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Ich bin Boris, spritzt mich ab!

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Londons Oberbürgermeister hat für seine Stadt drei Wasserwerfer in Deutschland bestellt. Kontext hat über diesen Deal bereits berichtet. Doch nun setzt crazy Boris noch einen drauf. Er will sich persönlich von dem Wasserstrahl abspritzen lassen. Voll gaga oder politischer Coup eines schillernden Tausendsassas?

Er hat es tatsächlich gemacht. Boris Johnson, Londons Bürgermeister, kauft drei Wasserwerfer made in Germany. Ob die Objekte seiner Begierde den Tätigkeitsnachweis "tested at Schlossgarten" tragen, konnte die Sprecherin der für den Deal zuständigen Bundespolizei zwar nicht bestätigen, doch der Vertrag mit dem zweitwichtigsten Mann des Vereinten Königreiches ist offensichtlich so gut wie in trockenen Tüchern. Einige kleine Details fehlen zwar noch – unter anderm die erforderliche Genehmigung der an sich zuständigen Innenministerin. Doch einen Typen vom Schlag eines Boris Johnson haben derartige Petitessen noch selten gestört.

Johnson, der selbst für britische Verhältnisse als exzentrisch gilt, will nun sogar den ultimativen Beweis für die Ungefährlichkeit der Wasserwerfer führen – und sich höchstpersönlich abspritzen lassen. Diese Art von Nachhilfe muss vor dem historischen Hintergrund gesehen werden, dass es bislang – von der einstigen Krisenregion Nordirland abgesehen – im Königreich keine Wasserwerfer für die Ordnungshüter gibt. Angeblich wurden die Hochdruckspritzen im Sommer 2011 als durchschlagendes Argument gegen den damals in Londons Vororten plündernden und brandschatzenden Mob von Scotland-Yard-Mitarbeitern schmerzlich vermisst. Eine effektive Waffe gegen Hooligans, die gleichzeitig ungefährlich für den Bürgermeister ist? Wer an diesem Punkt mit der Logik ins Trudeln gerät, kennt offensichtlich Boris Johnson nicht.

Der schillernde Politiker mit Schnittlauchfrisur ist seit Jahren ein Liebling des Boulevards und Schrecken des politischen Establishments – vor allem bei seinen Parteifreunden, den konservativen Tories. Zuletzt traf es aber Ex-Premier Tony Blair von der Labour Party, der für seine Verteidigung der Irakinvasion von Johnson die Diagnose "Schraube locker" gestellt bekam.  Immer wieder wabert an der Themse das Gerücht, dass sich Johnson, unehelicher Urahn eines württembergischen(!) Prinzen, um das Amt des Premierminister bewerben möchte. Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zu den beliebtesten Politikern auf der Insel werden ihn bei diesen Ambitionen zusätzlich beflügeln. Mit 41 Prozent ist er demnach der Darling innerhalb der ansonsten verhassten Politkaste. Nur die Mitglieder des Königshauses haben bessere Beliebtheitswerte.

Johnson spielt seit Jahren virtuos die Rolle des Tausendsassas auf der kommunalpolitischen Bühne. Den Londonern verschaffte er einen optisch geglückten Nachfolger für die legendären, aber angejahrten Routemaster-Doppeldeckerbusse. Die neuen Busse sehen eigentlich genauso aus wie die alten. Er führte in dem bislang undurchschaubaren Tarifsystem des öffentlichen Nahverkehrs eine simple und überaus erfolgreiche Netzkarte – die Oyster-Card – ein und fördert durchaus erfolgreich den Radverkehr mit einem Leihsystem. Seine ordnungspolitischen Anstrengungen gegen den eigentlichen Nationalsport – das total hemmungslose Kampftrinken in der Öffentlichkeit – waren dagegen weniger erfolgreich.

Jetzt also die Sache mit den Wasserwerfern. Der Spross alten Adels vom Kontinent muss nach seiner Abspritz-Nummer aufpassen, dass er nicht in die Heimat seiner Urahnen beordert wird. Als sachverständiger Zeuge, der vom Stuttgarter Landgericht zum Beweisthema "Ungefährlichkeit von Wasserwerfern" aussagen muss.


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1 Kommentar verfügbar

  • FernDerHeimat
    am 18.06.2014
    Antworten
    Die britische Politik hat eindeutig die Meisterschaft in der Bekämpfung von Symptomen erlangt! Herzliches Beileid!
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