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Women's March in Heidelberg

Women's March in Heidelberg
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 Fotos: Joachim E. Röttgers 

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Am Wochenende haben etwa drei Millionen Frauen, vor allem Amerikanerinnen, rund um den Globus demonstriert. Gegen den neuen US-Präsidenten Donald Trump und für Respekt. In Heidelberg stieg der einzige "Women's March" in Baden-Württemberg. Und kaum einer hat über ihn berichtet.

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Das Wetter ist bombig auf dem Heidelberger Friedrich-Ebert-Platz. Strahlend blauer Himmel für diesen Aufstand der Frauen, als wäre der Herrgott selbst eine Frau, die für diesen Tag ihre schönste Sonne ans Firmament gepinnt hat. 

"Show me what democracy looks like!" brüllt die Vorschreierin ins Megaphon. "This is what democracy looks like!", ruft die Menge zurück. Zuerst leise und verhalten, die Schilder ragen noch etwas schäps in die Höhe, aber mit jedem Schritt entschlossener und lauter schiebt sich der Tross der Frauen durch die sauberen Fachwerkgassen der samstags-vollen Einkaufsmeile. Vorbei an irritierten Terriern in Wintermänteln, Männern, die das Spektakel mit dem Handy filmen, Frauen, die überrascht und lachend am Rand stehen. Die Unentschlossenheit ist ihnen anzusehen, die Lust, sich da einzureihen in diesen gutgelaunten Protestmarsch.

Rund tausend Demonstrantinnen laufen am Nachmittag in Heidelberg auf dem einzigen Ableger des <link https: www.womensmarch.com _blank external-link>"Women's March on Washinton" in Baden-Württemberg. Sie verwandeln die Eiseskälte der Universitätsstadt in Hitze der Entschlossenheit, in Mut und Lust am Widerstand. Sie sind ein Teil der rund drei Millionen Menschen starken Frauenprotest-Bewegung, die am Samstag nach der Amtseinsetzung von Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten demonstriert. 

"Susan! Oh my God, you are here!" quietscht eine Frau und schießt gleich ein Selfie samt Susan und deren Plakat: "If boys will be boys, women will be revolutionary", steht da – glänzend und bunt. Etwas weiter vorne ruckelt "My body – my choice" im Takt der Schritte über der Menge, daneben "Fight like a girl" und "My favourite F-word is feminism", eine Frau hält ein großes, mit Perlen behangenes Peace-Zeichen in die Luft, bis ihr die Arme wehtun. "Und das alles nur, weil Trump Präsident geworden ist?", fragt ein junger Schnösel, der da am Straßenrand steht, seinen Kumpel mit Haartolle. Dann klemmt er doch die Bierflasche untern Arm und macht schnell ein Foto. 

500 000 Frauen (ok, und ein paar Männer) demonstrierten beim Hauptmarsch in Washington, je nach Zeitverschiebung sprenkeln mehr als 600 Schwesternproteste auf jedem Kontinent Straßenzüge, Stadtteile, Parks und Plätze mit selbstgestrickten Mützen rosarot. Sie demonstrieren für Frauenrechte, für Menschenrechte, für die Rechte all derer, die anders lieben als die Norm, anders aussehen, anders leben als dieser neue, weiße, reiche, chauvinistische Mann an der Spitze der USA. Sie demonstrieren für Gerechtigkeit und Frieden auf dieser derzeit so sehr gequälten Welt.

Eine ältere Dame in schwarzem Pelz ruft ihrer Freundin im braunen Pelz zu, sie solle nicht auf sie warten, "Ich geh jetzt da mit!" und schert entschlossen in eine Lücke ein. "Der ist jetzt gewählt, das muss man schlucken, aber Bauchweh hab' ich, was den Herrn Trump angeht", sagt sie. "Eigentlich sollten alle Menschen demonstrieren", sagt Emily Napier, 44, eine Amerikanerin zwei Reihen weiter hinten. Sie redet sich in Rage, über die Herablassung dieses neuen Präsidenten, gegenüber Frauen, Behinderten, Homosexuellen, über so viel Macht in der Hand eines so schrecklichen Manns. Das alles sei "very frightning" – äußerst furchterregend.

In Kopenhagen sind 5000 DemonstrantInnen unterwegs. In Danzig marschiert die Feministyczna Brygada Rewolucyjna mit Regenbogenfahnen und Trommeln. In Beirut im Libanon gibt es einen Workshop zum Thema Frauenrechte, auf Mauritius ein Seminar darüber, wie mit wenig Mitteln Großes erreicht werden kann. In Myanmar ist statt Protestzug ein Solidaritäts-Picknick im Mahabandoola Park angesetzt, weil AusländerInnen dort politische Aktivitäten verboten sind. Alicia Keys twittert "No matter where you were today … We sent a powerful message!" 

In Heidelberg – mehr als 6000 Kilometer Luftlinie entfernt vom Weißen Haus – läuft zwischen all den Frauen auch ein kleiner, gebückter Mann. "Wenn es hier nur ein Marsch gegen etwas wäre, dann wäre ich nicht mitmarschiert", sagt Fletcher DuBois, 68, schwul. In den Siebzigern kam er als Musiktherapeut aus den USA nach Heidelberg. "Aber es geht um Menschenrechte. Das ist ein Marsch für den Frieden in aktiver Gewaltlosigkeit", sagt er, so notwendig, weil es auf der Welt gerade so viele Dinge gebe, die ihn sehr deprimierten. "Love not hate, makes the world great!", rufen hunderte Frauenstimmen hinter ihm. "Das", sagt der Alte, "ist doch ein fantastisches Motto."

 

Zur Fotostrecke geht's mit Klick auf das Bild über dem Text.


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5 Kommentare verfügbar

  • Schwabe
    am 28.01.2017
    Antworten
    Gegenrede (auch als Video - auf Facebook) zu Trumps Antrittsrede von Kashama Sawant, linke Stadträtin (Sozialistin) in Seattle:
    https://www.sozialismus.info/2017/01/kshama-sawant-antwortet-auf-trump/
    Video: https://www.facebook.com/drjillstein/videos/1466636836709835/
    Kashama Sawant: Trump hat…
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