat sich Stihl nie mehr von Geldgebern abhängig gemacht. Bei einer Eigenkapitalquote von heute satten 70 Prozent lässt sich gut frei schalten und walten. Als Arbeitgeberfunktionär hat Hans Peter Stihl, nach eigenen Angaben kein Freund der Gewerkschaften, Mitte der 1980er-Jahre mit der IG Metall hart um 35-Stunden-Woche und Mitbestimmung gerungen. Im eigenen Unternehmen führte er zur selben Zeit eine Gewinnbeteiligung ein. 

Auf Stihls Initiative gründete sich 1994 der Verein "Forum Region Stuttgart", um auf einen engeren Austausch der Landeshauptstadt mit den Nachbargemeinden hinzuwirken. Der Verband Region Stuttgart mit dem deutschlandweit einzigartigen, direkt gewählten Regionalparlament entstand im selben Jahr. Das Forum, das sich inzwischen wieder aufgelöst hat, vergab von 1999 bis 2014 den Hans Peter Stihl Preis, 2001 auch an Stihl selber.

Auch die Politik steht auf Stihl

Eva Mayr-Stihl wacht seit langer Zeit über die Finanzen. Zugleich leitet sie die nach ihr benannte Stiftung, die in Waiblingen und in der Region Wohltaten verteilt. Ihr ist es zu verdanken, dass Waiblingen seit 2008, sehr viel später als die meisten Nachbarkommunen Stuttgarts, eine Städtische Galerie besitzt. Jahrelang hatte sich der Gründungsdirektor Helmut Herbst vergeblich bemüht. Dann kippte die Stadt sein Konzept, vorwiegend plastische Werke auszustellen und bevorzugte stattdessen Arbeiten auf Papier, um laufende Kosten zu sparen. Herbst trat zurück, die Galerie bietet trotzdem ein anspruchsvolles Programm.

Obwohl Stihl 90 Prozent des Umsatzes im Exportgeschäft macht, investiert der Hersteller weiter in den Standort Waiblingen. Kein Wunder also, dass die Geschwister mit Auszeichnungen überhäuft werden. Und dass Politiker in Stadt und Land ihnen gern die Aufwartung machen: vom Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky über Winfried Kretschmann bis hinauf zu Angela Merkel - auch wenn die im März, kurz vor der Landtagswahl, <link http: www.kontextwochenzeitung.de politik black-panic-3476.html _blank external-link>dann doch nicht kam. 

Da ging es um die Einweihung eines neuen Entwicklungszentrums für Elektro- und Akkugeräte. 32 Millionen Euro hatte Stihl dafür investiert. Ungefähr fünf Prozent des Umsatzes steckt das Unternehmen in Forschung und Entwicklung: in den letzten zehn Jahren nach eigenen Angaben eine halbe Milliarde allein in umweltschonende Motortechnologien. Elektrische Antriebe kamen freilich eher spät, doch nun soll es vorwärts gehen. 

"Besondere ökologische Verantwortung"

"Als ein weltweit führender Hersteller von Motorsägen und Motorgeräten für die Forst- und Landwirtschaft, die Garten- und Landschaftspflege sowie die Bauwirtschaft trägt STIHL eine besondere ökologische Verantwortung": So sieht sich das Unternehmen selbst. "Ihr verdient daran, dass unser Wald zerstört wird", stand dagegen auf einem Transparent, mit dem der Malaysier Matek Geram zum selben Termin vor dem Werkstor in Waiblingen stand.

Geram protestierte gegen den Stihl-Vertriebspartner KTS, der in seiner Heimatregion Sarawak in Malaysia Wald rodet, um Palmölplantagen anzulegen. Er hätte gern eine Petition der Initiativen "Rettet den Regenwald" und Poema mit 105 000 Unterschriften übergeben, musste jedoch unverrichteter Dinge wieder abziehen. Mit ähnlichen Vorwürfen sah sich Hans Peter Stihl schon bei seinem Amtsantritt als DIHT-Präsident 1988 konfrontiert.

Doch der Patriarch gibt lieber selbst den Ton an. Wenn er etwas mitzuteilen hat, hat er kein Problem, dies in den Zeitungen unterzubringen. Kürzlich hat er noch einmal sein ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen, um vor der Erbschaftssteuerreform zu warnen. Dabei haben die Stihls ihre eigene Erbschaft längst steuersparend geregelt. Das Vermögen liegt in einer Holding, an der ausschließlich die direkten Nachfahren als Gesellschafter beteiligt sind: Hans Peter Stihl, seine drei Geschwister und die sieben Erben der nächsten Generation.

Aus dem Vorstand hat sich Stihl 2002 zurückgezogen. Vorsitzender ist seit 2003 der frühere Bosch-Manager Bertram Kandziora. Über den Beirat der Holding, seit 2012 unter dem Vorsitz seines Sohnes Nikolas, behält die Familie aber weiterhin alles unter Kontrolle.


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10 Kommentare verfügbar

  • Fritz
    am 19.10.2016
    Antworten
    "maxwaldo"... was für ein plumper Versuch! Höchst unterhaltsam!
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