"Alles geht den Bach runter", schrieb Matthias Horx im Sommer 2016, das sei "eine Behauptung, die sich in der öffentlichen Debatte verfestigt." Von "Immerschlimmerismus" spricht der Zukunftsforscher, von der Projektion des eigenen Pessimismus' auf die Zukunft, was oft allein den Rechten nütze. 2016 zeigte sich dies gegenüber Menschen auf der Flucht: Vorurteile und Verdächtigungen hatten sich verfestigt, weit über jene Kreise hinaus, die die Nationalist:innen vom rechten Rand bis dahin erreicht hatten. Profitiert hatte davon vor allem die "Alternative für Deutschland" (AfD), die 2017 mit 12,6 Prozent der Wählerstimmen in den Bundestag einzog und heute in Umfragen wieder zwischen 14 und 16 Prozent steht. Die CDU, nicht mehr in der Bundesregierung, scheint nun auf dieser Welle mitreiten zu wollen. Und die "Methode Populismus", wie die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag Britta Haßelmann das Agieren der Union nennt, verfängt. Immer neue unbelegbare Vorwürfe bringen Prozentpunkte in der Demoskopie.
So beklagt der CDU-Vorsitzende und -Fraktionschef im Bundestag Friedrich Merz, dass Ukrainer:innen zwischen ihrer Heimat und Deutschland pendeln, um Sozialleistungen zu kassieren, nimmt das dann zurück und hat doch Zwist gesät. Nicht minder populistisch agiert die CDU bei anderen Themen: So gießt Thorsten Frey, Merz' Fraktionsvize und dem Vernehmen nach Favorit für höchste Ämter in Baden-Württemberg, immer weiter Öl ins Feuer im unappetitlichen Gefeilsche ums Bürgergeld. Zu diesem weiß in Stuttgart CDU-Fraktionschef Manuel Hagel – noch einer, der höher hinaus möchte – besonders kantig zu formulieren: "Der leistungsfeindliche Geist des bedingungslosen Grundeinkommens ist nun wieder zurück in der Flasche."
Wie sich die vielen verwegenen Behauptungen über das Bürgergeld verfestigt haben, lässt ahnen, dass der Republik schwere Wochen und Monate bevorstehen, wenn die Union auf ähnliche Weise in der Flüchtlingspolitik agieren will. Etwa beim im Oktober von der Bundesregierung vorgestellten Bundesprogramm zur Aufnahme von früheren, hochgefährdeten afghanischen Ortskräften, die vor den Taliban fliehen. Ausgerechnet die Fortsetung für besonders vulnerable Gruppen hat sich Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) als Exerzierfeld für die harte Gangart ausgesucht.
Justizministerin Gentges schreibt in AfD-Tonlage
"Vor dem Hintergrund der bereits erfolgten hohen Zugänge ist das nun verkündete Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan mit geplanten bis zu 1.000 Menschen pro Monat aus Sicht des Ministeriums der Justiz und für Migration in keiner Weise verantwortbar", schreibt Gentges an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in genau jener Tonlage, durch die vor sieben Jahren die AfD im Land stark wurde. Die Zahl ist aus der Luft gegriffen. Nach der Statistik aus ihrem eigenen Haus kamen im August 166 Schutzsuchende aus Afghanistan ins Land, im September 123, im Oktober 85 und im November bisher 132 (Stand 28. November).
6 Kommentare verfügbar
chr/christiane
am 30.11.2022Laut kleiner Anfrage Die Linke--15.9.2022 seien seit Jahrenbeginn 2022-- 15.700 Afghanen/Ortskräfte samt Familienangehörige nach Deutschland eingereist.
Seit einem Hilfswerk in Afghanistan 32 Millionen Euro zur Hilfe für Ausreisen bezahlt wurde, scheint…