Mit einem Bürgerbegehren wollte die Initiative "Bahnhof mit Zukunft" die Bebauung eines Teils der Gleisfläche vor dem Stuttgarter Kopfbahnhof verhindern, SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch war einer der Initiatoren. 20.000 Unterschriften innerhalb von drei Monaten wären nötig gewesen, um einen Bürgerentscheid in die Wege zu leiten – dabei gab es Unstimmigkeiten zwischen Stadt und Initiative, wann die Frist enden würde. Am 22. Oktober wurden schließlich die letzten Unterschriften abgegeben, insgesamt waren es knapp 24.000 (Kontext berichtete hier, hier und hier). In der Woche darauf verkündete die Stadt, dass alle Unterschriften ausgezählt sind – und 165 gültige fehlen, um das Quorum zu erreichen.
Herr Rockenbauch, wie ist die Gefühlslage?
Durchwachsen. Wir haben fast 24.000 Unterschriften gesammelt. Das ist einfach stark und das kann uns niemand nehmen. Dazu kommt, ich bin in den letzten Tagen vor der Abgabe zum Sammeln von früh bis spät Straßenbahn gefahren und in der Bahn trifft man auf Stuttgart jenseits der eigenen Bubble, auf ganz Stuttgart. Natürlich habe ich viele Menschen getroffen, die nichts mehr von Stuttgart 21 hören wollen. Der Frust sitzt zu tief. Es gibt aber auch viel Zuspruch und sehr viele, die wissen wollten, wie der Stand der Dinge ist, ob Widerstand überhaupt noch sinnvoll ist. Das wäre – oder genauer: das ist – ja der Reiz des Bürgerbegehrens, dass noch einmal breit in der Stadtgesellschaft diskutiert wird über die Entwicklung unserer Stadt und was heute am Bahnhof zu tun ist, nach allem, was wir wissen über das Projekt, über die Finanzierung, aktuell über die Riesenkosten, die der Stadt schon allein zur Erschließung von Stuttgart Rosenstein entstehen werden.
Das klingt, als gäbe es eine realistische Hoffnung, das Bürgerbegehren doch noch auszulösen.
Auf jeden Fall werden wir das Ergebnis nicht einfach hinnehmen, ohne jede Nachvollziehbarkeit. Wir werden den Umgang mit uns juristisch prüfen lassen. Die Rathausspitze hat sich im gesamten Verfahren nicht neutral, sondern als Gegenspieler unseres Bürgerbegehrens verhalten.
Haben Sie den Verdacht, dass die Stadtverwaltung foul gespielt hat?
Auf jeden Fall ist verdächtig, wie sich der Umgang mit dem Bürgerbegehren im Statistischen Amt geändert hat. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis gehabt, wir haben Unterschriften nach und nach übergeben, damit das Auszählen erleichtert wurde. Das Vorgehen war wirklich transparent. Gleich zu Beginn hatten wir einen Fehler gemacht und geglaubt, wir liefern die ersten 400 Listen, es waren aber nur 350. Sofort kam ein Hinweis und wir konnten nachvollziehen, dass wir einen Fehler gemacht hatten. Außerdem hatten wir Transparenz über die Gesamtzahl der ungültigen Unterschriften und eine genaue Aufstellung nach unterschiedlichen Gründen wie zum Beispiel kein Wahlrecht. Wir hatten wirklich ein sehr gutes Gefühl und sind ordentlich behandelt worden.
Hatten?
Das ist völlig gekippt. Auslöser war vermutlich die Diskussion über die Fristen zur Abgabe und die Kritik am Oberbürgermeister. Wir hatten davor Kontakt mit dem Stadtjuristen. Wir sind aber überhaupt nicht weitergekommen. Und irgendwann, das stimmt, bin ich öffentlich deutlich geworden, weil es so nicht weitergehen konnte. Wir sind ehrenamtlich tätig und angewiesen auf die ernsthafte, angemessene Beratung durch die Verwaltung. Die gab es dann aber nicht mehr. Auch der Oberbürgermeister hat nie den Kontakt zu uns gesucht oder den Kontakt ermöglicht. Bei seinem persönlichen Referenten war immer Endstation, der war immer dazwischengeschaltet. Das ist doch unmöglich. Und der hat dann auch willkürlich gesagt: Wir nehmen den 15. Oktober als Datum. Das Datum 15. Oktober hat die Stadt auch auf ihrer Homepage als Ende der Frist veröffentlicht.
War es aber nicht.
Weil es reine Schikane war, eine vorauseilende Fristverkürzung. Nach der Rechtsauffassung der Stadt ist der Tag des Beschlusses über das Gelände fristauslösend für die Unterschriftensammlung. Die Fachleute von Mehr Demokratie e.V. weisen aber darauf hin, dass nach Gemeindeordnung erst die offizielle Bekanntgabe des Beschlusses die Frist auslöst und bisher kein einziges Bürgerbegehren in Baden-Württemberg anders gelaufen ist.
Also wurde bis 22. Oktober weitergesammelt. Nach Auszählung und Kontrolle der Unterschriften durch die Stadt sind aber eben auch nicht die notwendigen 20.000 Unterschriften gültig, sondern 165 weniger.
So heißt es. Wir können das aber weder bestätigen noch bestreiten. Wir wollen Einsicht nehmen. Und wir prüfen, ob Einflussnahme durch den OB, was das Fristende angeht, noch ein juristisches Nachspiel hat. Denn klar ist, die Verlautbarung des OBs, in der er am 15. Oktober unser Bürgerbegehren für beendet erklärt hat, hat uns das Weitersammeln fast unmöglich gemacht. Wir habe sogar Rückmeldungen, dass Leute nach dieser Mitteilung bereits unterschriebene Listen weggeworfen haben, weil sie dachten, es mache jetzt keinen Sinn mehr.




4 Kommentare verfügbar
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Antworten
Das ganze stinkt mir ziemlich offensichtlich nach dem Versuch, den Bürgerentscheid generell verhindern zu wollen. Ich glaube der Stadtverwaltung bis zur Einsicht der Vertrauensleute kein Wort. Immobilien-NOpper schon dreimal nicht.
Kommentare anzeigenWolfgang Weiss
vor 6 StundenIch halte es für nicht ausgeschlossen, dass es ein juristische…