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Strobl und der Untersuchungsausschuss

Polizeikarriere mit politischer Hilfe

Strobl und der Untersuchungsausschuss: Polizeikarriere mit politischer Hilfe
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Innenminister Thomas Strobl wollte einen ganz bestimmen Beamten zum ranghöchsten Polizisten im Land ernannt sehen, prompt wurde sein Wunsch erfüllt. Die Beförderung des inzwischen suspendierten Inspekteurs Andreas Renner steht für eine erstaunliche Blitzkarriere.

Dietrich Moser von Filseck trägt den Namen eines von den Habsburgern in den Freiherrenstand erhobenen alten württembergischen Adelsgeschlechts. Der ehemalige Leiter des Personalmanagements der Landespolizei genießt einen Ruf wie Donnerhall und wird auch von seinen obersten Dienstherren gerühmt als Kapazität in Personalfragen. Nun hat von Filseck vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, der aufklären soll, welche Rolle das Innenministerium bei Beförderungen und beim Verdacht der sexuellen Belästigung innerhalb der Polizei innehatte. Mittlerweile sind Sitzungen des U-Ausschusses bis in den Sommer 2023 terminiert. In der achten Sitzung am vergangenen Montag ist eine breite Spur in einer Welt der Mauscheleien und Günstlingswirtschaft gelegt worden.

Zunächst hatte der Ausschuss sich mit dem heiklen Thema der heimlichen Weitergabe eines Anwaltschreibens von Strobl an Franz Feyder von den "Stuttgarter Nachrichten" befasst. Schon dabei und bei den damit verbundenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hofften die Strategen in der CDU darauf, dass die ganze Story sich als zu kompliziert erwiese, um eine gefährliche Erregungsschwelle zu erreichen. Kompliziert ist auch das nächste Thema rund um den geplanten Aufstieg von Polizist:innen in gutdotierte Führungsfunktionen. Viele Details müssen zuerst durchdrungen und dann bewertet werden. Zum Beispiel, wieso der spätere Inspekteur der Polizei (IdP) Andreas Renner schon 2019 vorbei an anderen Bewerber:innen Vizepräsident im Landeskriminalamt werden konnte – entgegen sogar den Vorstellungen des damaligen LKA-Präsidenten und trotz einer schlechteren Benotung als die potentiellen Konkurrent:innen.

"Das ist also Ihre Bestenauslese", mokiert sich Sascha Binder in der Ausschusssitzung am Montag über einen von dem Zeugen in der stundenlangen Einvernahme mehrfach verwendeten Begriff. Dem SPD-Obmann stößt der Umgang mit dem IdP sauer auf. Der ranghöchste uniformtragende Polizeibeamte im Land ist laut Innenministerium zuständig für "Steuerung und Koordinierung zentraler vollzugspolizeilicher Aufgaben" und hat "die Verantwortung über das Strategische Controlling, Qualitätsmanagement und die Interne Revision, für die Führung von Polizeikräften des Landes und die Vertretung der Belange des Hauses auf Bundesebene hinsichtlich Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung der Polizei". Bei seiner Bestellung nur ein Jahr nach dem Karrieresprung ins LKA lobt Strobl seinen Favoriten Andreas Renner als "für diese herausragende Stellung bestens geeignet".

Irgendwie scheint er es jedoch schon damals besser gewusst zu haben. Denn Moser von Filseck schildert ein Gespräch rund viereinhalb Monate vor der Ernennung zum 1. November 2020, bei dem der Minister seine Vorstellungen deutlich gemacht und "artikuliert" habe, dass er eine rechtskonforme Bestellung erwarte. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein – außer wenn an eben dieser Rechtskonformität gebastelt werden muss. Und so kam es denn auch: Mitbewerber:innen wurden telefonisch nach ihren Plänen befragt. Wunder, oh Wunder, am Ende blieb nur der LKA-Vizepräsident im Topf. Und bekam, um die Beförderung endgültig in trockene Tücher zu bringen, in einer Beurteilung seiner Arbeit allein aus diesem Grund sogar noch die selten vergebene Höchstnote 5,0. Bei der Polizei im Land gebe es zwar funktionierende Regeln zur Beförderung, zieht Binder Zwischenbilanz, "aber diese Regeln wurden auf Geheiß des Ministers missbraucht, und jetzt haben wir den Salat".

Die Aufklärung wird lange dauern

Überhaupt hat der Ausschuss dafür, dass erst vier Zeugen vernommen wurden, einiges zutage gefördert. Etwa mit wie vielen Vorgängen im Innenministerium der Herr desselben nicht befasst ist oder nicht befasst sein will. Dass er sich partout nicht an Dinge erinnern kann, die für sein politisches Überleben entscheidend sein könnten. Dass ein Regierungschef sich einfach nicht dafür interessieren möchte, warum eigentlich die Staatsanwaltschaft gegen seinen Vize vom Koalitionspartner ermittelt. Chronist Feyder wiederum zeichnete bei seiner Zeugenvernehmung jüngst ein Sittengemälde der baden-württembergischen Polizei, das von Fehlbesetzungen bis zum regelmäßigen Sektumtrunk am Freitag reicht. Die beschreibt auch Moser von Filseck. Es gebe einen Bereich im Haus, "wo man geschickt stehen kann, (…) um ein Abschlussgetränk vor dem Wochenende zu sich zu nehmen".

Was noch kommen dürfte, wiegt schwerer. Die Staatanwaltschaft Stuttgart hat schon wieder ein Auge auf Strobl geworfen, diesmal wegen des Verdachts uneidlicher Falschaussage. In all der Vergesslichkeit könnte dem Innenminister womöglich das eine oder andere ernsthaft verrutscht sein. Zudem musste die CDU den Ursprungsplan aufgeben, den Untersuchungsausschuss zügig zu beenden. Inzwischen sind Sitzungen bis zur Sommerpause terminiert. Fachleute aller Fraktionen halten sogar für denkbar, dass noch weit ins Jahr 2024 hinein untersucht wird. Immerhin sind weitere 40 Zeug:innen geladen.

Die Grünen haben mittlerweile ihre Rolle zwischen Koalitionsdisziplin und Aufklärungsimpetus gefunden. "Jetzt kommen wir tiefer in die eigentliche Sacharbeit", sagt ihr Obmann Oliver Hildenbrand, "jetzt sehen wir, wie es sich lohnt, näher auf die Beförderungspraxis zu schauen." Und er stellt die Frage, die die Abgeordneten – neben dem trüben Komplex sexueller Belästigungen – demnächst intensiv beschäftigen wird: "Wie lässt sich diese Blitzkarriere erklären?"

Moser von Filseck hat schon mal einen Versuch unternommen und schöpft aus seiner jahrelangen Erfahrung. Eine Organisation von der Größe der Polizei, sagt er, "würde ihre Aufgaben nicht erfüllen, wenn sie sich nicht Gedanken machen würde, wer für die Besetzung von herausgehobenen Posten in Frage kommt und die Polizei weiterbringt". Beim IdP allerdings ist das gründlich schiefgegangen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat kürzlich Anklage gegen Strobls einstigen Protegé Andreas Renner erhoben.


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7 Kommentare verfügbar

  • Frieder Kohler
    am 24.05.2023
    Antworten
    Schon unter MP Spaeth (für seine Skatfreunde aller Dienstgrade "Lollo") war es Staatssekretär Robert Ruder , der den sog. SICHERHEITSPLAN mit dem richtigen Führungspersonal im gehobenen und höheren Polizeidienst besetzte. Nur die Hausmacht der Partei (Landräte vom Bodensee über Ulm, Biberach…
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