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Anton Baron, AfD

Lächeln und hetzen

Anton Baron, AfD: Lächeln und hetzen
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Er ist Beleg dafür, dass der Ton nicht immer die Musik macht: Anton Baron, der neue AfD-Fraktionschef im Landtag, kann Verdrehungen, Lügen und Aggressionen ausgesprochen verbindlich vortragen. Tief blicken lässt, wo sich der 35-Jährige in seiner Partei selber verortet.

So also sieht sie aus, die selbsternannte Mitte der AfD im Stuttgarter Landesparlament, zu der sich auch Anton Baron zählt. "Uferlose illegale Zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen hat einen entscheidenden Anteil an allen Zerfallserscheinungen", sagt der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Hohelohe in der Haushaltsdebatte vor Weihnachten. Die Asylpolitik hält er für "die Mutter aller Probleme", Städte für unregierbar, heimische Gefängnisse für "eine Art Vergnügungspark hinter Gittern", in dem Ressourcen für Resozialisierung verschwendet werden. Den Leistungsabfall "ins Bodenlose" an den Schulen haben natürlich die Kinder und Jugendlichen auf dem Kerbholz, die kein Deutsch sprechen. Das ganze Land sieht er in grüner Geiselhaft und zum Schoßhündchen verkommen die CDU, "bei der politische Grundsätze schon lange nichts mehr zählen".

Die Liste einschlägiger Zitate aus Landtagsreden ließe sich noch deutlich verlängern. Als Zwischenrufer ist Anton Baron, jüngst zum neuen AfD-Fraktionschef gewählt, schnell und in seiner Wortwahl verlässlich unverschämt. Etwa wenn er den anderen Fraktionen – für ihn wahlweise das Altparteienkartell oder die herrschende politische Kaste – Selbstbedienung vorwirft. Im SWR-Interview nach seiner überraschenden Wahl will er vom Einfluss des völkisch-nationalen Flügels in Partei und Fraktion im Südwesten nichts wissen: "Es ist uns fremd, dass wir rechtsextreme Aussagen tätigen."

Die AfD will Prüfungen schon in der Kita

Von Sachpolitik kann allerdings auch kaum die Rede sein: Vier Gesetzentwürfe hat die AfD seit Beginn der Legislaturperiode vorgelegt. Einen zur Schaffung sogenannter Schulvorbereitungsgruppen, die alle Fünfjährigen besuchen müssen mit Prüfungen und Zeugnissen schon im Kindergarten. Und einen anderen zur Einführung von Sachleistungen für Asylbewerber:innen. Damit werde ein wesentlicher Pull-Faktor für illegale Einwanderung ausgeschaltet, "Bargeldbesitz ermöglichende Geldleistungen" seien auszuschließen. Eine Idee "mit Vernunft", die Baron immer wieder zur Lösung der aus seiner Sicht mit der Aufnahme von Flüchtlingen verbundenen Probleme anbietet.

Dabei ist er selber nicht in Baden-Württemberg geboren. Seine Eltern stammen aus dem heutigen Kasachstan. Mit vier Jahren kam die russlanddeutsche Familie ins Hohenlohische. Die Manieren, seine umgängliche Art unterscheiden Baron erheblich von den Rabauken in seiner Fraktion. Nach der Mittleren Reife macht er eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik, danach studiert er Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitet als Produktmanager. Auf seiner Homepage nennt er sich – in der dritten Person – einen Abgeordneten, der für eine AfD steht, "die die Demokratie und die Familie stärken will, mit Vernunft und Weitsicht politische Entscheidungen trifft und die Bürger in den Prozess einbindet". Und weiter: "Von Extremismus jeder Art distanziert sich Baron." Seit 2014 ist er Mitglied der AfD, die er für "konservativ im klassischen Sinne" hält, für "freiheitlich, patriotisch und stolz darauf, Deutsch zu sein, stolz darauf, was vergangene Generationen erreicht und aufgebaut haben". 2016 ist er mit 17 Prozent der Stimmen gewählt worden, 2021 waren es immer noch weit überdurchschnittlich 14 Prozent. Er war jugend- und wohnbau- sowie handwerkspolitischer Sprecher und auch schon Fraktionsgeschäftsführer.

Baron kassierte Ordnungsruf

Den von seinem Vorgänger Bernd Gögel mitinitiierten Appell gegen den parteiinternen besonders rechten "Flügel" des Parteifreunds Björn Höcke unterzeichnete Baron mit. Er plädiert für die weitere Nutzung der Atomenergie und machte mit bei der umstrittenen Online-Plattform "Faire Schule". Eltern konnten unter verschiedenen Rubriken wie "politische Beeinflussung" und "Neutralität", "Gewalt an der Schule" oder "Mobbing" sogenannte "Vorfälle" eintragen, die Plattform zielte darauf ab, den Initiatoren politisch missliebiges Lehrpersonal zu melden.

Als vor einem Jahr der Calwer AfD-Abgeordnete Miguel Klauß über Frank Walter Steinmeier herfällt, ihn einen Spalter, einen Hetzer und den schlechtesten Bundespräsidenten aller Zeiten nennt, wird der für drei Sitzungstage aus dem Plenum ausgeschlossen. Aber Baron bekommt nachträglich einen Ordnungsruf für diese Äußerung: "Wenn ein Bundespräsident in einer Ansprache die Demonstranten als Staatsfeinde bezeichnet, der spaltet und hetzt gegen Teile der Gesellschaft." Steinmeier hatte in einer Gesprächsrunde über "Hass und Gewalt in Zeiten der Pandemie" erklärt, dass "wer sich gegen unser Recht stellt und sich mit selbsterklärten Staatsfeinden und verfassungsschutzbekannten Rechtsextremisten gemein macht, sich nicht mehr glaubwürdig auf Demokratie und Freiheit berufen kann".

Ob Baron in seiner neuen Funktion als Fraktionschef bestehen kann, ist alles andere als sicher. Sein Gegenspieler Emil Sänze, der Landesvorsitzende, der auch die Fraktion führen wollte und, wie es heißt, "in mehreren Stichwahlen" unterlag, holte jedenfalls gleich zur rechten Geraden aus. "Ich sitze seit 2016 im Landtag mit ihm, aber mir ist kein Profil aufgefallen", sagte Sänze der Deutschen Presse Agentur. Baron sei schon immer ein "Passgänger" gewesen, der sich an Starke angeschmiegt habe. Er könne "intellektuell oft nicht folgen", sei zwar ein netter Bursche, aber kein Liberaler, denn Liberalität bedeute das Wahrnehmen anderer Meinungen. Sänze meint hier wirklich die AfD. Streit ist also programmiert. Immerhin bekommt der Neue in der ersten Reihe rechtsaußen für seine Verbalinjurien regelmäßig viel Applaus.

Verbindlich im Ton, inhaltlich daneben

In seiner letzten Landtagsrede im vergangenen Jahr, ex post als Bewerbung fürs neue Amt zu verstehen, zeigt er, wie immer einigermaßen verbindlich im Ton, wie groß seine Bereitschaft ist, andere zu verunglimpfen. Es geht um die Reform des Wahlrechts, die laut Baron ein Berufspolitikertum schaffen soll, "ein Strippenzieher- und Günstlingssystem", in dem Macht missbraucht wird, in dem es um lebenslängliche Versorgung geht – "nichts anderes machen die Gerontrokraten aller Diktaturen". Und weiter: "Ich könnte hier und jetzt auf 20 Politiker in diesem Parlament mit dem Finger zeigen, die garantiert dem nächsten Landtag angehören." Dann nimmt er sich FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zur Brust, der vom "Wähler außerhalb der eigenen Familie wahrscheinlich keine fünf Stimmen bekommen würde".

Vielleicht ist der neue AfD-Fraktionschef wirklich nicht der Hellste. Denn Rülke hat 2021 – gewählt nach dem alten Wahlrecht und ohne Liste – ganze 7.932 Stimmen und 16,1 Prozent eingefahren. Aber leider wundert nach fast sieben Jahren "Alternative für Deutschland" im baden-württembergischen Landtag niemanden mehr, dass ihre Abgeordneten selbst von auf einfachste Weise zu widerlegenden Behauptungen nicht zurückschrecken. Und Baron erst recht nicht.


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