KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Kunst auf vier Rädern

Kunst auf vier Rädern
|

Datum:

Das gab es noch nie: Eine Kunstausstellung präsentiert den Prototypen eines neuartigen Automobils. Angetrieben wird es durch eine Batterie, die Lithium-Ionen-Akkus alt aussehen lässt. Bernd Kröplin, der Entwickler, hat noch mehr zu bieten.

Dem TAO Space Car ist anzusehen, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Auto handelt: Auf schmalen Speichenrädern steht es im Kunstverein Neuhausen in der früheren Jesuitenkapelle am Rande der Fildergemeinde. Die Karosserie aus Kohlefasermatten sieht handgebastelt aus und beschränkt sich aufs Nötigste. Das Gefährt ist offenbar leicht und doch fahrtauglich. Seine Jungfernfahrt hat es noch vor sich, denn das Wichtigste fehlt noch: Der Akku, der das Fahrzeug mit Energie versorgen soll, lagert noch in den Regalen der TAO Group in Stuttgart.

Die TAO Group, bestehend aus den Firmen TAO Trans Atmospheric Operations GmbH in Stuttgart und der TAO Technologies GmbH in Berlin, ist eine Firma, die mit einem Bein schon weit in der Zukunft steht. "Wir erarbeiten innovative und gute Projekte für ein besseres Leben und eine freundlichere und gesündere Umwelt", steht auf der Homepage. Gegründet wurde das Unternehmen 1999 von Prof. Dr. Bernd-Helmut Kröplin, von 1988 bis 2010 an der Stuttgarter Universität Professor für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen. Ein Mann irgendwo zwischen verrückten Ideen und grandioser Vision.

Seine neuste Idee: eine neuartige Zink-Luft-Batterie. Dafür hat er das TAO Space Car gebaut. Diese Batterie ist wesentlich leistungsfähiger als die Lithium-Ionen-Akkus, die derzeit in Elektro- und Hybridfahrzeugen zum Einsatz kommen, anders als diese nicht brennbar, ungiftig und im Prinzip mit geringen Verlusten nahezu endlos recycelbar. Lithium, das leichteste aller Metalle, ist zwar theoretisch in ausreichendem Maß vorhanden, allerdings in sehr niedrigen Konzentrationen von nicht mehr als 0,1 Prozent etwa in der Atacama-Wüste in Chile. Um es auf 99,5 Prozent zu verdichten, ist viel Energie nötig. Eine jüngst an der unabhängigen Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München angefertigte Arbeit kommt zu dem Ergebnis: "Die Analyse der Umweltauswirkungen der Elektromobilität zeigt anhand ausgewählter Beispiele des Lebenszyklus von Lithium-Ionen-Batterien, dass die Umweltverträglichkeit der Elektromobilität kritisch zu bewerten ist." Zink dagegen ist ohne Probleme in großen Mengen verfügbar: Die weltweite Jahresproduktion beträgt mehr als zehn Millionen Tonnen.

Zink-Luft-Batterien kommen derzeit wegen ihrer hohen Energiedichte und gleichmäßigen Entladung vor allem als Knopfzellen in Hörgeräten zur Anwendung. Diese sind allerdings nicht wieder aufladbar. Das feste Zink reagiert mit dem Luftsauerstoff. Wenn es oxidiert ist, müsste es ausgetauscht werden, denn beim Aufladen in einem wässrigen, alkalischen Elektrolyten bilden sich spitze Kristalle, die zu Kurzschlüssen führen und so das System lahmlegen.

Interdisziplinäres Team findet kreative Lösung

Dafür hat Bernd Kröplin eine Lösung gefunden: Statt festem Zink verwendet er eine Suspension, also in Flüssigkeit fein verteilte Zinkpartikel, die immer in Bewegung bleiben und sich daher nicht absetzen. Ist die Ladung der Batterie verbraucht, wird die Flüssigkeit einfach ausgetauscht, das dauert nicht länger als fünf Minuten. Die verbrauchte Suspension kann in aller Ruhe an der Tankstelle neu aufgeladen werden.

Darauf, so der Forscher, wäre ein Chemiker allein wohl ebenso wenig gekommen wie ein Strömungstechniker. In seinem interdisziplinären Team bei TAO arbeiten Architekten, Chemiker, Physiker, Philosophen sowie Luft- und Raumfahrttechniker zusammen. Er selbst ist eigentlich Bauingenieur, hat zuvor eine Maurerlehre gemacht. Sechs Jahre lang war er Professor in Dortmund, als er den Ruf an die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik nach Stuttgart erhielt. Seine erste Reaktion: "Sie haben sich wohl verwählt." Doch die Raumfahrttechniker hatten sich nicht verwählt. Sie wollten sein Fachwissen in der Berechnung ultraleichter Konstruktionen.

Seit der Zeppelin Hindenburg, damals noch mit Wasserstoff gefüllt, 1937 in Lakehurst, New Jersey, in Flammen aufgegangen war, war die Luftschiffentwicklung auf der Stelle getreten. Kröplin hob sie wieder aus der Taufe: Mit dem weltweit ersten solargetriebenen Luftschiff, das er mit seinen Studenten entwickelt hatte, sorgte Kröplin 1993 auf der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) in Stuttgart für Aufsehen. Für das 16 Meter lange und 98 Kilogramm leichte Luftschiff, Lotte genannt, mussten in Zusammenarbeit mit dem Luftfahrtbundesamt eigene Zulassungsrichtlinien geschrieben werden. Im November 2014 wurde Lotte nach zahlreichen Einsätzen vorwiegend als Messstation für Umwelt- und Wetterdaten dem Zeppelin-Museum in Friedrichshafen übergeben.

Einmal durch Lotte auf den Geschmack gekommen, bemerkte Kröplin die Potenziale auf dem Gebiet des Schwerlasttransports und in der Höhenluftfahrt. In der Stratosphäre, 20 Kilometer über der Erde, können sich weder Flugzeuge noch Raumschiffe bewegen. Für die einen ist die Luft dort oben zu dünn, für die anderen zu dick. Aber Luftschiffe, die müssen nur leicht genug sein. 30 Gramm pro Quadratmeter wiegt das von Kröplin entwickelte Höhenluftschiff, bei einem konventionellen Zeppelin sind es 1,2 kg/m².

Kröplins Sky Dragon besteht aus mehreren Gliedern. Wie eine Raupe schlängelt sich das bis zu 100 Meter lange Ungetüm durch die dünne Höhenluft, angetrieben von einem langsam laufenden Höhenpropeller. Das Gewicht liegt am Bug. Kröplin sieht mehrere Anwendungen: Als Telekommunikations-Plattform könne das Luftschiff eine ganze Großstadt bedienen und Hunderte stationärer Mobilfunkantennen auf der Erde ersetzen. Es gebe keine Funklöcher und auch bei geringeren Feldstärken eine höhere Sendeeffizienz. Damit das unbemannte Gerät im Fall einer Havarie niemandem auf den Kopf fällt, hat der Forscher einen Gleitschirm entwickelt, der seine Last, sei es das Luftschiff selbst oder – eine andere Anwendung – Hilfsgüter in Katastrophengebieten, punktgenau ans Ziel bringen soll.

Energiewirtschaft ohne Stoffverbrauch

TAO, der Name von Kröplins Firma klingt chinesisch. Und das ist kein Zufall. Kröplin ging bereits 1983 in China wandern. Vor Kurzem erst ist er wieder von einer Geschäftsreise ins Reich der Mitte zurückgekehrt, und das kalligrafische Firmenemblem hat er selbst gezeichnet. Mit den chinesischen Partnern versteht er sich gut. Der emeritierte Professor kann gut nachvollziehen, dass hiesige Unternehmen den hohen Entwicklungsaufwand für die Lithium-Ionen-Akkus nicht einfach in den Wind schreiben wollen. China dagegen befindet sich noch immer im Aufbruch, sagt er. Und es könne gut sein, dass seine Zink-Luft-Batterie, die zu dem Auto in der Neuhausener Kunstausstellung gehört, eines Tages von dort aus als günstige und umweltfreundliche Alternative auf dem europäischen Markt auftaucht.

Die bis auf minimale Verluste endlose Recycelbarkeit der Zinksuspension macht die Batterie à la Kröplin zu einem ausgesprochen ökologischen Produkt. Das bedeutet freilich auch, dass sich damit wohl weniger Geld verdienen lässt als mit fossilen Brennstoffen oder Lithium-Ionen-Akkus. "Energiewirtschaft ohne Stoffverbrauch" nennt der emeritierte Professor das Grundprinzip, das sich hinter der endlosen Wiederverwertung verbirgt: eine, wie er sagt, "weltfreundliche" Technologie.

Die Zinklösung ließe sich für alles Mögliche verwenden, meint der Professor. Statt über Stromtrassen ließe sich die Energie, die in Offshore-Windparks erzeugt wird, auch per Schiff an Land bringen. Energiereiches Zink ließe sich auf kleine Speicher in einzelnen Haushalten verteilen, nicht mehr als drei Liter pro Kopf wären als Speicherkapazität nötig, um die Spannungsschwankungen auszugleichen, die aus der ungleichmäßigen Energieproduktion von Solar- und Windkraftanlagen resultieren.

Ebenso ließen sich Wohn- und Bürobauten ohne Stoffverbrauch den ganzen Winter über warm halten. Am "Eisbärbau", einem etwa acht mal acht Meter großen zeltartigen Pavillon, entwickelt mit dem Textilspezialisten ITV aus Denkendorf, hat die TAO Group das Prinzip vorgeführt: Sonneneinstrahlung erwärmt die Luft in der zweischaligen Zeltwand. Der Speicher besteht aus Zeolith: kleine Silikatkügelchen, wie sie in Verpackungen von Schuhen oder Fotoapparaten liegen, um dem Produkt Feuchtigkeit zu entziehen. Zeolithe können sehr viel Wasser aufnehmen und erzeugen dabei Wärme. Ein Kellerraum voller Silikatkügelchen würde ausreichen, um ein Einfamilienhaus den ganzen Winter über zu beheizen. Wenn es draußen warm ist, kehrt sich der Vorgang um: Das Zeolith wird wieder getrocknet und speichert dabei Energie. Das einzige Problem: Die Investition amortisiert sich erst nach langer Zeit. Eine normale Heizungsanlage ist schneller abgeschrieben.

Einmal hat Kröplin Schiffbruch erlitten: Am Projekt Cargolifter, 1996 ins Leben gerufen, um das weltgrößte Frachtluftschiff zu bauen, war er beratend, als Aufsichtsrat und zuletzt als Vorstand beteiligt. Nach sechs Jahren musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Frachtluftschiffe werden heute in China, Russland und den USA entwickelt. Von Cargolifter geblieben ist der Hangar: Die 360 Meter lange und 210 Meter breite Halle in Brandenburg gilt als größte freitragende Konstruktion der Welt und beherbergt seit 2004 den Freizeitpark Tropical Islands.

 

Info:

Die Ausstellung im Kunstverein Neuhausen findet noch bis Sonntag, den 29. November 2015 statt. Öffnungszeiten sind Samstag und Sonntag, von 14 bis 18 Uhr, sowie nach Absprache unter 01 72 / 5 45 13 45 oder <link external-link-new-window>kv.neuhausen@gmail.com.

Diesen Sonntag findet um 16 Uhr die Finissage statt, die beteiligten ErfinderInnen werden anwesend sein.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


3 Kommentare verfügbar

  • Blender
    am 25.11.2015
    Antworten
    Das Batterie-Konzept wird wahrscheinlich von Apple aufgekauft sobald sie Wind davon kriegen und danach verschwindet es dann in tiefen Schubladen. Normalerweise lassen die solche innovativen Unternehmen Pleite gehen.…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!