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Menschenrechte

Sich ein eigenes Bild machen

Menschenrechte: Sich ein eigenes Bild machen
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 Fotos: Fabian Holzwarth 

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Datum:

In anklagendem Schwarzweiß dokumentiert Fabian Holzwarth Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen und in der Bundesrepublik. Schwerpunkt seiner Fotografien sind die Folgen rechter Gewalt.

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Als Fabian Holzwarth von den Anschlägen am 19. Februar erfuhr, zögerte er nicht lange und fuhr nach Hanau. Mit seinen Fotografien dokumentiert er die Folgen von rechtem Terror. Auch die NSU-Morde gehören dazu, aber er denkt noch weiter zurück, zum Oktoberfestattentat 1980, dem mit 13 Toten, 68 Schwerverletzten und 213 Verletzten blutigsten Anschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ebenso wichtig sind ihm auch der Mord an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke am 1. Juni 2019 und der Anschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale nur wenige Monate später, am 9. Oktober desselben Jahres.

Das dunkle, nie eintönige Schwarzweiß mit wenigen kontrastierenden Lichtern, mit dem Holzwarths arbeitet, gehört zu den gängigen Mitteln einer anklagenden Dokumentarfotografie. Allerdings spricht aus seinen Bildern zugleich immer noch etwas Anderes: die große Anteilnahme vieler Menschen mit den Opfern der Anschläge, die sich in den unzähligen Grablichtern und Kerzen am Ort der Anschläge und am spontan zum Mahnmal erkorenen Denkmal der Gebrüder Grimm am Hanauer Marktplatz zeigt.

Kerzen, Blumen, Porträtfotos der Opfer. Keine Dramatik, Trauer. Es ist ein regnerischer Tag. Glänzende nasse Gehwegplatten reflektieren den trüben Himmel, die Gesichter der Menschen verschwinden hinter ihren Schirmen. Was sie denken, lässt sich allenfalls erahnen – oder den schriftlichen Kommentaren an den Gedenkorten ablesen. Einer zitiert Sophie Scholl. Ein anderer fordert: "Migrantifa jetzt!"

Holzwarth studiert im sechsten Semester an der Stuttgarter Kunstakademie. Er arbeitet als Fotograf und besucht doch die Malklasse von Cordula Güdemann. Das hängt damit zusammen, dass er sich von der politischen Ausrichtung der Seminare Güdemanns sofort angesprochen fühlte. Als er anfing, hatte sie gerade mit Stephan Dillemuth, Professor der Münchner Akademie, das über mehrere Semester angelegte gemeinsame Recherche- und Kunstprojekt "Druck gegen rechts" abgeschlossen.

In Güdemanns nächstem Seminar und Projekt spielte Holzwarth gleich eine Hauptrolle. Anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Jahr 2018 gab die Professorin ihren Studierenden die Aufgabe, Plakate zu den 30 Artikeln der UN-Menschenrechtserklärung zu entwerfen. Dabei sollte es nicht darum gehen, aus der bequemen Distanz mit dem Finger auf andere zu zeigen. "Wir stellten fest", kommentiert Güdemann, "dass es nicht nur in anderen Ländern Menschenrechtsverletzungen gibt, sondern auch hier in der BRD und das betrifft jeden der 30 Artikel der Vereinten Nationen."

15 der 32 Plakate – zwei Artikel wurden doppelt bearbeitet –, die im Mai 2019 bei einer Kundgebung der Anstifter in der Königstraße aufgestellt waren und danach noch einige Wochen im Eingangsbereich des Württembergischen Kunstvereins, stammen von Holzwarth. 2016, damals als Student der Chemie, hatte er sich nach Griechenland und Sizilien begeben, "um zu sehen, wie es da wirklich aussieht". Gemeint ist die Situation der über das Mittelmeer Geflüchteten, über die er sich aus eigener Anschauung ein Bild machen wollte.

Er habe immer schon fotografiert, gibt er jetzt allerdings an, und er habe eigentlich schon vor dieser Reise beschlossen, auf Kunst umzusteigen. Die Erlebnisse in Griechenland und auf Sizilien bestärkten ihn freilich in seinem Entschluss. In der Klasse von Cordula Güdemann fand er mit seinen Vorhaben Resonanz. Einige der Fotos aus den Flüchtlingslagern gingen in die Plakatserie zu den Menschenrechten ein, für andere fertigte er neue Aufnahmen an. Gemeinsam ist allen Bildern das hohe Maß an Anteilnahme und Empathie.


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1 Kommentar verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 23.07.2020
    Antworten
    Dank an Fabian Holzwarth, dafür nicht zu zögern der inneren Stimme zu folgen und sich vor Ort ein eigenes Bild zu machen – mit seinen Schwarz-Weiß-Bildern Teilhabe zu ermöglichen.
    Dank an Dietrich Heißenbüttel, dafür sich zu öffnen für die in den Bildern enthaltene Aussagekraft und diese mit seinen…
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