Es sind zum Teil einfache Menschen. Frauen erzählten, dass sie dachten, es würde ihnen nichts passieren, da sie ja auch Moslems sind. Als die ersten IS-Einheiten kamen, backten sie Brot und brachten es den Kämpfern. Sie waren ahnungslos. Es gibt kaum mediale Vernetzung in den Dörfern. Die Leute hatten Angriffe des Assad-Regimes erlebt und sie abgewehrt, sie dachten, da der IS Assad bekämpft, sei er auf ihrer Seite. Und dann merkten sie, dass der IS noch teuflischer ist als Assads Truppen.
Dann begann die große Flucht. Viele kamen nicht schnell genug raus, weil sie Kinder hatten oder Kranke versorgen mussten. Sie mussten zusehen, wie Leuten Füße oder Hände abgehackt wurden, wie Männer an Autos gebunden und durchs Dorf geschleift wurden. Die Frauen weinten, wenn sie davon berichteten.
Trotzdem habe ich keine einzige Hasstirade gehört. Viele werden noch Monate brauchen, um einigermaßen mit der Situation zurechtzukommen.
Die Türkei hat Hunderttausende Menschen aufgenommen, zugleich unterstützt sie aber den IS, zum Beispiel durch den Ölhandel, und lässt das Massaker in Kobanê geschehen – wie wird das von den Menschen vor Ort gesehen?
Die meisten haben die große Politik nicht im Blick. Die Kommunalpolitiker sagen, sie fühlen sich im Stich gelassen. Es ist eine riesige Herausforderung für die Verwaltung, all die Menschen halbwegs zu versorgen. Die meisten haben kein Geld und finden keine Arbeit. Manche Kinder machen Aushilfsjobs für ein bis zwei Euro am Tag. Es heißt, es gebe immer wieder Behinderungen, Teile der internationalen Hilfe kämen nicht oder nur verspätet an. Die kurdische Verwaltung erwartet mehr Unterstützung von der türkischen Regierung, doch der ist es ein Dorn im Auge, dass dort nur Kurden das Sagen haben.
Wie wurde Ihr Engagement in der Türkei und in den türkischen Medien aufgenommen? Immerhin haben Sie Kundgebungen abgehalten, um sich mit den Flüchtlingen solidarisch zu zeigen ...
Vom Schwarzen Meer bis zur Ägäis und in den großen Städten gab es eine beachtliche Medienresonanz. Nicht nur in kurdischen oder linken, sondern auch in konservativen Medien. Wir betonten immer wieder, dass wir uns für Humanität und Demokratie einsetzen und die Kurden unterstützen, und im Allgemeinen war die Berichterstattung darüber sehr positiv. Auch ich wurde mehrfach zitiert und habe die Solidarität der deutschen Schriftsteller übermittelt, habe dargelegt, dass die Ereignisse intensiv verfolgt werden und man dem Freiheitswillen der Kurden positiv gegenübersteht. Damit wurde ich wörtlich zitiert.
Wie geht es nun weiter?
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Schwabe
am 20.11.20141987 war ich mit zwei Freunden und "Wohnmobil" 2 Monate in der Türkei und in Syrien unterwegs (rd 14.000 km). Edirne, Istanbul,…