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Werbung für und gegen die Bundeswehr

Weiße Tauben stören die Neutralität

Werbung für und gegen die Bundeswehr: Weiße Tauben stören die Neutralität
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Mit Plakaten in Bussen und Bahnhöfen wollte sich ein Friedensbündnis für Schulen ohne Werbung für die Bundeswehr einsetzen. Das lehnte die Deutsche Bahn ab mit Verweis auf ihre Verpflichtung zur politischen Neutralität. Bei Werbung für die Bundeswehr erkennt sie hingegen kein Problem.

"Krieg war gestern. Heute erklären wir den Frieden", steht mit weißen Buchstaben auf einem Plakat. Darunter ist eine weiße Friedenstaube mit Zweig im Schnabel zu sehen, die ein Buch in den Krallen hält. Auf einem anderen Plakat ist eine Kinderhand zu sehen, die auf eine Schultafel den Satz schreibt: "Frieden geht nicht auf Befehl."

Beide Motive gehören zu einer Serie, die das Bündnis "Schulfrei für die Bundeswehr. Lernen für den Frieden" im Vorfeld der baden-württembergischen Landtagswahlen eigentlich in Bahnhöfen sowie in Bahnen und Bussen präsentieren wollte. Dafür hatte das Bündnis die Stuttgarter Firma Ströer, zuständig für Außenwerbung, beauftragt, die mit der Leitung der Deutschen Bahn (DB) die Konditionen für diese bezahlte Werbung aushandeln sollte. Doch dazu ist es gar nicht erst gekommen. Die DB lehnte den Auftrag mit der Begründung ab, dass sie ihre politische Neutralität wahren möchte, die sie durch die Plakatmotive gefährdet sieht. Gegenüber Kontext bekräftigt Bahn-Sprecher Achim Strauß: "Die DB lässt auf ihren Werbeflächen aus Gründen der Neutralität keine politische Werbung zu. Die Aussage 'Für Friedensbildung statt Bundeswehr an Schulen' haben wir nicht als neutral, sondern als politisch wertend eingestuft und daher abgelehnt."

Briefe des Friedensbündnisses hat die DB unbeantwortet gelassen. "Mit uns haben sie nicht kommuniziert. Wir wurden lediglich von der Firma Ströer über die Ablehnung ", informiert Klaus Pfisterer, der Sprecher des landesweiten Bündnisses, gegenüber Kontext. Die Wertung des DB-Vorstands kann er nicht nachvollziehen.

Bundeswehr-Werbung: Bahn sieht keinen Regelverstoß

Die Motive würden sich, wie Pfisterer erläutert, nicht generell gegen die Bundeswehr positionieren. "Vielmehr wenden wir uns mit den Plakaten gegen die Präsenz der Bundeswehr an Schulen und sprechen uns für mehr Friedensbildung aus." Zudem verweist er auf die Werbung, die die Bundeswehr im Rahmen ihrer Kampagne "Mach, was wirklich zählt" in den Bahnhöfen platzieren kann. "Wo bleibt da die politische Neutralität?", fragt der Friedensaktivist. Die Bundeswehrwerbung wird wohl auch weiterhin in Bussen und Bahnen zu sehen sein. "In den Motiven, mit denen die Bundeswehr wirbt, etwa in der Kampagne "Mach, was wirklich zählt", sehen wir keinen Regelverstoß", betont DB-Sprecher Strauß gegenüber Kontext.

Viele BahnkundInnen sind davon nicht begeistert. "Wir erleben immer wieder, dass uns Menschen kontaktieren, weil sie sich über die Plakate der Bundeswehr empören, die in den Bahnhöfen aushängen. Unsere Sorge ist, dass so der Beruf des Bundeswehrsoldaten normalisiert werden soll", führt Kerstin Deibert, Referentin von "Ohne Rüstung leben", aus. Die pazifistische Organisation ist Teil des "Schulfrei"-Bündnisses, für das die Bundeswehr keine Arbeitgeberin wie jede Andere ist.

"Die Ausbildung zum Soldaten lehrt das Töten. Jungen und Mädchen sollen schon mit 17 Jahren zur Bundeswehr, können aber in dem Alter möglicherweise noch gar nicht ermessen, was das bedeutet", kritisiert Deibert. "Zudem machen sie dort das gleiche militärische Training wie Erwachsene." Sie vermutet, dass die DB auch deswegen nicht auf Bundeswehrwerbung verzichten will, weil sie davon finanziell profitiert. Schließlich habe die Bundeswehr einen Etat von 30 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit, wozu auch die Plakatwerbung gehört.

Friedensaktivist Pfisterer fühlt sich durch die Blockadehaltung der DB an die 1980er Jahre erinnert, als KriegsdienstgegnerInnen nicht in Schulen auftreten durften, Bundeswehroffiziere aber sehr willkommen waren. Damals haben häufig friedenspolitisch engagierte SchülerInnen gegen die Auftritte in Schulen protestiert. Diese Zeiten sind heute vorbei. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht habe das Thema Bundeswehr an den Schulen bei jungen Menschen an Bedeutung verloren, beobachtet Pfisterer. Dadurch sei die Forderung nach Friedenspädagogik, wie sie das Bündnis im Vorfeld der Landtagswahlen erhoben hat, allerdings nicht überholt, sondern sogar aktueller geworden.

Mit ihrer Kampagne gegen militarisierte Werbung an den Schulen setzen sich die Gruppen im Bündnis insbesondere dafür ein, dass die Kooperationsvereinbarung zwischen dem baden-württembergischen Kultusministerium und der Bundeswehr aufgekündigt wird. Diese wurde 2009 geschlossen, am 14. August 2014 erfolgte eine neue Vereinbarung. Sie räumt der Bundeswehr einen bevorzugten Zugang zu Schulen, Lehreraus- und Lehrerfortbildung ein. Für besonders problematisch halten es die AntimilitaristInnen, dass die Jugendoffiziere "über die zur Friedenssicherung möglichen Instrumente der Politik" in der Schule informieren und insbesondere Kenntnisse "zur globalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung" vermitteln sollen, wie es in der Kooperationsvereinbarung heißt. Die Vermittlung dieser Kenntnisse sollte allein die Aufgabe der Lehrkräfte sein, fordert das Bündnis.

"Wenigstens Waffengleichheit sollte gelten"

Neben zahlreichen pazifistischen und antimilitaristischen Gruppen, die sich darin zusammengeschlossen haben, ist auch die Informationsstelle Militarisierung (IMI) Teil von "Schulfrei für die Bundeswehr". Dort ist seit vielen Jahren der linke Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger aktiv. Er fordert die DB auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. "Es ist skandalös, dass die Führung der Bahn sich hier zum Zensor mit politischer Begründung aufschwingt", sagt der Bundestagsabgeordnete. Die völlig richtige Forderung nach einem Ende der Karriereberatung durch die Bundeswehr an Schulen brauche Raum. Für Pflüger wäre das auch nach dem Neutralitätsgebot überfällig.

Ähnlich sehen das die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verdi, die ebenfalls zum Bündnis gehören. Auch dort zeigt man sich irritiert über die Verweigerungshaltung. "Die Plakate kritisieren nicht grundsätzlich die Bundeswehr, sondern machen sich für mehr Friedensbildung an den Schulen stark. Dies ist in den Bildungsplänen für die Schulen in Baden-Württemberg verankert und sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein", erklärt Monika Stein, die Landesgeschäftsführerin der GEW Baden-Württemberg, gegenüber Kontext. Es sei aber offensichtlich, dass das Thema Friedensbildung für Kultusministerin Susanne Eisenmann keine Rolle spielt und für die Umsetzung der Ziele im Bildungsplan zu wenig getan wird. Sie hofft, dass sich das mit der neuen Landesregierung ändert.

Auch der Verdi-Landesbezirksleiter Martin Gross kann die Haltung der DB nicht nachvollziehen. "Wenigstens Waffengleichheit an den Werbetafeln sollte gelten. Wer die Werbung für die Bundeswehr zulässt, sollte auch die Kraft haben, Kritik daran zu zulassen", sagt er gegenüber Kontext. Ob jemand zur Bundeswehr geht oder nicht, sei eine persönliche Entscheidung. "Doch Werbung für den Beruf Soldat*in in der Schule lehnen wir ab. Jeder, der die Werbevideos der Bundeswehr gesehen hat, weiß, dass solche Filme nicht in einem Klassenzimmer laufen sollten", begründet Gross die Mitgliedschaft seiner Gewerkschaft im Bündnis "Schulfrei für die Bundeswehr".

Dessen gemeinsames Anliegen ist durch die ablehnende Haltung der DB mehr ins Gespräch gekommen – unter anderem weil verschiedene Medien auf das Thema aufgesprungen sind. Die Plakate, die nun statt auf dem Bahngelände noch bis zum 15. März im öffentlichen Raum der Städte Stuttgart, Mannheim, Ulm, Reutlingen, Friedrichshafen, Heilbronn, Karlsruhe und Freiburg zu sehen sind, dürften nun mehr Beachtung finden. So könnte die DB der Kampagne "Schulfrei für die Bundeswehr" unfreiwillig sogar genutzt haben.


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