Es ist noch nicht lange her, da badete der mexikanische Präsident in der Menge. Auf einer Wahlkampfveranstaltung im März verteilte er Küsschen, grapschte nach den Händen seiner unerschütterlichen Fans und sprühte voller Zuversicht. "Pandemien werden uns nichts anhaben", verkündete Andrés Manuel López Obrador, kurz AMLO. Mittlerweile ist er schlauer. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, die sonst mit Menschen und Autos verstopften Straßen von Mexiko-Stadt sind ungewohnt leer. Hilfe kommt – von den Kartellen. Im Norden des Landes verteilen sie Lebensmittel an die Bevölkerung: Sinaloa, Golf-Kartell und Jalisco Neue Generation (CJNG), kriminelle Organisationen eben. Die Behörden machen, was sie immer machen: nichts. Das Inferno des Drogenkrieges hört mit der Viruskrise allerdings nicht auf.
Eine der unzähligen Geschichten unermesslichen Leids ist die von Eloisa Abundis. Seit vier Jahren ist ihr Sohn verschwunden. Kein Hinweis, keine Spur, kein Abschied. Das sogenannte gewaltsame Verschwindenlassen ist seit vielen Jahrzehnten Alltag in Mexiko. Schätzungsweise 40.000 Menschen gelten als vermisst. Sie tauchen entweder nie oder als knöcherner Rest in einem Massengrab wieder auf. Eloisa Abundis protestiert mit ihrer Enkelin vor dem Forensischen Institut Jalisco in der Tequila-Hauptstadt Guadalajara. Drinnen: prominenter Aufmarsch, die Bundesbeauftragte für Menschenrechte reist an, zwei deutsche Gerichtsmediziner im Schlepp. Die erwarten bergeweise Leichen, der süßliche Todesgeruch in den Hallen des Instituts ist allgegenwärtig.
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