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Nur Augen für Majolika

Nur Augen für Majolika
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 Fotos: Benny Ulmer 

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Datum:

Die Karlsruher Majolika ist die letzte Majolika-Manufaktur in Deutschland. Großherzog Friedrich I. hat sie vor mehr als 100 Jahren gegründet. Günther Oettinger hat sie geliebt. Der LBBW hat sie gehört, dann hat die Bank sie abgestoßen. Über viele Jahrzehnte verlor die Werkstätte langsam aber stetig immer mehr ihres einstigen Glanzes. Jetzt wird sie entstaubt. Der neue Chef möchte sie zu einem Wahrzeichen Baden-Württembergs machen.

Eva Schäuble ist Malerin.

 

Sie malt Bilder mit Klang des Alten und erfindet neue Ausdrücke für neue Formen.

 

Für die Majolika-Manufaktur lebt sie die "Sloterdijk-Gefäß-Philosophie", sagt sie. Alles ist ein Gefäß. Der Kopf eines für die Gedanken, der Bauch für eine Geburt, die Welt für das Leben. Die Augenschalen, sagt sie, sind für Erdnüsse.

Den Deutschen habe die "weiße Moderne", der Bauhaus-Stil, die ganze Farbigkeit genommen. Weißes Geschirr erbt man, Bäder sind klinisch weiß, Wände weiß und sauber. Italiener, sagt sie, haben keine Angst vor bunten Tapeten.

Majolika nennt man Keramiken, die mit einer deckenden weißen Zinnglasur überzogen sind und anschließend bemalt werden.

 

Traditionell stammt die Technik aus Holland, Persien, Spanien und Italien. Der Begriff Majolika ist von "Mallorca" abgeleitet. Vor allem von dort aus verbreitete sich die Keramikmalerei. Sogar bis nach Karlsruhe.

 

Die Majolika-Manufaktur in Karlsruhe ist die letzte verbliebene Keramik-Manufaktur in Deutschland. Ein badisches Kleinod, ein Perle. Und hochdefizitär. Eigentlich schon seit ihrer Gründung 1901 durch Großherzog Friedrich I. Dafür mit einer Goldmedaille ausgezeichnet 1904, auf der Weltausstellung in St. Louis, Amerika.

Die bunten Keramiken standen damals in Vitrinen, auf Esstischen und Telefontischchen all derer, die etwas auf sich hielten, sie waren Sammlerstücke, Gebrauchsgegenstände, Schmuck und Zierde.

Dann kam Walter Gropius, kam Mies von der Rohe, und brachte das Weiß für das Bunt. Später kam Ikea mit Einkaufshallen voller Tassen, Töpfchen, Tiegelchen, Schalen, Bechern. Günther Oettinger, der Keramik-Sammler und Majolika-Liebhaber, die Schnittstelle der bunten, zerbrechlichen Kunst zur CDU, zur Politik, zum Geld, verschwand aus Stuttgart und ging nach Brüssel. Dann kam die Wirtschaftskrise, der Regierungswechsel. Der Majolika-Eigner LBBW hatte plötzlich andere Probleme, als einen hochdefizitären Betrieb weiter zu unterstützen.

 

In der dortigen Manufaktur werden einerseits Auftragsarbeiten gefertigt, zum Beispiel Becher für das Karlsruher Stadtjubiläum, Preise für die IHK oder den Drogeriemarkt dm. Andererseits arbeiten in den Ateliers auch Künstler, die individuelle, einzigartige Objekte herstellen. Manchmal auch etwas skurrile.

 

Rosemarie Vollmer malt Bilder in Öl, fertigt bunte Kirchenfenster aus Glas, verziehrt Kirchenglocken und bemalt Badezimmerfliesen. "Gelb ist fröhlich, blau das Wasser, und schwarz, das klärt."

Netze von Pfirsichen macht sie zu Stempeln.

Ihr erstes Bild hat sie als junge Frau an einen Zahnarzt verkauft. Daran erinnert sie sich wie heute. Von dem Geld ist sie nach Indien in den Urlaub geflogen.

Eigentlich war die Form des Bambi eine Majolika-Erfindung. 1936 fertigte die Heidelberger Tierbildhauerin Else Bach das Reh. Leider wurde versäumt, sich die Rechte an der Form zu sichern. Für den Preis drehte man den Kopf des Tiers einfach um 180 Grad.

 

Dafür machen sie heute Fohlen. Hier für die IHK.

 

2011 lag es brach, das ehemals strahlende badische Kleinod. War ungeliebt. Ausgeblutet. Klinisch tot und begraben unter einer dicken Schicht alten, grauen Staubs. 

"Aus für Karlsruher Majolika" titelte selbst BILD.

Aber an einem Dienstag im Juli 2011 beschloss der Karlsruher Gemeinderat, seine Manufaktur zu retten. Eine Stiftung wurde eingerichtet, zu den Gründungsstiftern der "Majolika Stiftung für Kunst- und Kulturförderung" gehört die Stadt, Ehrensenator Wolfgang Eichler und die Sparkasse Karlsruhe Ettlingen. Sie stellten Dieter Kistner, Versicherungsmakler und Unternehmensberater, als neuen Geschäftsführer ein.

 

 

"Mit ganzer Kraft engagieren!", sagt er damals und begann, den Staub von all den Vasen, Tassen und Töpfen zu wischen, von den Goldglasuren, den roten, gelben, grünen Ornamenten, den Figuren auf den Tellern, den gut gelaunten Punkten auf Badezimmerfliesen, von den kleinen Kunstwerken auf Espressotassen und den ganz großen Gemälden auf Tischplatten.

 

Fujiwara Hirofumi fertigt im Auftrag einer Schule mit IT-Schwerpunkt ein Kind, das aus Tastaturen erwächst.

Er kommt aus Hiroshima. Seine Mutter brachte ihm bei, er solle einen Beruf lernen, der ihn ausfüllt. "Eine Firma kann schließen, dann ist sie weg. Aber du musst mit dir weiterleben." Also wurde er Künstler, zog nach Karlsruhe, studiert heute an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste und arbeitet in der Majolika.

 

Dieter Kistner möchte die bisher nur badische Manufaktur auch den Württembergern ans Herz legen, die "Majolika Keramik Manufaktur Karlsruhe" zu einem Wahrzeichen des ganzen Landes machen. Wenn die Landesregierung auf Auslandsreise geht, was spräche dagegen, dort ein Gastgeschenk aus Keramik zu überreichen? Goldmedaillengekrönt, krisengestärkt. Original Baden-Württemberg.

Kistner zwinkert. Bei Winfried Kretschmann war er schon. "Klang ganz gut", sagt er mit einem Schmunzeln.

 


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2 Kommentare verfügbar

  • Caesar von Struwe
    am 04.09.2014
    Antworten
    Endlich mal was Erholsames für die Leseaugen. Ein paar Hinweise über die Adresse der Handarbeitsfirma, Ansprechmaler und Telefon-Adressen oder Preise und Öffnungszeiten hätten mich auch noch interessiert. Danke
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