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Laschets Trumpf

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Die Chefin der Ditzinger Trumpf-Gruppe, Nicola Leibinger-Kammüller, wird zum öffentlichen Gesicht. Spätestens seit sie im Corona-Expertenrat von Armin Laschet sitzt – und die SPD der Spur des Geldes folgen will.

Am Kiosk kommt man derzeit kaum an ihr vorbei. Aus dem "Focus" schaut sie heraus, aus dem "Manager Magazin", im "Handelsblatt" ist sie top gesetzt und in der FAZ sowieso. In allen diesen Organen erscheint sie als das wohl bekannteste Gesicht deutscher Familienunternehmen, was insoweit erstaunt, als weder sie noch ihre Firma mit einem besonderen Glamourfaktor ausgestattet ist. Eine 100-Meter-Jacht, wie sie Reinhold Würth, der Schraubenmilliardär, hat? Im Leben nie. Ein Kniff in die Hüfte eines Journalisten, bei einer Werkseröffnung in Chicago am Buffet? Aber nicht doch. Höchstens ein Zurechtzupfen seines Sakkos.

Nicola Leibinger-Kammüller ist 60 Jahre alt, in einem protestantisch-pietistischen Haushalt aufgewachsen, also jeglicher Extravaganz abhold. Der schriftlich fixierte Familienkodex, knapp 20 Seiten stark, verlangt ein bescheidenes Auftreten, Fleiß, Sparsamkeit und Frömmigkeit. Bei Geschäftsessen hatte sie zu servieren, bei einer Fünf in Mathe den Segelkurs zu streichen. Die promovierte Philologin steht der Trumpf-Gruppe vor, die ihren Sitz in Ditzingen bei Stuttgart und rund 14.500 Beschäftigte hat, für 2019 einen Umsatz von 3,8 Milliarden Euro ausweist, im Wesentlichen als Weltmarktführer in Lasertechnik. Mittelstand sagt man dazu. Alles schwäbisch solide.

Der Firmenchefin ist gruselig

Ganz nahe dran, in diesen Corona-Zeiten, ist das Hamburger "Manager Magazin". Es weiß nicht nur, dass die Chefin bei jedem Neuauftrag die Glocke läuten lässt, auch die letzte Essensausgabe in der Kantine ist notiert: 24. März, Kalbsgulasch, Spätzle, Salat, zum Nachtisch rote Grütze. Und wenn sie die dunklen Büros sieht, dünkt sie "das schon gruselig". Jetzt werde ihr erst bewusst, "welche Dimensionen die Krise angenommen hat". Das steht als Zitat auf dem Magazintitel, in dem, laut Eigenwerbung, 15 Wirtschaftsgrößen ihr Corona-Tagebuch öffnen. Im "Focus" sagt Leibinger-Kammüller, jetzt brauche es ein Ende der feindseligen Umverteilungsdebatten, ein "Maximum an Flexibilität" bei den Arbeitszeiten, niedrigere Unternehmenssteuern sowie die Erkenntnis, dass "unser Leben und unser Wohlstand verwundbar sind". Alles nicht überraschend.

Auch nicht für Andreas Möller, ihren Sprecher. Sie sei nunmal "eine der bekanntesten Unternehmerinnen Deutschlands", betont er, außerdem Mitglied diverser Gremien auf Bundes- und Landesebene. Letzteres stimmt auf jeden Fall. Die Vorsitzende der Geschäftsführung des Maschinenbauers Trumpf sitzt im Aufsichtsrat von Siemens und Axel Springer, im Kuratorium der Robert-Bosch-Stiftung, der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung und der Stiftung Familienunternehmen, im Senat der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft, im Hochschulrat der TU München, im Beirat der Landesbank Baden-Württemberg und der BW-Bank, im Unterstützerkreis für "Stuttgart 21" – und seit April im Corona-Expertenrat von Armin Laschet (CDU), dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen. Der will, so schnell es geht, zurück zur Normalität.

Die SPD wittert die Spur des Geldes

Das hat für mächtig Aufregung gesorgt in NRW, nachdem sich die SPD die Besetzung des zwölfköpfigen Gremiums genauer angeschaut hat und prompt zu dem Schluss gekommen ist, dass hier "Lobby-Interessen" im Spiel sind. "Welche besondere Expertise hat eine Unternehmerin aus Baden-Württemberg", fragte die SPD-Generalsekretärin Nadja Lüders, "die man den Gewerkschaften in NRW offensichtlich nicht zuspricht?" Arbeitnehmervertreter fehlen tatsächlich auf Laschets Liste, dafür ist das CDU-nahe Allensbach-Institut für Demoskopie in Person seiner Geschäftsführerin Renate Köcher mit im Boot.

Man müsse "einfach dem Geld folgen", wenn man Laschets Lockerungsübungen verstehen wolle, legte Lüders nach und zog die Spendenkarte: 100.000 Euro im Jahr 2017 für die CDU, 50.000 für die FDP. Überwiesen von der Leibinger-eigenen Firma Trumpf. 18.600 Euro für die CDU, überwiesen vom CDU-Mitglied Leibinger-Kammüller persönlich. Der gemeinnützige Verein "Lobbycontrol" beziffert die Trumpfschen Spenden auf insgesamt 1,1 Millionen Euro im Zeitraum 2000 bis 2017.

Auch für den "Westdeutschen Rundfunk" (WDR) war damit die Sache geritzt. Nichts von wegen Abstand halten, stattdessen Lobbyismus pur, stets zugunsten der Wirtschaft. Ein Beispiel dafür eben, wie Großspender in der Corona-Diskussion mitmischten. Dass deren VertreterInnen in Laschets Expertenrat dann Steuersenkungen für Unternehmer vorschlügen, überrasche niemanden mehr, dreist sei allerdings, rügte der WDR, dies als unabhängige Empfehlung auszugeben. Das hat die Düsseldorfer Staatskanzlei sofort zurückgewiesen und versichert, solche Spenden hätten bei der Berufung in den Expertenrat "selbstverständlich keine Rolle" gespielt.

Trumpf-Sprecher findet Parteispenden voll okay

Das sieht auch Trumpf-Sprecher Möller so. Die Landesregierung in Düsseldorf habe wohl erkannt, lässt er wissen, in welch "vorbildlicher Weise" sich die Eigentümerfamilie in der Krise 2008/2009 um den Erhalt der Arbeitsplätze gesorgt habe. Das möge Laschet dazu bewogen haben, Frau Leibinger-Kammüller um ihre Unterstützung anzufragen. Natürlich nicht das Geld. Wo sollen hier die Interessenskonflikte sein, von denen die SPD spricht? Spenden seien nun mal ein "verfassungslegitimes Instrument" der Parteienfinanzierung, völlig "unabhängig von konkreten Inhalten oder Anlässen". Und by the way: Es seien zu keinem Zeitpunkt Spenden nach NRW geflossen.

Sagt der Sprecher. Und führt am Ende der Gemeinschaftskunde den Karlsruher CDU-Abgeordneten Ingo Wellenreuther als Kronzeugen an. Der ist auch Präsident des Zweitligisten KSC, welcher vom Abstieg in die dritte Liga, der Pleite und einem hohen Vertrauensverlust in seine Führungskraft bedroht ist. Wellenreuther meint, Großspenden seien voll in Ordnung, weil sie zur "gesellschaftlichen Verankerung" der Parteien gehörten. Am besten, wenn zwei Drittel davon auf die Unionsparteien entfallen.

Das ist einfach zuviel der Ehre für den badischen Richter außer Dienst. Viel aufschlussreicher ist die Bühne hinter den Spenden. Und da wäre Berthold Leibinger, der 2018 verstorbene Patriarch und Vater von Nicola, eine ergiebigere Zitationsquelle gewesen. Zu der Frage von Geld, Wissen und Macht. Er hat sie alle beraten, die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, die Vorstände von BASF, BMW, Deutsche Bank, Telekom und Allensbach. Nicht zu vergessen das Schiller-Nationalmuseum, das Deutsche Literaturarchiv, den Verein "Gegen Vergessen – Für Demokratie", und die Einmalspende (10.000 Euro) seiner Stiftung für ein Bildungsprojekt von Kontext. Auch das hat noch gepasst.

Ein weiterer Leibinger-Auftritt – diesmal in "Bild"

Ob ihm der Auftritt seiner Gattin Doris bei der "Bildzeitung" gefallen hätte? Zusammen mit Friede Springer (77), Dietmar Hopp (79) und Otto Schily (87) hat sie die Senioren dazu aufgerufen, zuhause zu bleiben, "damit die Jungen eine Zukunft haben und die Wirtschaft nicht kollabiert". Sie werde an Ostern und darüber hinaus freiwillig in ihrem Eigenheim bleiben, versicherte die 85-Jährige. Der frühere Innenminister wiederum verzichtet auf den "Frühjahrsaufenthalt in der Toskana", und tut dies gerne, um den "raschen Restart" der deutschen Wirtschaft zu ermöglichen, wie er sagt.

Ausgerechnet in der Toskana. Da war doch was. Schröder und Fischer, die Fraktion der Genusssüchtigen. Dann doch lieber Laschet beraten und den "ganzheitlichen Blick" bewahren. So empfiehlt es jetzt der Expertenkreis in seiner Stellungnahme vom 4. Mai. Sie lohnt sich zu lesen.


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2 Kommentare verfügbar

  • Richard
    am 10.05.2020
    Antworten
    Für mich ist der wichtige Teil der Demokratie: Prozeduren entwickeln, wie man die Pluralität und Heterogenität ganz unterschiedlicher Interessen in einer Gesellschaft ermöglichen kann. Und wie man sich darüber austauschen kann und wie man diese Interessen umsetzen kann in solche Entscheidungen,…
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