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Mit Billiglöhnern Millionen verdienen

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Nicht nur große Konzerne setzten auf billige Leiharbeit und Werkverträge. Auch immer mehr Mittelständler nutzen die Möglichkeiten, die lasche Arbeitsgesetze bieten. Ein Beispiel dafür ist die Tiernahrung Deuerer GmbH mit Sitz im badischen Bretten.

Zuletzt waren die Stuttgarter Daimler AG und der amerikanische Versandhändler Amazon wegen Leiharbeitern und Werksverträgen ins Gerede gekommen. Doch die umstrittenen Beschäftigungsverhältnisse, in der Regel befristet und oft mit einer Entlohnung weit unter dem Verdienst festangestellter Mitarbeiter, ist weiter verbreitet als vermutet. Nicht nur große Konzerne setzten auf derart "moderne" Beschäftigungsverhältnisse. Auch immer mehr mittelständische und inhabergeführte Unternehmen nutzen die Möglichkeiten, die ihnen die aus Gewerkschaftssicht viel zu lockeren Arbeitsgesetze bieten. Auch der Tierfutterhersteller Deuerer in Bretten setzt auf neuzeitliche Fremdarbeiter.

Der Familienbetrieb hat einen rasanten Aufstieg hinter sich: Binnen 25 Jahren wurde aus einer Metzgereikette ein Unternehmen mit zuletzt 250 Millionen Euro Jahresumsatz. Fast die gesamte Produktion geht an Supermärkte und Discounter, wird aber unter deren Eigenmarken vertrieben. Inzwischen zählt Deuerer Tiernahrung zu den größten Katzen- und Hundefutterherstellern Europas und beschäftigt an seinem Stammsitz rund 1700 Mitarbeiter. Doch nur der geringere Teil der Belegschaft sind eigene Mitarbeiter. "Das Unternehmen hat nur noch etwa 500 eigene Leute", sagt Christian Schick von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Rund 600 Menschen arbeiten nach Informationen des Karlsruher Gewerkschaftssekretärs als Leiharbeiter in dem Unternehmen, das größter Gewerbesteuerzahler Brettens ist. Etwa die gleiche Anzahl Arbeitskräfte sind im Rahmen von Werkverträgen in dem Betrieb tätig.

Einen großen Teil der Personalkosten überweist Betriebsinhaber Hans-Jürgen Deuerer nicht an eigene Mitarbeiter, sondern an Firmen, die ihm Leiharbeiter stellen oder Arbeitsleistungen durch Werkverträge vermitteln. Nach Recherchen des örtlichen Online-Mediums www.nadr.de bezahlt Deuerer Fremdfirmen Pauschalpreise in der Produktion, abgerechnet wird etwa nach der Anzahl von Paletten Tierfutter. Das Unternehmen hält sich aus der Entlohnung der Fremdarbeitskräfte heraus, die Personalvermittler bestimmen, was Leih- und Werkvertragsarbeiter verdienen. Der Stundenlohn soll zwischen drei und fünf Euro betragen.

Drei Personaldienstleister besorgen Arbeitskräfte

Laut nadr.de sollen drei Vermittler das Personalgeschäft mit Deuerer beherrschen. Eine davon ist die Firma IH Direkt mit Sitz in Ludwigsburg. Als Mitgeschäftsführerin agiert dort eine gewisse Claudia Dej, deren Name in Kreisen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi noch vor wenigen Jahren eine größere Bekanntheit erreichte. Dej galt als kompromisslose Bezirksleiterin des später pleitegegangenen Drogeriekönigs Anton Schlecker.

Weitere Akteure bei der Personalbeschaffung für Deuerer sind die Düsseldorfer Beotronic GmbH sowie die Firma Georg Müller. Letztere tritt nicht nur als Vermittler vor allem ungarischer Arbeiter auf, die im Zweischichtbetrieb sechs Tage die Woche eingesetzt werden. Müller betätigt sich offenbar auch als Busunternehmer, der die Arbeiter gegen zusätzliche Bezahlung zu Heimatbesuchen und wieder zurückbefördert.

Für die Beteiligten, ausgenommen die Arbeiter selbst, lohnt das Fremdpersonalgeschäft offenbar. Im vergangenen Jahr machte Deuerer mit dem Kauf eines Mehrheitsanteils am Konkurrenten Vitakraft aus Bremen Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse. Mit der Übernahme öffnet sich die Firma eine Tür in das Markengeschäft. Vitakraft, an der der bisherige Eigentümer, die Familie Wührmann, eine Minderheitsbeteiligung behält, ist vor allem für Futter für Vögel und Nagetiere bekannt, produziert aber auch Katzen- und Tierfutter wie Deuerer. Vitakraft beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter und kam im vergangenen Jahr auf 267 Millionen Euro Umsatz. Die Angst geht in Bremen nun um, dass es zu einem ähnlichen Stellenabbau wie in Bretten kommt und künftig Fremdarbeiter die Produktion übernehmen.

Tierfuttermarkt mit Milliardenumsatz

Im vergangenen Jahr machte die Tierfutterbranche in Deutschland fast drei Milliarden Euro Umsatz. Eigenmarken haben dabei einen Anteil von über 50 Prozent. Die größten Konkurrenten im Tierfuttermarkt sind die Großkonzerne Nestlé ("Purina", "Felix") aus der Schweiz sowie der amerikanische Lebensmittelkonzern Mars ("Pedigree", "Whiskas").

Auch wenn Hans-Jürgen Deuerer die faktische Übernahme des deutschen Konkurrenten viel Geld gekostet hat – in Branchenkreisen wird Vitakraft mit einem Wert von 200 Millionen Euro taxiert –, bleibt dem Brettener Unternehmer noch genügend Cash für die angenehmen Dinge des Lebens. Zusammen mit Ehefrau Tina Deuerer betreibt der Tierfutter-Produzent ein eigenes Gestüt. Zu Weihnachten vergangenen Jahres durfte sich Tina Deuerer über zwei kostbare Geschenke mit vier Hufen freuen. Gatte Hans-Jürgen ersteigerte seiner leidenschaftlichen Turnierreiterin auf einer Auktion zwei Springpferde für insgesamt 560 000 Euro, wie die "Reiter-Revue" berichtete. Im Vorjahr hatte der Unternehmer bereits das passende Mobilitäts-Equipment für den Sport seiner Frau besorgt: ein exklusives Transporter-Gespann für acht Pferde mit luxuriöser Wohnkabine für deren Reiter in veritabler Sattelschlepperlänge – Schätzpreis über eine Million Euro.


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11 Kommentare verfügbar

  • Roman von Pforzheim
    am 12.04.2014
    Antworten
    Mit diese probleme ich habe neue Nachricht
    Nachricht ist hier:

    http://www.bak-bretten.de/texte/wp/2014/04/09/gespraech-mit-polnischen-leiharbeitern/
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