Manch einer steigt gar auf den Stuhl für die bessere Sicht. Köpfe werden gereckt und Hälse gewendet, um einen Blick zu erhaschen. Kurz nach 18 Uhr ist es so weit: Zum Sound des US-Musikers Flo Rida ("Good Feeling") betreten die Stars des Abends die Halle. Diejenigen, die einen Platz am Laufweg der beiden ergattern konnten, nutzen die Gelegenheit für Selfies und Händeschütteln. Die Prominenten machen geduldig mit. Das dauert so lange, dass die Musiksequenz zu Ende ist, bevor sie überhaupt die Bühne erreichen – und nach wenigen Sekunden Stille neugestartet wird. Für 1.200 Gäste ist die Nagolder Stadthalle bestuhlt, der Andrang ist groß in der rund 24.000 Einwohner:innen zählenden Kleinstadt im Nordschwarzwald.
Das berühmte Duo, gefeiert wie Popstars, steht auf der Bühne und nimmt schließlich Platz in grauen Sesseln: Es sind der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der hiesige CDU-Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl, Manuel Hagel. Der Abend ist die Premiere für ein neues Veranstaltungsformat des CDU-Mannes aus dem Südwesten: "Bühne frei!". Ein lockeres Gespräch "in entspannter Atmosphäre" sollte es laut Ankündigung werden. "Eher so Wohnzimmer statt Podium", sagt Hagel zu Beginn. Vor allem aber ist es der erste große Aufschlag im Wahlkampf Hagels, der im März zum Ministerpräsidenten gewählt werden will.
Zwar ist Söder Hagels Gast, dennoch wirkt er beinahe wie der größere Publikumsmagnet. Der 58-Jährige im bayerischen Trachtenjanker überragt den 21 Jahre jüngeren Hagel im Slim-Fit-Anzug um gut einen halben Kopf und die Menschen im Publikum versuchen vielmehr, sich mit ihm abzulichten oder seine Hand zu schütteln. Hagel wirkt beim Einlauf ein wenig wie die zweite Geige.
Hagel ist unbekannt, Söder ein "Kini"
Der CDU-Aspirant auf das Ministerpräsidentenamt kann die Schützenhilfe aus Bayern gut gebrauchen. Mitte Oktober vermeldete nämlich der SWR, dass zwar 40 Prozent der Befragten sich eine CDU-geführte Landesregierung wünschten und 29 Prozent die Partei wählen würden. Beim Direktvergleich der Spitzenkandidaten aber liegt Manuel Hagel mit einem Zustimmungswert von 17 Prozent weit abgeschlagen hinter seinem grünen Konkurrenten Cem Özdemir. Der schafft es auf 41 Prozent. Es ist wohl Hagels größtes Problem in diesem Wahlkampf: Es mangelt ihm an Bekanntheit in dem Land, das er ab nächstem Frühjahr regieren möchte. Da half bislang auch nicht, dass er seit zwei Jahren die Posten als Landes- sowie Fraktionschef der baden-württembergischen CDU in seiner Person vereint.




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