Die mir zugeteilte Fahrerin war mit einem durchsichtigen Plastikschild vor dem Gesicht, einer Mundschutzmaske, einer normalen Brille und einer Plastikhaube für die Haare gegen den eingereisten Ausländer abgeschirmt. An der Plastikwand, die den Fahrersitz von der Rückbank trennt, prangt in computergarniertem Design ein Zettel mit der Aufschrift: "Willkommen in Thailand".
Zwei Wochen Quarantäne sind auch hier kein Zuckerschlecken. Aber dann erwartet den Neuankömmling eine "neue Normalität", die oft an den Alltag aus den Zeiten vor der Pandemie erinnert. Die Geschäfte sind geöffnet. Auf den Märkten drängeln sich die Menschen. "Uns geht es besser als vor Corona", schwärmt nahe meinem Wohnort, 650 Kilometer südlich von Bangkok, die Besitzerin des kleinen Strandlokals Chomlay in dem Städtchen Lamae, "die Gäste kommen und wir liefern mehr Bestellungen als früher aus."
Vom Golf von Thailand weht eine sanfte Brise über die Holztische. Kinder vergnügen sich im Sand. Ein paar kleine Boote schaukeln auf der leichten Dünung. In der Ferne rumpeln ein paar Gewitter. Am Horizont über dem Meer leuchten in der Abenddämmerung die ersten gleißenden Lichter der Tintenfisch-Fangflotte im Golf von Thailand auf: ein Tropenparadies fast ohne ausländische Touristen.
Doch der Schein ist nicht alles. Die Wirtschaft wird in diesem Jahr um etwa neun Prozent schrumpfen. "Meine Mutter und ich machen jetzt Hüte zuhause", meldet sich eine Freundin meiner Ehefrau nach ihrer Entlassung bei einer maroden Firma, "seid ihr interessiert?" Eine andere Bekannte verlegt sich auf die Zubereitung von Krayasard, einer klebrigen Süßigkeit aus Erdnüssen, Kokosnuss, Reis und Sesam-Körner, die in Plastiktüten zu 20 Cents bis einen Euro über den Tisch gehen. Gleichzeitig klettern die Preise.
Schon vor der Corona-Krise wuchs der Zorn über Regierungschef Prayuth Chan-ocha. Im Februar ließ er die Future Forward Party verbieten. Sie war von dem Milliardär Thanathorn Juangroongruangkit gegründet worden, dessen Fabriken unter anderem für Tesla produzieren. Bei den letzten, vom Regime manipulierten Wahl punktete sie mit einem deutlichen antimilitärischen Programm auf Anhieb bei den jüngeren Wählern. Hinzukommt die Wut über die Selbstherrlichkeit des Premiers, der laut der Tageszeitung "Bangkok Post" bis über beide Ohren in Korruptionsaffären steckt. Kaum hatte seine Regime die Corona-Krise im Griff, meldeten sich Tausende von Studenten und Schülern. Ihre Forderungen: Der Rücktritt von Prayuth und Verfassungsreformen.
Ein noch größerer Tabubruch ist ihre Kritik an König Vajiralongkorn, der eher am Starnberger See zu finden ist als in seinem Reich. Angesichts der Proteste hat er seine Ende Oktober geplante Rückreise nach Bayern verschoben und will bis Jahresschluss bleiben. Während die Regierung mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgeht, meldete sich der König am Wochenende mit einer Verlautbarung zu Wort. "Ich liebe alle Thailänder!", ließ er wissen und fügte hinzu: "Thailand ist ein Land der Kompromisse." Auf den Nachweis warten die Untertanen noch.
Willi Germund, 65, war Korrespondent mehrerer deutscher Tageszeitungen, lebt seit 2001 in Thailand. In Kontext hat er zuletzt über den Fall Relotius geschrieben.
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