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U-Ausschuss zum Expo-Pavillon

Frauen im Fokus

U-Ausschuss zum Expo-Pavillon: Frauen im Fokus
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Parlamentarische Untersuchungsausschüsse können eine Eigendynamik entwickeln, die schon mal Regierungsmitglieder das Amt kostet. Der zum Baden-Württemberg-Pavillon auf der Expo in Dubai 2021 lieferte schon am ersten Tag bemerkenswerte Einblicke ins CDU-geführte Wirtschaftsministerium.

Endlich mal dabei sein, zumindest im Rückblick, wenn PolitikerInnen entscheiden, endlich mal den Alltag im Regierungsbetrieb transparent gemacht kriegen und nachvollziehen, wie abgewogen, diskutiert und am Ende zum Wohle des Landes und seiner Menschen agiert wird. Der vergangene Freitag und fast zehn Stunden mit Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und ihrer Staatssekretärin Katrin Schütz (beide CDU) als Zeuginnen vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss "Baden-Württemberg-Haus" machten dieser Lust den Garaus. Denn so genau wollte frau es auch wieder nicht wissen, wie es so zugeht in dem Ministerium im Neuen Schloss, geführt von einer sprungbeförderten landespolitischen Einsteigerin aus Balingen und einer abgewählten Karlsruher Abgeordneten, die trotz oder gerade wegen des Mandatsverlusts prompt mit einer neuen wichtigen Aufgabe bedacht worden war.

Zwei Frauen, die für den seit Jahrzehnten völlig verkorksten Umgang der CDU mit dem Thema Gleichstellung stehen. Dafür, dass eine große Volkspartei über Jahrzehnte keine Strukturen zur Abkehr von der Männerdominanz entwickeln mochte. Und dafür, dass ein Landesvorsitzender zum falschen Zeitpunkt den Mund zu voll nimmt. Gemeint ist Thomas Strobl, der 2016, als die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen ihrem krönenden Abschluss entgegenstrebten, vor wartenden JournalistInnen einigermaßen überraschend versprach, den Forderungen der Frauen-Union nachzugeben. Deren Landesvorsitzende Inge Gräßle hatte sich gegen "Old Boys Networks" ausgesprochen und die Hälfte der Kabinettsposten für Politikerinnen gefordert. Strobl lenkte ein. Und er strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als er seinen von vielen Seiten beklatschten "Überraschungscoup" bekanntgab: Die Ernennung der promovierten Balinger Betriebswirtin Nicole Hoffmeister-Kraut als Wirtschaftsministerin.

Von einer "exzellenten Wahl" sprach der Arbeitgeberverband Baden-Württemberg. Dietrich Birk, Geschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA und als ehemaliger Landesgeschäftsführer, Abgeordneter und Kunst-Staatssekretär ein treuer CDUler, strich heraus, die Gesellschafterin und Aufsichtsrätin des Waagenherstellers Bizerba bringe "Kompetenz und den notwendigen Hintergrund" mit. Da hätte er sich am Freitag mal an seine alte Wirkungsstätte ins Parlament verirren sollen. Von Kompetenz und Hintergrund keine Spur, jedenfalls nicht beim heiklen Engagement des Landes an der Expo im Wüstenstaat Dubai, welches die SteuerzahlerInnen statt wie versprochen Null Euro demnächst mindestens 15 Millionen kosten wird (Kontext berichtete).

Den SpitzenbeamtInnen ausgeliefert

Auch der Präsident der IHKen Peter Kulitz jubelte 2016 über die Personalie. Endlich komme jemand ins Amt, der genau wisse, wie Wirtschaft funktioniere, freute er sich. Der Auftritt der Ministerin im Untersuchungsausschuss, die zögerlichen, scheuen, von Unkenntnis geprägten Antworten zeigten, dass das allein eben nicht reicht. Die "Rakete am Startplatz", wie Strobl die Neue charmant eingeführt hatte, versteht selbst nach viereinhalb Jahren zu wenig von Politik – und ist deshalb ihren SpitzenbeamtInnen ausgeliefert. Auf die müsse sie sich verlassen können, weil sonst ein Haus nicht funktioniere, sagt sie und greift immer wieder zu einer Standardfloskel: "Da müssen Sie die handelnden Personen fragen". Wie es "zu den rechtlichen 'Fehleinschätzungen' gekommen ist, konnte die Ministerin trotz bohrender Fragen nicht beantworten", resümierte die "Stuttgarter Zeitung". "Wir haben eine Ministerin, die ihr Haus nicht steuern kann", urteilte schon nach wenigen Stunden zutreffend SPD-Obmann Daniel Born.

Ohne Pandemie würde die CDU in diesen Tagen dem politischen Hochamt des Jahres und ihrem Bundesparteitag zustreben und zwar just auf dem Gelände der Fildermesse in Stuttgart. Dort wollte der Landesverband unter besonders tätiger Mithilfe seines Generalsekretärs Manuel Hagel Zeichen setzen mit einer konzertierten Aktion gegen den in langen und zähen Verhandlungen erreichten CDU-internen Kompromiss zur Gleichstellung. Der ist allerdings derart von vorgestern, dass jetzt sogar das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Schwarzen links überholt. "Zwar ist eine Quote immer starr und irgendwie kein besonders cleveres Instrument", so IW-Direktor Michael Hüther, "aber wenn die cleveren Lösungen nur Ausreden waren, darf man sich nicht wundern."

Nun ist der Parteitag verschoben, die Quotendebatte allerdings noch lange nicht. Einen hohen Preis zahlten dabei gerade CDU-Frauen im Südwesten, die herhalten mussten als vermeintliche Belege dafür, dass es ohne verbindliche Vorgaben geht, und die sich hergaben und -geben für die dümmliche Parole, sie hätten ja keine Quote nötig. Denn immer wieder wurden und werden Quereinsteigerinnen zuerst aus ihrem kommunalpolitischen oder aus ihrem Verbandsengagement gerissen, um sie später fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel, weil sie nicht reüssieren.

Weibliche Feigenblätter ohne Aufstiegsperspektive

Niemand, schon gar nicht Ministerpräsident Erwin Teufel, der sie ernannt hatte, half einst Landwirtschaftsministerin Gerdi Staiblin, als die in der CDU-Fraktion Fuß fassen wollte und nach einem Landtagsmandat strebte. Später hieß es beschönigend, sie habe sich auf eigenen Wunsch aus der Politik zurückgezogen. In Wahrheit wollte sie bleiben, aber die schwarze Männerwelt hatte kein Interesse daran. Auch Johanna Lichy wurde als Gemeinderatsfraktionschefin in Heilbronn als Staatssekretärin in die Landesregierung geholt – ohne jede Aufstiegsperspektive, versteht sich –, und dann in der Fraktion als Leichtgewicht verhöhnt.

Für die nächste Generation und für das mit selbstgewählte Schicksal als weibliches Feigenblatt für die misslungene Gleichstellungspolitik steht neben Hoffmeister-Kraut ihre Staatssekretärin Katrin Schütz. Der gebürtigen Ettlingerin eilte der Ruf voraus, weltläufig und gewandt zu sein, als sie 2006 in den Landtag einzog, weil sie einen Teil ihrer Kindheit in den USA verbracht, ihre Söhne allein erzogen und berufliche Erfahrungen als Geschäftsführerin in einem Karlsruher Sportgeschäft gesammelt hatte. Strahlkraft in der Fraktion konnte und durfte die gelernte Damenschneiderin aber nicht entwickeln; 2011 fuhr sie ein deutlich überdurchschnittliches Minus von acht, 2016 sogar von weiteren neun Prozentpunkten ein und flog aus dem Landtag. Dennoch blieb sie zur Weiterverwendung vorgesehen, mangels anderer Frauen, und weil Strobl sie 2014 zur CDU-Generalsekretärin gemacht hatte.

Noch ein Beleg eines schrägen Verhältnisses zum Thema Geschlechtergerechtigkeit. Regelmäßig schieben Männer in quotenfreien Organisationen oder Unternehmen Frauen als Aushängeschild in Positionen, für die sie wenig taugen, oder die zu früh für sie kommen. Immerhin erfand Schütz die Aktion "Frauen im Fokus", um ihre Partei attraktiver für Wählerinnen zu machen. Die ist inzwischen ziemlich sanft entschlafen. Der letzte Infobrief auf der Homepage ist fünf Jahre alt. Aber die 53-Jährige ist mittlerweile aufgestiegen, zur Reisemarschallin der grün-schwarzen Koalition. Unbedingt wollte die CDU das Wirtschafts- vom Finanzministerium wieder trennen, es aufwerten mit dem Wohnungsbau und vor allem mit weltweiter Türöffnerinnen-Tätigkeit beim Mittelstand, um bei den Hidden Champions wie den Global Playern ganz besonders zu punkten.

Das Interesse für den Dubai-Pavillon zum Maßstab genommen – immerhin bekam das Land als einzige Region unter mehr als 190 Nationalstaaten den Zuschlag der Veranstalter – ist der Plan der "besonderen Profilierung zum Wohle der baden-württembergischen Konkurrenzfähigkeit in der Welt" (Strobl) gescheitert. Denn aus der Expo-Idee "Von der Wirtschaft für die Wirtschaft" ist nichts geworden – die potenziellen Geldgeber hielten die Taschen zu und zeigten nicht wirklich Interesse, während die eigens gegründete Projektgesellschaft, die finanzielle Verpflichtungen weg halten sollte vom Land, vor sich hin werkelte – trotz der "Weltpremiere", wie Hoffmeister-Kraut den Expo-Auftritt rühmte, gerade von der Doppelspitze ganz oben völlig unbeobachtet.

"Was ist meine Rolle?", fragt die Staatssekretärin

Am schlimmsten ist, dass die beiden CDU-Politikerinnen vor dem Untersuchungsgremium gar nichts dabei finden, sich ausschließlich als Handlangerinnen ihres Apparats zu präsentieren und besonders tiefe Einblicke zu gewähren. Schütz schildert die Arbeit im Haus, wie sie konkret das Expo-Engagement "nicht hinterfragt" habe, "weil es sich schlüssig angefühlt hat". Oder wie sie und die Ministerin nebeneinander her arbeiten ("Da hat jeder seine Aktenverläufe"). Was besser gemacht werden könne, will der Ausschussvorsitzende Jürgen Filius (Grüne) wissen. "Da wüsste ich nichts", antwortet die Staatssekretärin, die sich nicht einmal scheut, auszubreiten, wie sie vor ihren inzwischen Dutzenden Reisen in die große weite Welt vorbereitet wird. Auf ihren Tisch kommt ein "Leitvermerk", in dem auch der Charakter der Reise beschreiben sei, "zum Beispiel Höflichkeitsbesuch". Und dann stellt sie, um vor Ort richtig zu agieren, die Frage aller Fragen: "Was ist meine Rolle?"

Unter Ausschussmitgliedern war die Antwort darauf längst gereift: Auf jeden Fall nicht die einer Staatssekretärin in einem Ministerium einer der wirtschaftsstärksten Regionen der Welt. Von einer "Gespensterstunde" wird der SPD-Obmann Born später sprechen, weil beide Frauen nie in ihrem Amt angekommen seien. An der Mitverantwortung dafür tragen allerdings nicht nur sie selber schwer, sondern sehr viele CDU-Männer. Vor allem jene, die gleichstellungspolitisch einfach nicht ankommen wollen im 21. Jahrhundert.


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1 Kommentar verfügbar

  • Nico
    am 28.11.2020
    Antworten
    Ich finde, das ist ein sehr spannender Artikel, quasi eine Art "lokaler Offenbarung".

    Mit ein wenig Eid dabei.

    Man kann sich als aufgeklärter Mensch nur wundern, wie diese höllische Umgebung von "CDU" in der Wirklichkeit funktioniert. Es funktioniert so, vermutlichst, weil sich alle "ein- und…
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