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Der Studentenführer in Hitler-Pose

Der Studentenführer in Hitler-Pose
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Am 7. März 2015 wäre Rudi Dutschke, Galionsfigur der 68er-Studentenbewegung, 75 Jahre alt geworden. Dass er schon im Dezember 1979 starb, war die Folge eines Mordanschlags vom 11. April 1968. Unter den Studenten machten damals viele den Springer-Verlag für das Attentat verantwortlich, da dessen Zeitungen monatelang gegen "linke Randalierer" gehetzt hätten. Eine Galerie mit Karikaturen aus Springer-Blättern aus dieser Zeit.

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"Springer - Mörder! Bild hat mitgeschossen!" Diese Slogans skandierten viele Demonstranten am 12. April 1968 in Berlin, einen Tag, nachdem Rudi Dutschke von dem 24-jährigen Münchner Hilfsarbeiter Josef Bachmann durch drei Schüsse lebensgefährlich verletzt worden war. Dass der Springer-Konzern, der durch seine Zeitungen Bild, Die Welt, Berliner Morgenpost und B.Z. eine gewaltige Meinungsmacht nicht nur im damaligen West-Berlin darstellte, für das Attentat zumindest mitverantwortlich war, galt als ausgemacht; immerhin hatten die Blätter des Konzerns monatelang aggressiv gegen die Studentenbewegung agitiert.

Attentäter Bachmann hatte bei seiner Verhaftung kein Springer-Blatt, sondern einen Ausschnitt der rechtsradikalen Deutschen Nationalzeitung bei sich. Die Slogans indes wirkten austauschbar. Auf dem Nationalzeitungs-Ausschnitt vom 22. März 1968 stand zu lesen: "Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt es Bürgerkrieg." Schon einige Wochen vorher, am 7. Februar, rief ein Artikel der Bild-Zeitung unter der Überschrift "Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!" kaum verhohlen zum Handeln auf: "...man darf auch nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen."

Für Rudi Dutschkes erst nach seinem Tod geborenen Sohn Marek ist dabei "unerheblich, ob Josef Bachmann selbst die 'Bild'-Zeitung gelesen oder die Parolen irgendwo aufgeschnappt hat, als er beschloss, meinen Vater zu erschießen. Die Parolen der Springer-Presse waren längst in die Mitte der Gesellschaft gedrungen", schreibt er 2012 in einem Gastbeitrag für den Spiegel.

Dass die Parolen der Springer-Blätter damals zumindest denen eines Großteils der Gesellschaft nicht fern waren, legt eine Großdemonstration von 80 000 Menschen gegen die Studentenbewegung in Berlin am 21. Februar 1968 nahe, auf der immer wieder "Dutschke raus!" skandiert wurde und Transparente mit Aufschriften wie "Dutschke, Volksfeind Nummer eins" zu sehen waren. Schürte Springer den Hass auf die Studentenbewegung oder versuchten seine Zeitungen eher, bestehende Ressentiments zu bedienen? An Deeskalation, soviel lässt sich sagen, waren die Verlagsblätter jedenfalls eher nicht interessiert.

Keulenbewehrt und affenbehaart: Linke Studenten als Feindbilder

Die Ikonographie der linken Bedrohung lieferten dabei auch die Karikaturisten der Springer-Blätter, allen voran der für die Berliner Morgenpost und Bild arbeitende Hans-Joachim Stenzel (nicht mit dem Autor dieser Zeilen verwandt), der stets mit dem Kürzel "zel" signierte. Die von ihm gezeichneten Studenten sind "rauhe Muskelprotze, keulenbewehrt, affenbehaart, pflasterverklebt. Intellektuelle Gorillas, mit denen der AStA der FU ganze Gangsterfilm-Serien bestücken könnte", wie es das linke Informationsblatt "Berliner Extra-Dienst" schon im Dezember 1967 recht treffend beschreibt.

Auch die anderen Karikaturisten des Verlags schießen, meist wenig subtil, gegen die Studentenbewegung, "doch keiner versteht den braven Bürger so schön das Gruseln zu lehren wie '-zel'", so der Extra-Dienst. Stenzels stereotype Randalierer folgen dabei, so abstrus die Darstellung meist wirkt, alten Traditionen der Feindbilddarstellung: Der grobschlächtige Barbar mit Keule, mal bedrohlich wirkend, mal eher dümmlich, gehörte schon im 19. Jahrhundert zum Fundus der Karikaturisten, wenn es galt, den Gegner zu markieren und herabzusetzen.

Dutschke ist dabei eher selten das Objekt der Karikaturisten, ganze vier Karikaturen über ihn finden sich für die Jahre 1967 und 68 in den Springer-Zeitungen. Doch darunter ist eine der infamsten: Für die B:Z. vom 15. Februar 1968 zeichnet ihn Paul Labowsky in offensichtlicher Hitler-Pose zu Anhängern sprechend, eine Hand hinter dem Rücken, die andere wie an einem Koppelschloss in den Gürtel eingehakt. Und damit nur keine Zweifel an der Analogie aufkommen, steht in SS-Runen "SDS" auf seinem Gürtel geschrieben und unter dem Bild ein Zitat: "Als ich vor Jahren als unbekannter Student..."

Faschismus-Analogien sind, neben der häufigeren Beschwörung einer kommunistischen Gefahr durch die Studenten, keineswegs selten in den Karikaturen und Artikeln dieser Jahre. Ein Damm scheint zu brechen, als am 2. Februar 1968 die Scheiben von sechs Berliner-Morgenpost-Filialen mit Steinen eingeschmissen werden. Niemand kommt zu Schaden, doch in den Springer-Blättern entfaltet sich Furor.

"Etliche Karikaturen waren verleumderisch"

Die Palette der dabei bemühten Vergleiche wirkt heute regelrecht hanebüchen: Eine Karikatur in der Bild vom 3. Februar 1968 stellt die Reichspogromnacht 1938 und die "neuen" Steinwürfe nebeneinander, und in der Berliner Morgenpost gleichen Datums steht auf der Titelseite: "So finge es schon einmal an in Deutschland: Fast genau 35 Jahre nach der 'Machtergreifung' und dem folgenden Terror gegen Andersdenkende flogen in Berlin wiederum Steine." Von "SA-Methoden" ist die Rede, selbst der Berliner Justizsenator Hans-Günter Hoppe spricht von "faschistischen Methoden". Vor dem Hintergrund dieser Radikalisierung ist zu verstehen, dass knapp zwei Wochen später Dutschke als Nachwuchs-Hitler karikiert werden konnte, ohne dass dies einen großen Aufschrei hervorrief.

"Etliche Karikaturen, die damals in den Blättern des Verlages erschienen, waren verleumderisch", da gebe es nichts zu beschönigen, sagt 2010 der damalige Chefredakteur und Herausgeber der Welt-Gruppe Thomas Schmid anlässlich der Vorstellung der vom Springer-Verlag zusammengestellten <link www.medienarchiv68.de _blank>Onlinedokumentation Medienarchiv68</link>. Die Internetseite umfasst alle Seiten von Springer-Titeln, auf denen zwischen 1966 und 1968 Beiträge zur Studentenbewegung zu finden sind - der Verlag will seine Rolle offenbar aufarbeiten. Zumindest ein Stück weit. Denn Schmid gibt 2010 auch zu Protokoll, dass der Korpus der Texte und Karikaturen, die ganz klar Hetze seien, viel kleiner als erwartet sei. Nach dem Attentat auf Dutschke, davon kann sich nun jeder überzeugen, titelte etwa Bild am 13. April 1968: "Millionen bangen mit".

Eine differenziertere Sicht ist also nötig? Das Bemühen darum ist nie verkehrt, und doch begegnet man verlässlich auch nach dem Attentat an Dutschke in den Springer-Blättern immer wieder Beiträgen, die man kaum anders als demagogisch nennen kann. Da scheint schon in einer Karikatur vom 14. April 1968 in der Berliner Morgenpost das alte Feindbild wieder komplett, wenn zwischen Studenten, die neben dem Springer-Verlag auch Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und den Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz als "Mörder" anklagen, der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht "im Geiste" mitmarschiert. Und der Kommentar von Rudolf Stiege direkt darüber ordnet das Ganze voll heute befremdlich wirkender Paranoia ein: "Der niederträchtige Mordanschlag auf Rudi Dutschke hat die Radikalen und Gewalttätigen nicht zur Besinnung gebracht... Die Gewalttat an Dutschke wird von den Linksextremisten als Feigenblatt eigener Gewalttätigkeit gebraucht... Erinnerungen an den Untergang der Weimarer Republik drängen sich auf, vor allem in Berlin... Aus Ost-Berlin lassen sich ohne weiteres genug 'Demonstrierer' einschleusen, die von Pankow je nach Lage an kurzer oder langer Leine geführt werden. Hier zeichnet sich die langfristige politische Strategie ab. Sie weist auf die schleichende Machtübernahme Ulbrichts in West-Berlin."

Es kam dann, wie wir mittlerweile wissen, eher anders herum. Dutschke hat es nicht mehr erlebt.


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5 Kommentare verfügbar

  • maguscarolus
    am 04.03.2015
    Antworten
    Die Beiträge von dem Herrn Dr.Gscheidle sind derart dick aufgetragene "Bullenkacke", dass es schon wieder gar nicht komisch ist – selbst als Satire nicht.
    Was dieser Mensch um seine "Netz-Persönlichkeit" für Geschichten strickt, wie er sich ausdrückt und was er inhaltlich von sich gibt ist nicht zu…
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