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Windige Deals

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Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) zieht es in die Steueroase Luxemburg: Im Großherzogtum siedelte sie die Eigentümergesellschaft des Windparks Baltic 2 in der Ostsee an. Mit im Boot ist ein australischer Investor von zweifelhaftem Ruf.

Werbung verspricht meist zu viel. Doch diesmal nimmt die Energie Baden-Württemberg (EnBW) den Mund nicht zu voll: "Kraftpaket" nennt der drittgrößte deutsche Energieversorger stolz in Anzeigen seinen Windpark Baltic 2. Tatsächlich beeindruckt das Windstromprojekt des Karlsruher Konzerns auf hoher Ostsee: Rund 32 Kilometer nördlich von Rügen erheben sich 80 riesige Rotoren aus dem Meer. Jährlich sollen die Anlagen rund 1,2 Milliarden Kilowattstunden Strom für 340 000 Haushalte erzeugen und so 900 000 Tonnen Kohlendioxid einsparen. Damit ist Baltic 2 der derzeit größte Windpark in der deutschen Ostsee.

Nach knapp zweijähriger Bauzeit und monatelangen Testläufen wurden die Windmühlen am 21. September im Beisein des Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, und zahlreichen Gästen aus Wirtschaft und Politik offiziell in Betrieb genommen. "Wir wollen die erneuerbaren Energien zu einer tragenden Säule unseres Geschäfts ausbauen", betonte der EnBW-Vorstandsvorsitzende Frank Mastiaux während der Feier in Stralsund.

Was der EnBW-Chef damals nicht sagte: Die Eigentümergesellschaft des Windparks residiert nicht vor Ort im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern. Vielmehr liegt der Sitz der "EnBW Baltic 2 SCS" rund 800 Kilometer Luftlinie von der Ostsee entfernt: im Großherzogtum Luxemburg. Genauer gesagt, in der Rue Robert 7 A, einem Bürokomplex im Gewerbegebiet Chloche d'Or, eine Autoviertelstunde südlich des historischen Zentrums der Stadt.

Sprudeln die Gewinne von Baltic 2 womöglich in einer Steueroase, während sich die Windräder in deutschen Gewässern drehen? Schreibt die EnBW die milliardenschweren Baukosten etwa steuermindernd in Deutschland ab, während sie auf gewinnbringende Stromerlöse kaum Steuern im Großherzogtum zahlt? Fragen, die nicht unberechtigt sind. Denn erst im vergangenen Jahr offenbarten die sogenannten Luxemburg-Leaks, wie große Konzerne trickreich in Luxemburg Steuervermeidung betrieben.

Bei den Leaks handelt es sich um 28 000 vertrauliche Finanzdokumente, die der Presse zugespielt und monatelang ausgewertet wurden. Die Dokumente zeigen, wie Ikea, Amazon oder Eon mithilfe des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) und unter Wohlwollen des luxemburgischen Finanzbehörden ihre Steuerlast extrem kleinrechneten – nicht selten auf weniger als ein Prozent. Zufall oder nicht: Die EnBW-Baltic-2-Gesellschaft residiert in Luxemburg in direkter Nachbarschaft zum Steuerdienstleister PwC.

Baltic 1 in Stuttgart, Baltic 2 in Luxemburg – warum?

Der Luxemburg-Ableger der EnBW ist außergewöhnlich. Den wesentlich kleineren Windpark Baltic 1, dessen 21 Anlagen seit Mai 2011 rund 16 Kilometer vor der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst Strom erzeugen, verwaltet der Konzern nicht im Steuerparadies. Die Eigentümergesellschaft befindet sich am Stuttgarter Sitz in der Schelmenwasenstraße 15, im Gewerbegebiet Fasanenhof. Auf Kontext-Anfrage bestreitet die EnBW, nach Luxemburg ausgewandert zu sein, um Steuern zu sparen. "Sämtliche operativen Erträge von EnBW Baltic 2 werden vollständig in Deutschland besteuert", betont das Unternehmen. Der Windpark sei eine eigenständige steuerliche Betriebsstätte, die in Deutschland voll steuerpflichtig ist. Und: "Die Zwischenschaltung der luxemburgischen Gesellschaft resultiert aus dem Umstand, dass sich an EnBW Baltic 2 ein ausländischer Fonds finanziell beteiligt und diese Struktur im Hinblick auf den Gesellschaftsvertrag größere Flexibilität bietet", unterstreicht der Konzern.

Tatsächlich gehört der EnBW nur noch jede zweite Windanlage im neuen Ostseewindpark. Wie beim Windpark Baltic 1, an dem sich 19 Stadtwerke aus Baden-Württemberg beteiligten, holte sich der Versorger auch beim Nachfolgeprojekt Mitfinanziers ins Boot. Diesmal stieg jedoch eine "Heuschrecke" ein: Am 7. Januar veräußerte die EnBW für 720 Millionen Euro 49,89 Prozent der Baltic-2-Anteile an den australischen Finanzinvestor Macquarie Capital. "Die EnBW nutzt das Instrument der Beteiligungsmodelle, um durch zusätzliche finanzielle Spielräume die Entwicklung von weiteren Wachstumsprojekten voranzutreiben", begründete Finanzvorstand Thomas Kusterer damals den Einstieg.

Was beim Deal im Dunkeln blieb: Die Macquarie Group, Muttergesellschaft von Macquarie Capital, gehört zu den 343 Unternehmen, die in den Luxemburg-Leaks als Steuervermeider namentlich aufgeführt sind. Dass der Anteilskauf nicht nur gesellschaftsrechtliche Fragen aufwirft, zeigt sich auch am juristischen Beraterteam, das für Macquarie Capital die Übernahme begleitete. Die internationale Kanzlei Ashurst entsandte knapp zwei Dutzend Anwälte, darunter mehrere mit dem Schwerpunkt Steuern und luxemburgisches Recht.

"Unsere Steuerrechtspartner sind ausgewiesene Experten und erfahrene Praktiker auf ihrem Gebiet", preist Ashurst im Internet die Qualifikation auf diesem Gebiet. Zudem assistiere die Kanzlei Unternehmen regelmäßig bei grenzüberschreitenden Transaktionen sowie bei der Gründung internationaler Joint Ventures. Ebenso berate man "zur Verwendung unterschiedlicher Investmentvehikel und Finanzstrukturen, einschließlich von Hybridstrukturen, um auf diese Weise die Steuerbelastung unserer Mandanten zu minimieren", unterstreicht Ashurst seine Expertise bei der sogenannten Cross-Border-Steuerplanung.

Auch in der Rechtsform unterscheiden sich die Eigentümergesellschaften der beiden Baltic-Windparks. Während es bei Baltic 1 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist, wurde für Baltic 2 im Februar 2015 unter der Nummer B 196.588 eine Société en Commandite Simple (einfache Kommanditgesellschaft) im luxemburgischen Handelsregister mit drei Geschäftsführern eingetragen. Eine SCS ist nach luxemburgischen Recht von der Körperschaftssteuer befreit, zudem fällt keine Gewerbesteuer an. Dafür unterliegen die Kommanditisten der – im Vergleich zu Deutschland geringeren – örtlichen Einkommenssteuer.

Schmid (SPD) und Krebs (Grüne) lehnen Stellungnahmen ab

"Welche Vorteile diese Gesellschaftsstruktur dem einzelnen Anteilseigner bietet, ist schwer zu sagen", bedeutet Markus Henn vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Aufklären könnten die Finanzbehörden in beiden Ländern, doch spezifische Auskünfte verweigern sie grundsätzlich mit Hinweis auf das Steuergeheimnis. Zudem läuft noch das erste Geschäftsjahr der Baltic-2-Gesellschaft, sodass es auch noch keine Steuererklärungen geschweige Steuerbescheide gibt, die in die Öffentlichkeit gelangen könnten. Etwas schlauer könnten die Geschäftsberichte der Anteilseigner machen, die aber erst im kommenden Jahr vorliegen.

Bekannt ist jedoch, dass Macquarie bereits Kasse mit Baltic 2 gemacht hat. Wenige Tage nachdem mit der Inbetriebnahme des Windparks im September knapp die Hälfte der Anteile offiziell an die Australier überging, hat sich der Finanzinvestor von einem Teil seines Investments wieder getrennt. Käufer ist die Ärztliche Beteiligungsgesellschaft (AEBG) S. A., eine ebenfalls in Luxemburg ansässige Investmentgesellschaft. Nach Kontext-Informationen hat Macquarie zwischenzeitlich weitere Anteile an den zweitgrößten holländischen Pensionsfonds PGGM veräußert. Zu welchen Konditionen, ist jeweils unbekannt.

Die Deals in Luxemburg dürften wohl auch die Politik in Baden-Württemberg interessieren. Bekanntlich besitzt das Land zusammen mit einigen oberschwäbischen Landkreisen die Aktienmehrheit an dem Karlsruher Energiekonzern. Auf Nachfrage geben sich Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) und Staatsministerin Silke Krebs (Grüne), die im EnBW-Aufsichtsrat das Land vertreten, zugeknöpft. "Die Arbeit des Aufsichtsrats ist vertraulich", lehnten sie in gleichlautenden Mails Stellungnahmen zur Luxemburger Kommanditgesellschaft des Konzerns ab.


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5 Kommentare verfügbar

  • Rolf Schmid
    am 25.11.2015
    Antworten
    Hallo Heinz Greiner,
    Sie sprechen mir mit Ihrem Kommentar "aus der Seele"! Dieser Nils (leider ein Namensvetter, aber ansonsten himmelweit auseinander!)) passt" allerdings bestens in die SPD von heute; die Dickfelligkeit des Bundesvorsitzenden hat er bereits, fehlt bloss noch dessen Übergewicht!
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