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Afghanistan

Ein Land im Kollaps

Afghanistan: Ein Land im Kollaps
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Eine Zeit lang hat Afghanistan die Schlagzeilen im Jahr 2021 dominiert. Davon ist nicht viel übriggeblieben. Bundestagswahl und Corona haben das Thema irgendwann abgelöst. Doch für die Menschen, die aus Afghanistan stammen oder seit Jahren aus dem Land berichten, wird die Lage immer bedrohlicher.

Afghanistan macht nicht nur meinen beruflichen Alltag aus, sondern aufgrund meiner eigenen Wurzeln auch meinen privaten. Mitte August geschah das, was jeder kluge Beobachter bereits vor Jahren vorhersagt hatte: Während des Abzugs der NATO-Truppen eroberten die Taliban praktisch das ganze Land zurück. Bereits in den Tagen zuvor war der Dominoeffekt in vielen Provinzen unaufhaltbar. Eine Stadt nach der anderen fiel und am Ende standen die Extremisten auch vor den Toren Kabuls.

Das Schicksal Afghanistans wurde allerdings nicht an jenem Tag besiegelt, sondern bereits Jahre zuvor. Schon Ende 2001 war klar, dass die vermeintliche Nation-Building-Mission der USA und ihrer Verbündeten in erster Linie ein Rachefeldzug war, obwohl kein einziger Afghane mit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 etwas zu tun hatte. Traurigerweise scheint es für einige selbst heute – zwei Jahrzehnte später – weiterhin ein Tabu zu sein, am vorherrschenden Narrativ von George W. Bush, Tony Blair, Donald Rumsfeld und Konsorten zu rütteln. Dabei gehören die genannten Männer weiterhin zu den Hauptarchitekten des verlorenen "War on Terror" und der gegenwärtigen Misere Afghanistans.

Ausgabe 542, 18.8.2021

Im Schatten regiert

Von Emran Feroz

Über Nacht konnten die Taliban Kabul erobern. Möglich war das nur, weil die Extremisten schon vor dem Abzug westlicher Truppen weite Teile des Landes kontrollierten, betont der Afghanistan-Experte Emran Feroz. Dabei habe der gescheiterte Krieg gegen den Terror mit seinen unzähligen zivilen Opfern massiv zur Radikalisierung vieler Afghanen beigetragen.

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Millionen von Afghanen sind Sanktionen ausgesetzt und müssen hungern, weil aus der Sicht des Westens "die Falschen" den Krieg für sich entscheiden konnten. Zeitgleich sind die neuen Machthaber, sprich, die Taliban, stärker denn je zuvor. Prominente Taliban-Führer, die in den letzten Jahren nach vermeintlich präzisen Drohnenangriffen regelmäßig für tot erklärt wurden, sitzen nun an den Hebeln der Macht und unterdrücken nach ihrem Belieben die Bevölkerung. Zeitgleich versuchen zahlreiche Menschen tagtäglich, das Land zu verlassen. Zu den brutalen, anti-afghanischen Grenzregimen gehören nicht nur Pakistan, der Iran oder etwa die Türkei, die jüngst eine große Mauer errichtet hat, sondern auch die Festung Europa, in der die Entmenschlichung afghanischer Geflüchteter schon längst zum politischen Alltag gehört und unter anderem dazu geführt hat, dass selbst viele jener Afghanen, die einst mit der NATO zusammengearbeitet haben, bewusst zurückgelassen wurden.


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