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Stuttgart 21

"Nicht nur ein Stuttgarter Projekt"

Stuttgart 21: "Nicht nur ein Stuttgarter Projekt"
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Am Freitag findet in Stuttgart ein Gäubahn-Faktencheck statt, mit dabei sein wird auch der Tuttlinger Oberbürgermeister Michael Beck. Vor der Volksabstimmung 2011 trommelte dieser kräftig für Stuttgart 21, heute ist er ein vehementer Kritiker der jahrelangen Abkopplung der Gäubahn durch das Projekt.

Mit der Stuttgart und Zürich verbindenden Gäubahn beschäftigt sich Michael Beck (CDU), seit 2004 Oberbürgermeister von Tuttlingen, schon lange. Als er 1997 Erster Bürgermeister in Böblingen wurde, wurde er Mitglied im Interessenverband Gäubahn, der nun den Faktencheck organisiert hat. Später war er lange dessen stellvertretender Vorsitzender. In dieser ganzen Zeit habe es immer wieder Gäubahn-Gipfel gegeben, sagt Beck, aber es wurde "nicht besser, sondern immer schlechter". Der zweigleisige Ausbau kam nicht voran, Verbindungen fielen weg. Verbesserungen sollte Stuttgart 21 bringen, versprachen zumindest die Projekt-Fans. Vor der Volksabstimmung über die S-21-Finanzierung durch das Land im November 2011 trommelte Beck daher kräftig für das Projekt. Mittlerweile ist klar, dass viele Verheißungen haltlos waren, und dass die Gäubahn wegen Stuttgart 21 wohl jahrelang vom Stuttgarter Hauptbahnhof abgekoppelt werden soll (siehe Kasten). Beck ist daher heute einer der vehementesten Kritiker dieser Kappung, gemeinsam mit anderen Bürgermeistern der Gäubahn-Anrainerkommunen – und damit im Konflikt mit Stuttgarts OB Frank Nopper und der Mehrheit des Gemeinderats in der Landeshauptstadt.


Herr Beck, am kommenden Freitag findet in Stuttgart der Gäubahn-Faktencheck statt. Wie sind Ihre Erwartungen?

Ich kann mir nicht so richtig vorstellen, was man unter dem Faktencheck eigentlich versteht. Die Fakten liegen ja alle seit vielen Jahren auf dem Tisch. Was soll da jetzt noch Neues kommen? Da fühle ich mich nicht richtig ernst genommen.

Beim Faktencheck wird es um die temporäre Abkopplung der Gäubahn vom Hauptbahnhof durch Stuttgart 21 gehen und um mögliche Alternativen. Sie haben es gesagt, die Fakten liegen auf dem Tisch: Die Bahn hat selber in einer Studie dargelegt, dass eine interimsweise Weiterführung der Gäubahn auf den alten Gleisen bis zum Hauptbahnhof mit wenig technischem Aufwand und relativ billig machbar wäre. Aber die Stadt Stuttgart will nicht, weil das ihren Wohnbauplänen im Weg steht.

Ich habe versucht, mit Frank Nopper auch darüber zu reden, aber ich glaube, das Thema ist ihm nicht so wichtig. Es gab mal so eine Bemerkung im Stuttgarter Gemeinderat: Diese Eisenbahnromantik von da unten, die sollte man nicht über unser Wohnprojekt stellen.

Vom grünen Baubürgermeister Peter Pätzold gibt es eine ähnliche Formulierung: "Es gibt 4.500 Menschen in Stuttgart, die auf eine Wohnung warten, und denen soll ich jetzt sagen, dafür kriegt ihr eine bessere Schienenverbindung ins Gäu?"

Das ist in meinen Augen eine unangemessene Verkürzung der Problemlage. Wohnungsnot herrscht im ganzen Land, nicht nur in Stuttgart. Nun aber soll die durchgehende Fernverkehrsverbindung, die uns ja vertraglich zugesichert worden ist, hinter die freiwerdenden Gleisflächen für den Wohnungsbau gestellt werden. Stuttgart 21 wird also seitens der Landeshauptstadt auf ein Wohnungsbauprojekt reduziert, und das halte ich für zu eng gedacht. S 21 ist ja nicht nur ein Stuttgarter Projekt. Das ist ein Knotenpunkt für uns alle. Als es 2011 zum Volksentscheid kam, hat man sich im ganzen Land damit beschäftigt, wenn auch vielleicht nicht so detailliert wie die Stuttgarter. Und wenn jetzt im Gegensatz zu den versprochenen Verbesserungen das Ergebnis so aussieht, dass wir zehn Jahre oder länger abgehängt werden, dann kann das nicht befriedigend sein.

Da Sie die Volksabstimmung erwähnt haben: Sie haben Anfang Juli dieses Jahres einen Brandbrief an OB Nopper geschrieben, wegen der bevorstehenden Gäubahnkappung. 2011 haben in Tuttlingen 68 Prozent der Wähler:innen für eine Weiterfinanzierung und damit einen Weiterbau von S 21 gestimmt, und Sie schrieben: "Ich bin mir sicher, würde man heute abstimmen, würden sich bei uns und in vielen anderen Landkreisen der Stimmenanteil geradezu umkehren – S 21 würde wohl nicht mehr gebaut werden".

Das ist eine Vermutung von mir, weil wir immerhin über zweieinhalb Millionen Menschen sprechen, vom Bodensee bis nach Stuttgart, die sich damals auf die Verbesserung der Schienenverkehrsanbindung und die Beschleunigung verlassen haben. Die sind heute alle gleichermaßen enttäuscht. Wir haben uns damals ja in erster Linie unter dem Aspekt mit Stuttgart 21 befasst, welche Auswirkungen das Projekt konkret auf uns hat. Die anderen Themen, die in Stuttgart eine Rolle gespielt haben, waren bei uns nie im Fokus – zumindest nicht in der Tiefe wie in Stuttgart.

Sie haben als OB vor der Volksabstimmung für Stuttgart 21 geworben. Basierend auf dem jetzigen Kenntnisstand, würden Sie im Sinne Ihres Briefes auch zu denjenigen gehören, die heute anders abstimmen würden?

Ich bin grundsätzlich dafür, dass unser Land Infrastruktur baut. Auch wenn es Kostensteigerungen gibt. Wenn am Schluss eine vernünftige Infrastruktur dabei herauskommt, bin ich nie dagegen. Und ich habe immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass man nicht nur die Landeshauptstadt, sondern das ganze Land betrachtet.

Nun haben Sie aber noch nicht beantwortet, wie Sie heute abstimmen würden.

Ja, aber Sie wissen auch, dass ich auf diese Frage keine Antwort geben kann. Ich bin jetzt Kommunalpolitiker seit 30 Jahren, wenn man sich als solcher nicht mehr darauf verlassen kann, was Bund, Land und die Bahn erklären, dann weiß ich nicht, worauf ich mich überhaupt noch verlassen soll. Ich kann das ja nicht alles in Frage stellen. Ich bin nach wie vor kein Gegner von Stuttgart 21. Aber wie es sich entwickelt hat, finde ich schon mehr als bedauerlich.

Noch einmal zurück in die Jahre 2010 und 2011, in denen landesweit die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 besonders heftig war. Nicht nur, aber auch im Vorfeld der Volksabstimmung vom 27. November 2011. Was haben Sie selbst damals von Stuttgart 21 für die Region Tuttlingen und Bodensee erwartet?

Wir haben die Schlichtung mit Heiner Geißler durchaus intensiv verfolgt. Aber uns interessierte vor allem das große Ganze. Und unsere Sorge war, dass es, wenn dieses Projekt zu Fall kommt, nie eine Beschleunigung auf der Gäubahn gibt.

Schon damals hatten ja die Stuttgart-21-Kritiker, auch bei der Schlichtung, darauf hingewiesen, dass der Abschnitt zur Gäubahnanbindung, der Filderabschnitt zum Flughafen, einer der heikelsten des ganzen Projekts ist und eigentlich kaum umsetzbar.

Das hat aber damals die Deutsche Bahn in Abrede gestellt. Ich bin ja kein Bahntechniker. Dass die Argumente damals schon auf dem Tisch kamen, dass es schwierig sein würde, die Anbindung vernünftig zu fahren, das ist mir sehr wohl in Erinnerung. Aber die Bahn hat das damals als technisch lösbare Frage dargestellt. Dem habe ich vertraut.

Aus heutiger Sicht…

… sind wir eines Besseren belehrt worden.

Wäre es besser gewesen, wenn Sie sich die Argumente der Kritiker, die ja auch in Tuttlingen aktiv waren, genauer angeschaut hätten?

Wissen Sie, ich bin OB einer Kleinstadt, mit 37.000 Einwohnern, fernab von Stuttgart. Ich habe auch noch viele andere Themen, um die ich mich kümmern muss. Abgesehen davon ist es ja auch fraglich, ob ein hochkomplexes Projekt wirklich besser wird, wenn immer mehr Leute meinen, mitreden zu müssen.

Zurück zu Ihrem aktuellen Unmut über die Stadt Stuttgart. Gab es eine Reaktion von OB Nopper auf Ihren Brandbrief?

Gäubahn und S 21

Die Gäubahn, die momentan noch über die am Rand des Stuttgarter Talkessels geführte Panoramabahn den Hauptbahnhof anfährt, hat im Rahmen der Stuttgart-21-Planungen eine Sonderstellung: Während die übrige, alte Bahninfrastruktur rund um den Stuttgarter Kopfbahnhof auch nach Inbetriebnahme von S 21 eine Zeit lang bestehen bleiben soll, bis der Tiefbahnhof seine Testphase bestanden hat, ist dies bei der Panoramabahn nicht der Fall. Denn ihre Gleise sind der im Zuge von S 21 leicht geänderten S-Bahn-Führung über die neue Haltestelle Mittnachtstraße im Weg. Eine Rampe, über die die Gäubahnzüge jetzt in den Hauptbahnhof kommen, soll deshalb einige Monate vor der S-21-Eröffnung abgerissen werden. Ursprünglich waren für diese Unterbrechung nur vier bis sechs Monate vorgesehen, aber Anfang 2019 wurde eingeräumt, dass wegen Planungsverzögerungen bei der S-21-Gäubahnführung über den Flughafen (Planfeststellungsabschnitt 1.3b) die Unterbrechung eine mehrjährige sein wird.

Mittlerweile ist die alte Planung dieses Abschnitts de facto aufgegeben; stattdessen soll sie durch den 11,5 Kilometer langen Pfaffensteigtunnel ersetzt werden, eine Idee, die Mitte 2020 der damalige Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Steffen Bilger (CDU) präsentierte. Der Tunnel würde das größte Problem der alten Planung, den extrem verspätungsanfälligen Mischverkehr von Fern- und S-Bahnen, zwar vermeiden, hat aber viele neue: Er wird sehr teuer werden, sein Bau verursacht enorme Treibhausgasemissionen – und der Zeitpunkt seiner Fertigstellung steht in den Sternen, die Schätzungen liegen zwischen in sechs und 15 Jahren. Was die Finanzierung angeht, erklärte am 19. Juli dieses Jahres das Bundesverkehrsministerium, der Bund werde nicht nur die "Gesamtfinanzierung" tragen, sondern auch das "Risiko einer Kostensteigerung" – zuzüglich zu 270 Millionen Euro, die aus dem S-21-Projekttopf umgeschichtet werden. Bund und Bahn schätzen die Gesamtkosten momentan auf eine Milliarde Euro, der Münchner Verkehrsexperte Karlheinz Rößler auf 2,7 Milliarden.  (os)

Nein, von ihm habe ich nie eine Antwort bekommen, zumindest keine schriftliche. Ich hab ihn zwar mehrfach gesehen bei Veranstaltungen. Aber mir scheint, dass das Thema bei ihm nicht auf der Agenda ist – jedenfalls nicht die Auswirkungen für uns Gäubahn-Anrainer. Dabei weiß jeder, der Bahn fährt: Wenn eine Fernverbindung unterbrochen wird und ich öfter umsteigen muss, steigert das nicht die Attraktivität. Egal, wo ich raus muss, ob in Stuttgart-Vaihingen oder an einem Nordhalt.

Mit den Bürgermeistern der Gäubahn-Anrainerkommunen haben Sie sich ja zusammengeschlossen, nachdem ab 2019 nach und nach bekannt wurde, dass die Unterbrechung eine mehrjährige sein wird.

Damals hatte ich das Gefühl, dass beim Gäubahn-Interessenverband das Thema Unterbrechung nicht richtig auf der Agenda war. Deshalb haben wir uns gesagt, wir nehmen die Sache selber in die Hand. Wir haben uns dann entlang der Schienenstrecke und unabhängig vom Verband und unseren Parteizugehörigkeiten zusammengeschlossen – also neben mir auch die OBs Stefan Belz aus Böblingen, Bernd Häußler aus Singen, Ralf Broß aus Rottweil, Peter Rosenberger aus Horb und Thomas Sprißler aus Herrenberg. Wir haben uns gesagt, dass wir das nicht unwidersprochen hinnehmen können, dass man uns über Jahre oder sogar ein Jahrzehnt abhängt. Aber selbst innerhalb des Interessenverbands wurden wir ein bisschen als Quertreiber hingestellt. Dabei geht es uns nur darum, unsere Interessen vortragen zu können. Wir haben uns auch schon mit Bahnexperten auseinandergesetzt, was für Argumente wir vorbringen können.

Dass Sie Ihre Interessen und Ihre Kritik vortragen, hat immerhin im Juli schon zu zwei Gäubahn-Gipfeln, einem in Stuttgart und einem in Böblingen, geführt.

Und jetzt gibt's diesen Gäubahn-Faktencheck am 25. November. Aber wie ich gesagt habe: Es gibt die Fakten alle. Es liegt alles auf dem Tisch. Was neu ist, ist dieser Gäubahntunnel, der inzwischen als Pfaffensteigtunnel bekannt ist. Und der uns natürlich, wenn er schon gebaut wäre, einen Vorteil brächte. Aber es ist ein Projekt, das nicht ganz billig ist, das noch nicht planfestgestellt ist, für das es noch keine endgültige Finanzierung gibt, und vor allem: Dass noch nicht gebaut ist. Deshalb halte ich das für Augenwischerei. Das kann doch nicht zur Beruhigung dienen für die Anrainer, die ein Jahrzehnt warten müssen, bis sie weiterfahren können.

Was halten Sie von den verschiedenen Vorschlägen für Streckenführungsvarianten für die Interimszeit? Es gab ja einen Vorschlag, die Gäubahn über Tübingen und die Neckartalbahn zu führen, einen anderen über Renningen…

Der Vorschlag einer Führung über Tübingen hat uns nicht überrascht, und aus Sicht des Tübinger OB Boris Palmer ist es legitim, zu sagen: Kommt, wir zweigen die Gäubahn vorher ab, dann habe ich vielleicht die Chance, dass die Neckartalbahn schneller elektrifiziert wird. Aber was sagen dann die Menschen in Herrenberg oder in Böblingen, wenn die Gäubahn dann gar nicht mehr vorbeikommt? Und deswegen haben wir gesagt: Nein, unser Interesse ist, dass die Gäubahn auf der jetzigen Strecke nach Stuttgart fährt. Punkt.

Der FDP-Politiker Michael Theurer, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, hat diese Variante ja ins Spiel gebracht.

Als Michael Theurer, der als Horber OB schon Vorsitzender des Interessenverbands war, zum Bahnbeauftragten der Bundesregierung wurde, hatten wir große Hoffnungen: Endlich einer, der auf unserer Seite steht. Aber als er es für eine gute Idee erklärt hat, über Tübingen zu fahren, habe ich gedacht: Jetzt verstehe ich die Welt nicht mehr.

Warten auf den Gäubahn-Ausbau

Die Gäubahn hat seit 76 Jahren ein Problem: Als Reparationsleistung für die im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht herausgerissenen Gleise zwischen Belfort und Besançon baute Frankreich 1946 einfach die Hälfte der Gleise zwischen Horb und Tuttlingen ab. Seitdem ist die Gäubahn auf diesem Abschnitt eingleisig, was ihrer verkehrlichen Kapazität, der Menge und Geschwindigkeit der auf ihr fahrenden Züge nicht eben gut tut. Dies zu ändern, verpflichteten sich Deutschland und die Schweiz bereits 1996 im Vertrag von Lugano. Ziel war, die Reisezeit zwischen Stuttgart und Zürich zu verkürzen – für die schnellsten Züge wurden 2:15 Stunden angepeilt (wobei Baden-Württembergs Verkehrsministerium momentan nur 2:37 Stunden für möglich hält). Die Schweiz hat ihren Teil der Vertragsvereinbarungen längst erfüllt, in Deutschland wurde 2022 immerhin am ersten Abschnitt mit dem Bauen angefangen. Statt die gesamte Strecke wieder zweigleisig auszubauen, soll dies nach aktuellen Planungen nur auf vier Teilstücken erfolgen. Mehr "hätte keinen weiteren Einfluss auf die Fahrzeiten", so das Bundesverkehrsministerium 2020.

Die Zweigleisigkeit der Gäubahn wieder herzustellen, war 1954/55 auch der Anlass für die Gründung des Interessenverbands Gäubahn, eines losen Zusammenschlusses von Kommunen, Landkreisen, Regionalverbänden und Industrie- und Handelskammern. Aktueller Vorsitzender des Verbands ist seit 2009 der CDU-Landtagsabgeordnete Guido Wolf, sein Vorgänger war ab 2001 Michael Theurer (FDP), damals OB in Horb.  (os)

Als die Idee für Stuttgart 21 aufkam und damit für eine Gäubahnführung über die Filderebene, war der Flughafenanschluss ein zentrales Argument. Und dieses Argument wurde ja beibehalten, es ist auch das für den Pfaffensteigtunnel.

Ja, das war ja damals ein Argument, um uns zu locken: Dann seid ihr noch schneller am Flughafen! Was natürlich auch ein Vorteil für den ländlichen Raum wäre.

Aber wäre Ihnen mit dem heutigen Wissen um die Probleme, die der Flughafenanschluss verursacht, dieser weiterhin so wichtig?

Meine Priorität liegt klar bei einer Direktverbindung per Bahn nach Stuttgart.

Der Pfaffensteigtunnel wird möglicherweise auch Thema beim kommenden Faktencheck sein. Wissen Sie, was sonst?

Eigentlich müssten es alle Punkte sein, über die wir gerade gesprochen haben, bis hin zum Ergänzungsbahnhof. Über den muss man sich auch unabhängig von der Frage der Gäubahn Gedanken machen, und auch wenn die Stuttgarter es nicht hören wollen: Er wäre ein langfristiger Gewinn für den Bahnverkehr im Land, wenn es wirklich ernst gemeint ist, dass man eine Kapazitätserweiterung im ÖPNV will. Jeder redet von einer Verdopplung der Fahrgäste im Bahnverkehr. Und das erreiche ich nicht mit weniger Infrastruktur, sondern mit mehr.

Die rechtliche Frage der Abkopplung könnte auch eine Rolle spielen. Die Anrainer-Kommunen haben ja dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Wir haben das in Auftrag gegeben, weil wir wissen wollten: Geht das rechtlich überhaupt, dass man einfach eine Bahnstrecke wie die Panoramastrecke der Gäubahn stilllegt? Und die Frage ist klar beantwortet worden: Es geht nicht.

Das Kuriose ist, dass unabhängig davon auch zwei weitere Gutachten in Auftrag gegeben worden waren, eines von Stuttgart-21-Gegnern, eines von der Stadt Stuttgart, die letztlich zu dem gleichen Schluss kommen. (Kontext berichtete)

Ja, und ich bin gespannt, wie man damit umgeht. Aber das Stuttgarter Gutachten ist ja in der Öffentlichkeit zunächst gar nicht bekannt geworden.

Es wurde nach einiger Kritik im Juni online gestellt, nachdem es aber schon Ende 2020 vorgelegen hatte.

Darauf habe ich auch hingewiesen: Beim Faktencheck gehört alles auf den Tisch. Auch die Dinge, die die Landeshauptstadt bis jetzt noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Sonst macht so ein Faktencheck ja keinen Sinn.


Der Gäubahn-Faktencheck findet am 25. November von 10 bis 16 Uhr in der Sparkassenakademie Baden-Württemberg in Stuttgart statt. Per Streaming-Link können Interessierte die Veranstaltung verfolgen. Die Verbände VCD, Pro Bahn und LNV bemängelten schon vorab, dass eine Beurteilung durch unabhängige Sachverständige nicht eingeplant ist, es sich daher nur um eine "Informationsveranstaltung der Deutschen Bahn und der Landeshauptstadt" handele, die "der Legitimation ihrer bisherigen Planungen und Aussagen dienen" solle. Sie fordern daher "einen wirklichen Faktencheck" und präsentieren schon mal einen eigenen.


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5 Kommentare verfügbar

  • Wolfgang Zursiedel
    am 28.11.2022
    Antworten
    Wer lesen kann, der schaut in die Planfeststellung und dort ist lediglich von 32 Zügen in der Spitzenstunde die Rede. Nach meiner Kenntnis gibt es keinen 8-gleisigen Durchgangsbahnhof,
    der mehr als 32 Züge in der Stunde abfertigen kann. Und bei 14 Verkehrsbeziehungen nach Stuttgart sind eben 8…
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