Seit dem sogenannten arabischen Frühling 2011 engagierte sich Sieghard Bender, ehemaliger IG-Metall-Chef in Esslingen und großer Fan von Ägypten und seiner 6000 Jahre alten Geschichte, für ein Ausbildungsprojekt im oberägyptischen Luxor. Sieghard Bender starb 2013 unerwartet, aber sein Traum ist Wirklichkeit geworden. Mit ungeheurer Geduld und Zähigkeit haben Benders MitstreiterInnen eine Ausbildungswerkstatt für Elektriker an der Secondary Industrial School Odaisat in Toth aufgebaut. Seit 2014 beginnen dort jedes Jahr 20 Jugendliche ihre Elektriker-Ausbildung im "deutschen Projekt", wie es dort heißt. Im vorigen Jahr wurden die ersten jungen Frauen in das Ausbildungsprojekt aufgenommen. Die künftigen Elektrikerinnen dürften in Ägypten eine Minderheit sein. Zwar können Mädchen problemlos Elektrotechnik studieren, doch wenn es um Berufsausbildung geht, werden sie zumindest in Oberägypten in die Näh- oder Malerwerkstätten gedrängt.
In diesem Oktober wurde endlich auch die Werkstatt für die Sanitärausbildung eingeweiht. Mehr als zwei Jahre hatten die Deutschen auf die notwendigen Unterschriften aus dem ägyptischen Bildungsministerium gewartet. Im vorigen Jahr war es so weit, die Werkstatt konnte endlich eingerichtet werden. Wie schon im Elektroprojekt hatten die Deutschen die Ausstattung in enger Absprache mit den ägyptischen Ausbildern und Ministeriumsverantwortlichen besprochen. Den Einkauf und die Montage organisierten die Lehrer vor Ort dann selbst. "Das ist wichtig", sagt Gesa von Leesen, Vereinsvorsitzende von GRUSSI, dem Trägerverein. "Wir wollen nicht aus Deutschland Material einführen und wir stellen uns nicht hin und erzählen den Kollegen in Ägypten, was sie brauchen. Das bringt nichts. Sie müssen sagen, was sinnvoll ist."
Seit 2013 fahren jedes Jahr vier bis sechs freiwillige Helfer aus Esslingen und Umgebung im Herbst für eine Woche nach Luxor, um die ägyptischen Lehrer mit ihrem Fachwissen zu unterstützen. Der ägyptische Ausbildungsleiter Taie Mohamed und zwei Kollegen waren vor fünf Jahren für ein längeres Praktikum in Esslingen. Taie Mohamed lernt seitdem deutsch – so können die deutschen Helfer und er sich mittlerweile einigermaßen verständigen, denn englisch sprechen die wenigsten Ägypter. Schon den Aufenthalt und die Weiterbildung der ägyptischen Ausbilder finanzierte der gewerkschaftliche Verein GRUSSI, der von den Firmen Metabo, Index, Heller und Belden unterstützt wird.
Projekt mit Strahlkraft bis nach Kairo ins Ministerium
Anfang Oktober dieses Jahres waren die Deutschen wieder vor Ort. Die sechs Fachleute machten zwei Tage lang Aufnahmetests mit den jugendlichen Bewerbern für die Elektro- und Sanitär-Ausbildung für das nächste Schuljahr. Jeweils 20 Ausbildungsplätze stehen im deutschen Projekt zur Verfügung. Mehr als 30 Jungs bewarben sich pro Ausbildungsgang und mussten im Test beispielsweise einen Stecker anschließen und nach Vorlage einen Draht mit einer Zange biegen. So zeigt sich, wie geschickt oder ungeschickt die Jungs mit Werkzeug umgehen. Diejenigen, die nach dem ausgeklügelten Bewertungsbogen keinen Platz ergattern, machen die "normale" dreijährige ägyptische Elektro-Ausbildung an der Berufsschule; das heißt, sie haben weniger Praxisstunden als die Azubis im deutschen Projekt.
Am dritten Tag haben die Deutschen mit den 20 angehenden Elektrikern des zweiten Ausbildungsjahrs eine Zwischenprüfung organisiert. So soll getestet werden, auf welchem Ausbildungsniveau die jungen Männer sind. Einer der leitenden deutschen Fachleute ist Fritz Bronni. Der 64-jährige Ausbildungsmeister für Mechatroniker und Elektriker ist von Anfang an bei dem Projekt dabei und nunmehr schon zum zehnten Mal dafür nach Luxor gereist. Sein Arbeitgeber, die Belden Electronics GmbH, ehemals Hirschmann, hat Teile der Einrichtung für die Ausbildungswerkstatt gespendet. Fritz freut sich jedes Mal über die Fortschritte, die die jungen Menschen machen. "Außerdem sehen wir, dass die Qualität der Ausbildung steigt. Das heißt, auch die Ausbilder werden besser."
So gut wie alle Jugendlichen, die bisher in diesem Projekt gelernt haben, fanden Jobs als Elektriker oder nutzten den Ausbildungsabschluss, um Elektrotechnik zu studieren. Saif Elgin aus Luxor, 20 Jahre alt und engagierter Schülersprecher, hält sein Abschlusszeugnis in Händen. Seit zwei Monaten hat er einen festen Job. "Ich will jetzt drei Monate lang arbeiten und Geld sparen, damit ich dann an die Hochschule kann", erzählt er.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!