Aktuell führt Aras, seit Juli 2024, für ein Jahr den rollierenden Vorsitz der Konferenz der Landtagspräsident:innen. Bereits die zweite Legislaturperiode im Amt, machte die Grüne von Anfang an durch die Auswahl von Reisezielen auf sich aufmerksam. So besucht die Tochter alevitischer Kurden, die mit zwölf Jahren nach Filderstadt bei Stuttgart kam, seit 2017 konsequent Gedenkorte der NS-Judenverfolgung im Land. In den Augen der AfD steht ihr das aber gar nicht zu: Emil Sänze, der Rottweiler Abgeordnete und Landesvorsitzende, sprach ihr mehrfach wegen ihrer Herkunft das Recht ab, sich überhaupt zur Naziherrschaft in Deutschland zu äußern: "Es fällt schon auf und wirkt peinlich, mit welcher geschmacklosen Verve unsere Landtagspräsidentin den deutschen NS-Schuldkomplex wieder für ihre politische Migrantengesellschaft-Agenda instrumentalisiert", sagte er mal. Ihre Vorfahren hätten nichts zur Geschichte des Landes beigetragen und keine Opfer gebracht, daher brauche man von ihr keine Belehrung über den Holocaust und keine "Delegitimierung des gewachsenen deutschen Staatsvolkes".
Prägnanter lässt sich völkisches Blut-und-Boden-Denken kaum darstellen. Und es könnte sich bald auch bei einem oder sogar zwei von Aras' Amtskollegen finden. Nach der Landtagswahl in Thüringen am vergangenen Sonntag, wo die AfD stärkste Partei wurde, könnte es dort einen rechtsextremen Parlamentspräsidenten geben – auch wenn die größte Fraktion streng genommen nur ein Vorschlagsrecht für dieses Amt besitzt. Das Gleiche droht in Brandenburg, wenn am 22. September die AfD auch dort Platz eins erobert. Sie dürfte ebenfalls markante Duftmarken setzen. Die Verlockung, nicht nur vor dem eigenen Anhang, sondern als oberster Repräsentant eines Landtags und formal zweithöchster Repräsentant nach den jeweiligen Regierungschef:innen aufzutreten und AfD-spezifische Botschaften in den Parlamentsbetrieb einzubringen, wird beträchtlich sein. Andere Präsident:innen agierten doch auch politisch, wird es heißen. Diese Scheinlogik unterschlägt, dass bisher keine andere Partei vom Verfassungsschutz das Prädikat "gesichert rechtsextrem" verliehen bekam.
Aras macht sich für Forschung zur NS-Zeit stark
Viele von einer breiten Öffentlichkeit unbeachtete Vorgänge im Alltag der Parlamente sind hoch bedeutsam für die Außen- und Innendarstellung von Demokratie. Aras hat sich erst kürzlich erfolgreich für die Finanzierung eines Forschungsprojekts starkgemacht, das untersucht, ob im Landtag ausgestellte Kunstwerke, dargestellte Persönlichkeiten sowie die Kunstschaffenden durch den Nationalsozialismus belastet sind. Im zweiten Teil werden mögliche NS-Belastungen bei Abgeordneten der südwestdeutschen Parlamente zwischen 1946 und 1956 durchleuchtet. Aras nennt "die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in allen Bereichen der Gesellschaft und damit in den Landesparlamenten einen zentralen Baustein unseres Versprechens: Nie wieder."
Mehrere Landtage befassen sich gegenwärtig mit den Jahren vor 1933 oder mit den Wochen und Monaten unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung der Nazis. Das rheinland-pfälzische Landesparlament in Mainz zum Beispiel beschäftigt sich mit den frühen Konzentrationslagern. Sogar wählen gehen, unausgesprochen oder ausgesprochen gegen rechts, ist Thema. Für Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben die Landtagspräsident:innen, parteiübergreifend der Linken, der CDU und der SPD, Mitte August eine bemerkenswerte gemeinsame Erklärung präsentiert, in der sich der Dresdener Matthias Rößler deutlich absetzt von seinem CDU-Parteifreund und Ministerpräsidenten Michael Kretschmer.
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Wes
am 09.09.2024