"Während hierzulande mehr auf die Corona-Leugner und Populisten eingegangen wird, spielen die Menschen, die Humanität für geflüchtete Menschen einfordern, wohl kaum eine Rolle. Was wirft das für ein Bild auf unsere Gesellschaft? Breite Debatten, wann wieder ein Restaurantbesuch möglich ist, aber Abschiebungen durch die Landesregierung in ein Hochrisikoland", schreibt Dagmar Rüdenburg. Sie ist ehrenamtlich im Interkulturellen Forum für Flüchtlingsarbeit (IFF) in Biberach aktiv und hat eine Onlinepetition gestartet: "Wir appellieren an die Landesregierung: Holen Sie das Ehepaar zurück, jeder weitere Tag unter den unmenschlichen Bedingungen gefährdet ihr Leben", so der eindringliche Appell, den bereits fast 40.000 Menschen unterschrieben haben und der Mire G. und Sali K. zurückholen wollen, die nach beinah drei Jahrzehnten in der Bundesrepublik in ein Land abgeschoben worden sind, das es bei ihrer Flucht noch gar nicht gegeben hat (Kontext berichtete).
Doch Empörung im Internet führt allein oft nicht zum Erfolg. 2019 hatten sich knapp 35.000 Menschen auf der Petitionsplattform change.org für eine Rückkehr der Schwestern Tahiri eingesetzt. Sie waren 1999 als Kleinkinder mit ihrer Familie aus dem Kosovo geflohen, lebten gut integriert in Tuttlingen und wurden im September 2019 nach Serbien abgeschoben (Kontext berichtete). Seitdem müssen sie sich dort ohne serbische Identitätspapiere durchschlagen, genau wie Mire G. und Sali K. nun im Kosovo. Der Antrag auf Papiere der Schwestern Tahiri wurde von den serbischen Behörden in diesem Januar abgelehnt.
"Brutale Abschiebepolitik"
Abschieben um jeden Preis und egal wohin, scheint die Maxime der Landesregierung zu sein. Damals, als über das Schicksal der Tahiri-Schwestern debattiert wurde, hatte Daniel Lede Abal, Sprecher für Migration und Integration der Grünen-Fraktion im baden-württembergischen Parlament, von einer brutalen Abschiebepolitik gesprochen, für die das CDU-geführte Innenministerium verantwortlich sei. An dieser Politik der grün-schwarzen Landesregierung, das beweist der aktuelle Fall von Mire G. und Sali K. eindrücklich, hat sich nichts geändert. Diesmal erklären Lede Abal und der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Uli Sckerl, in einem Schreiben an Innenminister Thomas Strobl: "Die Eheleute K. und G. hätten aus überragenden humanitären Gründen nicht abgeschoben werden dürfen. Ihnen ist die Wiedereinreise nach Deutschland zu ermöglichen. Die Eheleute müssen unverzüglich nach Deutschland zurückgebracht werden."
Strobl zeigt sich in seiner Reaktion auf die Kritik des größeren Koalitionspartners allerdings wenig beeindruckt. Verantwortlich für eine Abschiebung sind in seinen Augen nicht die Behörden, sondern die Betroffenen selbst. "Um die möglichen Belastungen einer Abschiebung zu vermeiden, ist es das oberste Anliegen aller beteiligten Behörden, vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer zur freiwilligen Rückkehr in ihr Heimatland zu bewegen. (….) Die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise wurde, trotz der fehlenden Bleibeperspektive, bedauerlicherweise nicht genutzt." Angesichts eines über 28-jährigen Aufenthalts und der Anwesenheit einer insgesamt 24-köpfingen Familie (in der alle Erwachsenen Arbeit haben) von 'fehlender Bleibeperspektive' zu sprechen und so zu tun, als ob die "freiwillige" Ausreise auf den Balkan für ein schwer krankes Ehepaar eine Option dargestellt hätte, muss für die Betroffenen wie Hohn klingen.
3 Kommentare verfügbar
Momi Meier
am 15.02.2021Es geht nicht nur um das Leid des alten Ehepaars, dem man die Lebensgrundlage entzogen hat.
Es ist eine Familie mit Kindern, Enkeln und Urenkeln, die sich seit 28 Jahren bemüht in unserer rauen Leistungsgesellschaft Fuß zu fassen. Wenn man erfährt, dass die Großeltern…