Noch vor Kurzem wurde nur Beruhigendes in Sachen Weltwirtschaft gemeldet. Es werde 2016 aufwärts gehen. Die Arbeitslosenzahlen seien niedrig. Im Übrigen sei "der Grieche", wie er ist: ein Sonderfall. Dann plötzlich Schlagzeilen wie "Global markets in turmoil – Weltweite Märkte in Aufruhr" ("Financial Times"), "Angst vor dem nächsten Beben" ("Die Welt"), "Aktienmärkte in Aufruhr" ("Frankfurter Allgemeine Zeitung"). Und einer der weltweit größten Finanzinvestoren, George Soros, sprach Klartext: "Wenn ich auf die Finanzmärkte blicke, werde ich an die Krise von 2008 erinnert."
Gibt es all die Hektik nur, weil in der ersten Januarwoche die Börse in Schanghai zwei Mal geschlossen werden musste? Tatsächlich geht es um mehr. Die Furcht vor einer neuen weltweiten Krise ist vollauf berechtigt. Richtig ist, dass all diejenigen, die noch vor zwei Wochen die Weltwirtschaft in rosiges Licht getaucht sahen, das machen, was seit 250 Jahren im Kapitalismus gang und gäbe ist: Man verlängert den Trend der letzten zwölf Monate in die Zukunft, während man gleichzeitig die bedrohlichen Zeichen an der Wand souverän ignoriert.
Wie sagte doch Kurt Tucholsky ganz nüchtern: "Was die Weltwirtschaft angeht, so wissen wir, dass sie verflochten ist." Will sagen: Die Anarchie kapitalistischer Produktion macht exakte Vorhersagen unmöglich. Dennoch gibt es seit mehreren Monaten drei solcher bedrohlicher Zeichen an der Wand, die vor einer neuen großen Krise warnen: wacklige Säulenheilige der Weltökonomie, eine kriselnde Eurozone und der bedrohliche Ölpreisverfall.
Wacklige Säulenheilige
Vier von fünf Stützpfeilern der Weltökonomie sind spätestens seit Herbst 2015 brüchig. Nur die US-Wirtschaft, durchaus noch der Säulenheilige Nr. eins, weist für 2015 ein substanzielles Wachstum aus (2,6 Prozent). Die japanische Ökonomie, Säule Nr. zwei, ist seit eineinhalb Jahrzehnten morsch, da im Bereich der Stagnation befindlich. Nach der Krise 2008/2009 gab es nur 2010 und 2012 zwei Jahre mit Wirtschaftswachstum. Seit 2014 herrscht jedoch erneut Stagnation. Gleichzeitig haben seit 1999 zwei Dutzend Konjunkturprogramme dazu geführt, dass die öffentlichen Schulden Japans – gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – deutlich höher sind als die griechischen (Griechenland: 170, Japan: 250 Prozent). Die Frage, wie lange das noch gut geht, ist vollauf berechtigt.
Stützpfeiler Nr. drei sind die Schwellenländer. Diese waren mehr als 15 Jahre lang für das Wachstum der Weltwirtschaft wichtig. Doch seit 2014 lahmen sie: Russland, Südafrika und Brasilien gerieten bereits 2015 in eine tiefe Rezession. China war als Säulenheiliger Nr. vier gut zwei Jahrzehnte lang eine verlässliche Stütze. Doch seit zwei Jahren gibt es ein deutlich rückläufiges Wachstum.
Kein Wunder! Schließlich war auch das westdeutsche "Wirtschaftswunder" irgendwann (1967) zu Ende. Ebenso wie der "japanische Boom" irgendwann verpuffte (1998). Auch gab es im Sommer 2015, beginnend am 12. Juni, in Schanghai ein regelrechtes Börsenbeben. Dieses konnte nur gestoppt werden, indem die chinesische Regierung mit massiven Interventionen in den Markt eingriff und unter anderem ihren Großinvestoren für ein halbes Jahr untersagte, Aktien abzustoßen. Dieses Verbot sollte am vergangenen Freitag auslaufen. Uups! Kein Wunder eigentlich, dass es in der letzten Woche in einer Art "Vorwegnahme" dieses Datums zum zweimaligen Schanghai-Crash kam. Am Montag sind die chinesischen Börsen dann zum dritten Mal abgestürzt.
Eurozonen-Blues
Der fünfte Säulenheilige ist Kerneuropa, die Eurozone. Wenn man sich in Europa überrascht zeigt vom Umschlag des Konjunkturwetters, dann verbirgt sich dahinter die Arroganz des Eurozonen-Zuchtmeisters Deutschland. Denn eigentlich gibt es seit der Krise 2008/2009 nur in Deutschland ein zumindest bescheidenes Wachstum. (Wir sehen dabei von den Booms in Malta und der Slowakei ab, die für das Gesamtbild nicht entscheidend sind.) Wobei man ja bescheiden wurde: Das reale BIP-Wachstum Deutschlands lag 2013 bei 0,1, 2014 bei 1,5 und 2015 bei 1,7 Prozent.
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Ernst-Friedrich Harmsen
am 13.01.2016