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Ex-OB Fritz Kuhn

Ehre, wem Ehre gebührt

Ex-OB Fritz Kuhn: Ehre, wem Ehre gebührt
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Als hätte er die Stadt in Schutt und Asche gelegt: Zum Abschied verweigert der Stuttgarter Gemeinderat dem Oberbürgermeister a.D. Fritz Kuhn die Ehrenbürgerschaft. Bemerkenswert fallen hingegen die lobenden Worte des Ersten Bürgermeisters Fabian Mayer, CDU, aus.

Ob aufgeklärte Männer des 21. Jahrhunderts überhaupt dorthin gehören wollen? In diesen Zirkel von Honoratioren, in den es – mit Ausnahme einer Freifrau von Wiesenhütten im Gefolge ihres gleichnamigen Freiherrn – noch nie ein weibliches Wesen geschafft hat. Dafür aber Adolf Hitler (bis zum 5. August 1945) und einer seiner wichtigsten Ermöglicher, Reichspräsident Paul von Hindenburg (immerhin bis zum 15. Juli 2010). Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart jedenfalls kann sich nicht dazu durchringen, den OB a.D. Fritz Kuhn zum 47. Ehrenbürger zu ernennen. Stattdessen setzte ihm der Erste Bürgermeister Fabian Mayer (CDU) mit einer ziemlich fulminanten Abschiedsrede ein Denkmal, das bleibt.

Das Netz vergisst nichts, auch nicht diese bemerkenswerte Verabschiedung. Über Gemälde in feinziselierten Goldrahmen sind die Zeiten hingegen hinweggegangen. Wer weiß noch, abgesehen von den Nachkriegs-Ernennungen (Karl Lautenschlager, Theodor Heuss, Reinhold Maier, Gebhard Müller, Erwin Schoettle, Pierre Pflimlin, Richard von Weizsäcker, Manfred Rommel und Wolfgang Schuster) um die Verdienste etwa des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen für die Metropole am Nesenbach? Von der Mildtätigkeit der oben genannten Freifrau? Von zweifelhaften Verleihungen, die bis heute bestehen? Etwa die an Karl Bernhard Freiherr von Reitzenstein für "heldenmütige Tapferkeit" als Führer der württembergischen Truppen in der Schlacht von Champigny anno 1870? Nicht weniger als 13.000 Soldaten, davon 9500 französische, fielen damals oder wurden verwundet. Natürlich ist noch nie über eine Aberkennung nachgedacht worden.

Apropos Reitzenstein: Den Flur im Erdgeschoss des in der gleichnamigen Villa untergebrachten Staatsministeriums ziert die Galerie der Männer, die das Land seit seiner Gründung 1952 regierten. Jedes Bild bringt einiges vom jeweiligen Zeitgeist zum Ausdruck, und teilt manches mit vom Verhältnis der Porträtierten zu sich selbst. Kurt Georg Kiesinger gibt den Patriarchen, Lothar Späth den (Vor-)Denker, Erwin Teufel den strebsamen Aufsteiger vom Land, Günther Oettinger hinter einer Glasscheibe mit Einschussloch dagegen Rätsel auf und Stefan Mappus die in sich ruhende Frohnatur. Was wohl aus Winfried Kretschmann wird in Öl und Acryl?

Für seinen langjährigen Weggefährten Fritz Kuhn, den auch der Ministerpräsident – unter weitgehender Umschiffung diverser Konflikte aus vier Jahrzehnten – gebührend rühmte bei der digitalen Verabschiedung im coronabedingt fast menschenleeren Großen Sitzungssaal des Rathauses, ist ein Teil dieser Frage schon beantwortet. Ehrenbürger der Stadt Stuttgart wird er nicht, zumindest noch nicht. Die einstigen Volksparteien wollen nicht. SPD-Fraktionschef Martin Körner hat den Grünen wissen lassen, in einem Jahr könne er ja wieder vorstellig werden. Vielleicht überlegt es sich der Gemeinderat bis dahin ja doch noch anders.

Natürlich überwogen bei der CDU ebenfalls die Bedenken, was nun aber ganz und gar nicht zu spüren war bei Mayers Abschiedsrede, der Kuhn mit vielfältigem Lob bedachte (was aber bemerkenswerterweise dem vereinigten Hauptstadtblatt StZN nicht einmal erwähnenswert erschien). So würdigte der CDU-Bürgermeister den politischen Kontrahenten beispielsweise für dessen Einsatz für den Klimaschutz und für "die Verbesserung der Luftqualität", ein Gebiet, auf dem keiner der Amtsvorgänger vergleichbar viel erreicht habe. Allem voran aber bemerkte Mayer: Der OB a.D. verliere "selbst unter widrigsten Bedingungen seinen Humor nicht".

Den kann der gebürtige Allgäuer auch brauchen, zum Beispiel wenn er daran denkt, wie souverän sein grüner Parteifreund Winfried Kretschmann seinem schwarzen Vorgänger im Rathaus Wolfgang Schuster den Professorentitel verlieh, bei einer pompösen Veranstaltungen in der Liederhalle. Oder wenn er irgendwann die Rede des Ersten Bürgermeisters noch mal herauszieht und dessen Botschaft auf sich wirken lässt, dass so manche Bewertung des Kuhnschen Wirkens womöglich voreilig ausgefallen sei und sich mit Abstand anders darstellen werde.

Genauso wie dieses Stück weiße Wand zwischen dem Porträt des Ehrenbürgers Schuster und dem Eingang in den Bürobereich des OB, in Bälde von Frank Nopper. Denn wenn sich irgendwo im Rathaus doch noch Hammer und Nagel finden lassen, könnte dort, so pfeifen’s manche Spatzen vom Dach, demnächst doch noch ein Konterfei vom grünen Schultes hängen. Eingedenk der guten alten deutschen Regel: Cui honorem, honorem.


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5 Kommentare verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 13.01.2021
    Antworten
    Was. Wie?
    Der Gemeinderat verweigert die Ehrenbürgerschaft einem so … Das war allerdings bereits beim Vorgänger Dr. Wolfgang Schuster so zu handhaben, hat dieser doch durch Betrügen und Lügen seine Amtszeit begonnen [1], gestaltet und auch damit beendet!!!

    Das Stuttgarter WOCHENBLATT…
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