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Piëch hat den VW-Plan

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Der Gewinner des Machtkampfs an der VW-Spitze sei Martin Winterkorn, der Verlierer Ferdinand Piëch. So lautet die einhellige Meinung, auch bei Porsche in Zuffenhausen. Weit gefehlt, kommentiert unser Autor. Wenn einer einen Plan habe, dann der bockelharte Patriarch.

Die Jasager und Alles-ist-bestens-Schulterklopfer bei Volkswagen sind noch einmal davongekommen: Martin Winterkorn bekommt eine Gnadenfrist und darf noch ein bisschen länger Chef in Europas größtem Industrieimperium spielen. Sein Vertrag wird zwar verlängert, aber das bedeutet nichts. Denn schon in früheren Fällen lief am Ende der Rausschmiss nach ähnlichem Muster ab: Ex-Porsche-Chef Arno Bohn und sein Nachfolger Wendelin Wiedeking ebenso wie Ex-VW-Chef Bernd Pischetsrieder wurden zuerst vom Patriarchen Piëch offen angezählt, dann von einer total überraschten Anti-Piëch-Fraktion gestreichelt und mit einer Vertragsverlängerung getröstet und schließlich doch noch geschasst. Letzteres brachte den Managern immerhin eine riesige Abfindung ein – auf Kosten der Aktionäre.

Piëch hat einen langen Atem. Was "Fugen-Ferdl" durchsetzen will, das erreicht er – irgendwann. So läuft das Spiel – jedenfalls bis jetzt. Doch in dieser Runde geht es für den Clanchef der Porsche-Piëch um mehr als nur um das Auswechseln einiger Manager, seiner Angestellten. Ihn treibt die wesentlich schwerwiegendere Frage um: Wer wird mein Nachfolger, wenn ich 2017 mit fast 80 Jahren aus dem Amt als Vorsitzender im Aufsichtsrat des VW-Konzerns ausscheide? Und noch mehr: Wer beerbt mich als Oberboss innerhalb der eigenen Doppelfamilie Porsche-Piëch? Denn die mächtigste Industriedynastie der Gegenwart besitzt die Mehrheit der Stimmen im Volkswagen-Konzern. Und die Machtzentrale dieses weltweiten Imperiums residiert bescheiden mit rund 40 Beschäftigten in Stuttgart-Zuffenhausen.

Wirtschaftspolitik in Familienhand

Es ist die mit Milliarden Euro gepolsterte Porsche-Holding SE. Sie ist die wahre Nachfolgefirma des 1930 in Stuttgart gegründeten Konstruktionsbüros. Und in dieser heute stillen Urfirma haben die Familien Porsche und Piëch unverändert allein das Sagen. Sie bestimmen das Führungspersonal. Was hier entschieden wird, beeinflusst direkt das Wohl und Wehe der gesamten Konzernbelegschaft sowie der Menschen einschließlich der Zulieferfirmen drum herum von Stuttgart bis Wolfsburg und weit darüber hinaus. Das ist Wirtschaftspolitik, privatisiert in Familienhand.

Derzeit bestimmt vor allem die dritte Erbengeneration der Porsche-Piëchs, wo es bei der gemeinsamen Holding in Stuttgart langgeht. Doch die heute führenden Onkel und Vetter sind inzwischen in einem reifen Rentneralter. Deren oberster Kopf ist seit Jahrzehnten der besagte Mann mit dem Benzin im Blut, Ferdinand Piëch. Er tüftelt bereits am "Plan A", dem Generationswechsel, während die anderen – Familie, Management Betriebsräte – noch nicht einmal "B" sagen können. Alles läuft stets nach demselben Muster ab: Der autoritäre Patriarch wirft wie aus heiterem Himmel öffentlichkeitswirksam den erst Stein – meist auf einen Topmanager –, bekommt zunächst Gegenwind, zieht kurz zurück (wie jetzt im Falle Winterkorn) und greift dann wieder an. Denn seine Gegner haben in Wirklichkeit keine plausible Alternative zu seinen Strategien. Unter ihnen ist kein profilierter Stratege erkennbar, der sich wie er so blendend in der Automobilbranche und besonders in diesem gewaltigen Gebilde Porsche-Volkswagen auskennt und das Automobil lebt – auch Wolfgang Porsche nicht, der die Porsche-Seite repräsentiert.

Nun, wo es ans Eingemachte geht, die Inthronisierung einer neuen Generation, da wird sich der willensstarke Ferdinand Piëch kaum auf die Rolle eines Zuschauers und Jasagers zurückziehen wollen. Er muss gestalten, selbst wenn er dabei alle anderen vor den Kopf stößt. Und das gilt ganz besonders jetzt, wo es ab 2017 um seine Nachfolge im obersten Kontrollorgan des VW-Konzerns geht, dem Aufsichtsratsvorsitz. Diese Schüsselposition kann nur eine Person einnehmen, die das uneingeschränkte Vertrauen der Familien Porsche und Piëch genießt. Am besten sollte sie noch österreichisch-deutschen Stallgeruch besitzen, also möglichst direkt aus der Familie stammen.

Zirkusnummer Aufsichtsrat

Gerüchte besagen, dass Piëch am liebsten seine Frau Ursula in diese Machtstellung hineinhieven möchte. Dass jedoch seine Gemahlin – eine gelernte Kindererzieherin – für diese Position satisfaktionsfähig ist, das scheint recht unwahrscheinlich zu sein. Zumal der nächste Regent des Doppelclans künftig 80 bis 100 Nachkommen aus der vierten und fünften Generation zähmen muss anstatt wie bisher etwa ein Dutzend Erben. Eine echte Zirkusnummer.

Für die nächste Zeit steht bei VW-Porsche und der Industrielandschaft also viel mehr auf dem Spiel als nur das Pokern um einige Führungskräfte: Es geht nun schlicht um die nahe Zukunft des mächtigsten deutschen Wirtschaftsimperiums mit Familienanschluss. Gelingt nämlich der friedliche Übergang zur jungen Erbengeneration nicht und wenden sich einzelne Nachkommen von dem Konzern ab, dann ist der Weg frei für kapitalstarke Investoren, etwa aus China, Indien oder Japan. Manche lauern bereits mit Argusaugen, darunter auch hungrige Hedgefonds, die sogenannten Heuschrecken.

 

Der Wirtschaftsjournalist Ulrich Viehöver ist ein Kenner der Automobilindustrie. Zuletzt hat er Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in einem Buch verewigt.


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2 Kommentare verfügbar

  • mueller
    am 26.04.2015
    Antworten
    Und wie bei den Weltuntergangsgeschichten zu S21 liegt auch hier mal wieder der Kontextautor voll daneben.
    Die Realität hat dieses mal schon vor der nächsten Ausgabe den Artikel ins Märchenland verschoben. Piëch ist samt Gattin aus dem AR zurückgetreten.
    Bei S21 dauert es halt ein wenig länger bis…
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