Mitnichten! Jährlich werden von emsigen Forschern Hunderte neuer Pflanzen- und Tierarten aufgestöbert. Unlängst wurde von Drohnen ein neues Volk im Osthimalaja aus dem Schatten der Anonymität gezerrt. Und wer weiß schon, was die Antarktis freigibt, wenn die Polkappen mal abgeschmolzen sind?
Doch diese irdischen Abenteuer machen auf Schröder und viele Zeitgenossen keinen Eindruck mehr. Die wahren Adventures beginnen für sie da draußen, jenseits der Stratosphäre. Dort auf dem Mars, im kalten Licht einer fernen Sonne, wollen sie ganz neu anfangen! Die Menschheit auf Reset setzen! Siedlungen gründen, wie einst die Bewohner der Pfahlbauten am Bodensee. Eine kooperative Pioniergesellschaft bilden und für eine gemeinsame und bessere Zukunft einer potenziellen Post-Erde-Menschheit arbeiten. Wollen also auf dem Mars auch das umsetzen, was wir hier auf der Erde nicht hinkriegen!
One world is not enough? Sind wir erdmüde geworden? Es scheint so. Mehr als die Suche nach Abenteuer und neuen Kontinenten, unbegrenzten Rohstoffen und neuen Geschäftsfeldern erscheint diese Marsmission als eine Flucht. Die Erde ist kompliziert geworden, Veränderungsprozesse verlaufen für den Einzelnen zu unkontrolliert oder im Schneckentempo, nachhaltige Entwicklungen werden oft erst zwei bis drei Generationen später umgesetzt und sichtbar. So lange können die Hobbynauten und gleichgesinnte Spacenerds nicht warten, sie wollen die neue Welt, das frische, noch unbestellte Spielfeld der Utopien jetzt, sofort!
Seriöse Wissenschaftler zweifeln an den Erfolgschancen
Ist das der Beginn einer neuen Heilslehre? Sind Mars-One-Teilnehmer die neuen Pilgrim Fathers, ist der Mars-One-Unternehmer Bas Lansdorp ihr Prophet? Wie bei allen Pilgerfahrten ist der Glaube größer als der Sinn für Realismus. Erfahrene Weltraumwissenschaftler stellen dem Mars-One-Projekt keine vielversprechende Prognose. Der Zeitplan sei sehr knapp, die Überlebenschancen der ersten vier Marssiedler schätzen sie auf 50 Prozent – im ersten Jahr, in den Folgejahren geht die Wahrscheinlichkeit gegen null. Weltraumlogistiker bezweifeln aus Kostengründen die Durchführbarkeit der Versorgungsflüge, die im Vorfeld Ausrüstung und Material auf den Roten Planeten bringen sollen. Psychiater warnen, dass die Unmöglichkeit einer Rückkehr zur Erde die Marssiedler geistig zerrütten und in den Wahn treiben würde. Selbstmord wegen Heimweh droht. Doch auch für den publikumstauglichen Seelsorgefall hat sich Mars One schon gewappnet. Mit etwa 20 Minuten Verzögerung könne zwischen Erde und Mars via Skype therapiert werden.
Doch eingefleischte weltflüchtige Weltraumpioniere schreckt das nicht: Der Mars als nächstes Menschheitsdomizil liegt im Trend. Mars One ist nur die kamerafreudige Vorhut von anderen Projekten, die die Raumfahrtbehörden der meisten größeren Nationen vorantreiben. NASA, ESA, ISRO, CNSA, Roskosmos und etliche andere nationale Weltraumorganisationen sowie private Marstourismus-Firmen planen im Halbverborgenen ihre eigenen bemannten Marsmissionen. Bei den aus Steuermitteln finanzierten Projekten geht es wohl wissenschaftlich fundierter zu, liegt der Fokus nicht auf der medialen Verwertung im Spaßfernsehen, kommen ausgebildete Raumfahrer und Piloten mit Erfahrung zum Zug – und wird auch an eine Rückreise gedacht.
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