KONTEXT:Wochenzeitung
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Zeichnen mit dem Meister

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 Fotos: Caricatura Galerie 

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Datum:

Kontext-Redakteur und -Karikaturist Oliver Stenzel hat an der 12. Sommerakademie für Komische Kunst der Caricatura Galerie Kassel teilgenommen – mit Comic-Ikone Gerhard Seyfried als Workshop-Leiter. In einem saharaheißen Seminarraum fertigten 20 ZeichnerInnen hunderte Cartoons und Skizzen. Ab Mitte September sind sie im Stadtmuseum Kassel zu begutachten – ein paar Einblicke vorab.

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Wie bildet sich ein Karikaturist eigentlich weiter? Studiengänge für Kunst oder Kommunikationsdesign mögen Techniken vermitteln, nicht aber, wie man eine treffsichere Pointe findet und sie visuell schlüssig umsetzt. Und so bleibt nicht viel mehr als das Vor-sich-hin-Arbeiten im stillen (oder auch nicht stillen) Kämmerlein daheim, zwischen Tuschestiften und -federn, Scanner, Aquarellfarben, Zeichenpad, und der stets wiederkehrende Blick auf den Monitor und die Bildersuche im Netz. Eine Situation, die das schleichende Sonderbar-Werden ungemein befördert. Eine andere Möglichkeit: Die Sommerakademie für Komische Kunst der <link http: www.caricatura.de external-link-new-window>Caricatura Galerie in Kassel, ein 2007 gestartetes, noch immer bundesweit einzigartiges Projekt, das sich mit einem jährlichen Workshop, so die Eigenbeschreibung, "der Aus- und Weiterbildung von Talenten aus dem Bereich des Komischen" widmet. Workshopleiter und -referenten waren in den vergangenen Jahren schon Zeichner wie Mario Lars, Beck und Til Mette, und in diesem Jahr eine veritable Comic-Ikone, ach was, -<link https: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne pop-stolizei-3362.html internal-link-new-window>Legende: Gerhard Seyfried!

Mit eher zurückhaltender Zuversicht habe ich mich da beworben – und fand mich am 28. Juli als einer der 20 TeilnehmehmerInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im saharaheißen Kassel ein. Manche haben auch schon mehrfach an der Sommerakademie teilgenommen, fast alle arbeiten schon länger als IllustratorInnen, CartoonistInnen oder KarikaturistInnen, neben, nun ja, "ordentlichen" Brotberufen oder Studium. Dass nur ganz wenigen hierzulande vergönnt ist, allein vom Zeichnen leben zu können, dämmerte den meisten wohl schon vorher, dass sich das kaum ändern wird, aber auch wenig mit eigenem Unvermögen zu tun hat, gehörte denn auch zu einer der vielen Erkenntnisse der Woche.

Doch wie sieht so ein Workshop überhaupt aus? Eine Woche lang wurde in einem allenfalls rudimentär klimatisierten Seminarraum der Kasseler Uni von morgens bis spätnachts gezeichnet, zu Themen wie "Hitze", "Heimat", "Drohnen" oder "verfremdete Wahlplakate". Dazu gab's Tipps zu Komposition, Details, Perspektiven oder Schattierungen vom überaus geduldigen, gänzlich unprätentiösen Meister Seyfried. Der verbat sich schon zu Beginn des Seminars das Siezen und bekannte am Ende, er habe sich vor dem Workshop überlegt, ob er als Feldwebel oder Weichei auftreten solle – und sich für das Weichei entschieden. Harte Kritik gab's daher selten, lehrreiche Ratschläge dafür nicht zu knapp. Nicht nur von Seyfried, sondern auch vom Münchner Cartoonisten und Maler Rudi Hurzlmeier, der als Tagesreferent Einblicke in die Kunst des Tierezeichnens und -malens gab und als Aufgabe denn auch "Tiere und Schönheitsoperationen" vorgab. Was bei den mittlerweile im Akkordzeichnen geübten SeminaristInnen manch herrlich skurrile Werke hervorbrachte.

Seyfried selbst genoss den Austausch und das Feierabend-Bier mit dem Nachwuchs, erzählte so manche Schnurre aus seinem langen Zeichnerleben. Etwa, dass <link http: www.spiegel.de einestages comic-zeichner-gerhard-seyfried-kreuzberg-und-die-hausbesetzer-a-1219928.html external-link>der "Spiegel" seine Rolle in der Berliner Hausbesetzerbewegung heillos übertreibe, was denn der mit ihm befreundete Freak-Brothers-Erfinder Gilbert Shelton für ein Typ ist ("lebt seit langem in Paris und geht immer nur bei Burger King essen"), dass Underground-Comics-Legende Robert Crumb trotz wüster Zeichnungen wohl ein sehr netter und umgänglicher Kerl sei, oder darüber, dass er noch mit 40 Jahren das Zeichnen nicht als seinen Beruf angesehen habe. Mittlerweile, <link https: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne wo-soll-das-alles-enden-5139.html internal-link-new-window>in diesem Jahr ist er 70 geworden, tut er das, leben kann er davon trotzdem nur so lala.

Nach sechs Tagen, literweise vergossenem Schweiß und mehreren hundert entstandenen Bildern und Skizzen gab's für alle schließlich eine Urkunde aus den Händen von Meister Seyfried. Die allein war alle Mühen wert – vom klugen Input und dem bereichernden Austausch mit den KollegInnen ganz zu schweigen. Was alles so entstanden ist, kann man <link http: www.stadtmuseum-kassel.info external-link-new-window>ab dem 14. September, 18 Uhr, im Stadtmuseum Kassel begutachten. Da werden in einer Ausstellung die Ergebnisse der diesjährigen Sommerakademie präsentiert, einen Katalog gibt's obendrein.


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