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Wenn der Vater mit dem Sohne

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Stuttgart 21 beschert Tunnelbauern gute Geschäfte. Aber auch PR-Agenturen wie das Ludwigsburger Büro "Lose Bande" profitieren. Mit diesem verbandelt ist Matthias Dietrich. Der Sohn des S-21-Projektsprechers Wolfgang Dietrich verdiente an dem Bahnprojekt.

Matthias Dietrich (34) hat es bereits in jungen Jahren zu gewissem TV-Ruhm gebracht. Mitte des vergangenen Jahrzehnts verkörperte er in der Sat-1-Telenovela "Verliebt in Berlin" einen Mädchenschwarm. Nachdem die "Kultserie" wegen mieser Quoten im Herbst 2007 abgesetzt wurde, kehrte Dietrich etwas gealtert in anderen Reihen auf den Bildschirm zurück.

2012 hatte er einen Auftritt in der ZDF-Serie "SOKO Stuttgart". Zuletzt war er in der SWR-Mundartserie "Laible & Frisch" zu sehen, wo er den Bäckersohn Florian Laible spielte, der sich in die Tochter des konkurrierenden Discountbäckers verliebt. Bis zu 900 000 Zuschauer verfolgten die Heimatstücke, die der SWR ab Mitte Dezember am frühen Nachmittag wiederholt.

Tunnelbauer der Bahn als Kunden 

Heute steht Dietrich nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera. Neben der Schauspielerei ist die Filmproduktion sein zweites berufliches Standbein: "Filme machen, die atmen", wie er unter www.dietrichfilm.de wirbt. Arbeitsproben und Referenzliste zeigen, dass es Werbe- und Imagefilme für namhafte Kunden aus dem In- und Ausland sind. Neben der Dualen Hochschule Baden-Württemberg oder den Tuttlinger Medizingerätehersteller Aesculap drehte Dietrich auch für die Bauriesen Max Bögl (Neumarkt in der Oberpfalz) und Porr (Wien).

Das lässt aufmerken. Denn beide Baukonzerne zählen zu den großen Auftragnehmern beim Bahnprojekt Stuttgart 21 und der Neubaustrecke (NBS) zwischen Wendlingen und Ulm. Die zentrale Informationseinheit für diese Projekte ist das Stuttgarter Kommunikationsbüro, angesiedelt unter dem Dach des Vereins Bahnprojekt Stuttgart–Ulm e. V. An der Spitze beider Institutionen steht: Wolfgang Dietrich, Vater des Filmemachers Matthias Dietrich. Seit September 2010 ist Dietrich senior Projektsprecher, seit Mai 2011 auch Vorsitzender des Vereins. Vor Kurzem kündigte Dietrich an, beide Ämter Ende 2014 aufgeben zu wollen.

Werbeetat wie Staatsgeheimnis gehütet 

In diesen Funktionen kontrolliert Dietrich auch den Etat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kommunikationsbüros, dessen aktuelle Höhe wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird. Vor der Volksabstimmung im Herbst 2011 butterte allein die Deutsche Bahn jährlich mindestens 1,6 Millionen Euro in Aufkleber und Buttons, um die Bevölkerung für das Milliardenprojekt zu gewinnen. Inzwischen spielen derartige "Giveaways" kaum noch eine Rolle. In der Kommunikationsstrategie hat sich das Internetportal www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de zur zentralen Infoplattform entwickelt.

Videoabspann verrät nichts über Produzenten

Werbefilmen kommt auf dem Portal eine herausragende Rolle zu. Derzeit finden sich in der Online-Mediathek 140 Videos, die über Vorteile des Stuttgarter Tiefbahnhofs und Fortschritte beim Durchlöchern der Schwäbischen Alb aufklären. Wer die PR-Filmchen produziert hat, erfährt der Zuschauer nicht. Im Abspann sind nur die Projektpartner der Deutschen Bahn, etwa das Land und der Verband Region Stuttgart, erwähnt. Dient die Heimlichtuerei dazu, geschäftliche Beziehungen zwischen dem Verein des Bahnprojekts und dem Sohn des Projektsprechers zu verschleiern?

Ein Indiz für das Engagement des jungen Dietrich findet sich in einem Printprodukt des Kommunikationsbüros, dem Projektmagazin "Bezug". Anders als die Videoclips gibt es bei der vierteljährlich erscheinenden Publikation keine Geheimhaltung, was ihre Macher betrifft. Im Impressum lässt sich erfahren, dass Lose Bande die Realisierung verantwortet, eine Ludwigsburger Bürogemeinschaft. Zu den "fünf handverlesenen Kreativen" der Losen Bande (Slogan: "Denn sie wissen, was sie tun") gehört seit Anfang des Jahres auch: Matthias Dietrich.

Er "ist unser Spezialist für das bewegte Bild", heißt es auf der Internetseite der Kreativen. Bis auf Dietrich geben sie an, für das Kommunikationsbüro der Deutschen Bahn zu arbeiten. "Unter Federführung des Journalisten Michael Ohnewald wird das Magazin ('Bezug', Anmerkung der Redaktion) von der Losen Band produziert und ich steuere seit der ersten Ausgabe die Fotos bei", schreibt der Ludwigsburger Fotograf Reiner Pfisterer auf seiner Homepage. Auch auf seiner Homepage.

Auch Ohnewald führt das PR-Blatt als Referenz. 2011 verließ der mehrfach preisgekrönte Journalist die "Stuttgarter Zeitung" und machte sich selbstständig. Etwa zur gleichen Zeit lief der PR-Vertrag der Deutschen Bahn über Stuttgart 21 mit der Stuttgarter Werbeagentur Die Crew aus. Crew-Agenturchef Gerhard Mutter hatte sich Anfang 2010 den millionenschweren Etat in einem offiziellen Ausschreibungsverfahren gegen 15 Konkurrenten gesichert. "Der Vertrag mit der Bahn war von vornherein auf zwei Jahre ausgelegt", bestätigt Crew-Gründer Mutter heute Kontext.

SPD-Staatssekretär als Fürsprecher und Auftraggeber

Nach Vertragsende wurde der PR-Etat des Projekts nicht mehr öffentlich ausgeschrieben. Stattdessen erschien im Mai 2012 in einer Auflage von 150 000 Exemplaren erstmals das neue Projektmagazin "Bezug", konzipiert von Ohnewald. Wenig überraschend kommen darin fast ausschließlich Projektunterstützer zu Wort. Zur Premiere durfte sich etwa der baden-württembergische Finanzstaatssekretär Ingo Rust, der die Befürworterpartei SPD im S-21-Lenkungskreis vertritt, über die Sinnhaftigkeit des Tiefbahnhofs auslassen.

Die Realisierung des Werbemediums "Bezug" generierte offenbar Synergieeffekte. So durfte die Lose Bande für Staatssekretär Rust auch einen Internetauftritt erstellen. Als weiterer Auftraggeber wurde die Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart gewonnen.

Für das Tochterunternehmen des Verbands Region Stuttgart (VRS) konzipierte Ohnewald im vergangenen Jahr mit "Nemo" ein neues Hochglanzprodukt, das die stotternde Elektromobilität befördern soll. Schon als StZ-Redakteur hatte Ohnewald regelmäßig Porträts für das VRS-Standortmagazin "179" verfasst. Der Verband Region Stuttgart ist Projektpartner beim Milliardenprojekt. In der Regionalversammlung haben die Tiefbahnhof-Befürworter von CDU, Freien Wählern und SPD eine erdrückende Mehrheit, obwohl die meisten Verbandskommunen auch nach Fertigstellung des Tiefbahnhofs nicht über die Schiene erreichbar sind. Die Regionsdirektorin Nicola Schelling, die im S-21-Lenkungskreis die Interessen der Region zu vertreten hat, gilt als williges Organ der Versammlungsmehrheit.

Kontext hat den Beteiligten detaillierte Fragen zu möglichen gegenseitigen Geschäftsbeziehungen übermittelt. Auch unter dem Aspekt, dass die Vergabe von Aufträgen direkt oder indirekt an enge Verwandte den Verdacht von Vetternwirtschaft aufkommen lässt. Die Antworten sind aufschlussreich.

Filmemacher Dietrich bestätigt Auftrag für Bahnprojekt

Schauspieler Matthias Dietrich bestätigt, als Filmemacher bisher einmal für das Bahnprojekt gearbeitet zu haben: "In den vergangenen viereinhalb Jahren, in denen mein Vater als Sprecher amtiert, hat mein Ein-Mann-Unternehmen gegenüber dem Verein seit dem Jahre 2012 Leistungen in einer Größenordnung von ca. 3000 Euro erbracht und abgerechnet." Er verweist darauf, sich erst im Januar 2014 der Losen Bande angeschlossen zu haben: "Einer Bürogemeinschaft von Kreativen, die jeweils für sich oder als Team in unterschiedlichen Konstellationen zusammenarbeiten."

Aus dem Kommunikationsbüro heißt es: "Wie bereits bekannt ist Herr Ohnewald mit der redaktionellen Realisierung des Projektmagazins 'Bezug' beauftragt worden. Darüber hinaus hat der Verein während der gesamten Amtszeit von Vereinsvorsitzenden und Projektsprecher Dietrich auch einen Filmclip zur Dokumentation der Baumversetzungen an Herrn Matthias Dietrich vergeben."

Ergänzend betont die Sprecherin, dass die Bilanzen (des Kommunikationsbüros bzw. Vereins, Anmerkung der Redaktion) grundsätzlich nach Abschluss eines jeden Geschäftsjahres durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft würden. "Die Bilanzen selber sowie der Prüfungsbericht inklusive einer Aufstellung aller Kostenarten werden den Mitgliedern in der jährlichen Mitgliederversammlung übergeben und erläutert."

Ob die übrigen Vereinsmitglieder viel damit anfangen können, bleibt fraglich. "Die Stadt Stuttgart ist nicht in das operative Alltagsgeschäft des Kommunikationsbüros eingebunden – somit können wir uns auch nicht zu einzelnen Vergaben äußern oder diese kommentieren. Die Verantwortung für 'Bezug' ebenso wie für 'Imagefilme' liegt beim Kommunikationsbüro", sagt der Pressesprecher der Landeshauptstadt auf Kontext-Anfrage.

Lose-Bande-Journalist Michael Ohnewald wollte keine Stellungnahme abgeben.

 

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7 Kommentare verfügbar

  • Leser
    am 12.12.2014
    Antworten
    Trolliger 11.12.2014 16:44

    Letztlich wurden hier doch NUR Unterstellungen und Mutmaßungen abgegeben, auch von Ihnen - oder können Sie eine Ihrer Mutmaßungen verifizieren?
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