Auch Bahnchef Rüdiger Grube kannte wohl wichtige, kritische S-21-Gutachten nicht, und wenn er mit ihnen konfrontiert wurde, sagte er nur: "Ich hab Vertrauen in meine Ingenieure."
Egogetriebene Manager
Ich lernte bei meinen Gesprächen mit den Machern und Verantwortlichen von Stuttgart 21 auch Dinge, die ich gar nicht lernen wollte: Ich, und auch Sie vermutlich, denke länger über den Kauf und den Preis von ein paar Schuhen nach: Passen sie, muss ich sie unbedingt haben, sind sie wirklich bequem? Wir denken länger und sorgfältiger über so relativ kleine Ausgaben nach als die Politiker, die zig Milliarden Euro vergraben.
S 21: Überehrgeizige Politiker und egogetriebene Manager setzen sich für enorm viel Geld ein Denkmal – allerdings ohne die Kosten ehrlich aufzuzeigen. Der Bürger muss überall sparen, Agenda 2010, Hartz IV, Schulbäder werden geschlossen, der Bildungsetat wird gestutzt, aber da wird geklotzt. Milliarden für einen katastrophalen Kellerbahnhof. S 21 – kann man also auch sehen als ein Symbol für die zunehmende soziale Ungleichheit im Land.
Vielleicht würde kein Mensch mehr über S 21 reden, wenn da nicht Kanzlerin Angela Merkel wäre. Sie ist die wichtigste Figur in dieser traurigen S-21-Geschichte, was nicht auffällt, weil sie so ruhig und zurückhaltend ist, und sie hat in der S-21-Sache ja bisher nur wenige Sätze gesagt.
Dabei hat S 21 Streit in ihre Familie gebracht. Ihr Vater war dagegen, ihr Bruder ist dagegen, ihre Cousine in Stuttgart kämpfte lange bei den Parkschützern, die seit vielen Jahren den Widerstand gegen S 21 mitorganisieren. Streit in der Familie, Streit überall.
Mitte September 2010 erklärte die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung, Stuttgart 21 müsse unbedingt gebaut werden, sonst sei Deutschland unregierbar, man brauche S 21 unbedingt, an dem unterirdischen Bahnhof entscheide sich "die Zukunftsfähigkeit des Landes". Bei einer Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie legte sie nach: "Wenn dieses Projekt nicht realisiert würde, würde das dazu führen, dass wir nicht mehr als verlässlich gelten. Wenn ich als Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene sage: ‚Weil bei uns so viel protestiert wurde, können wir leider das, was wir versprochen haben, nicht mehr einhalten‘, dann kommt morgen mein griechischer Kollege und sagt: ‚Weil bei uns so viel protestiert wird, kann ich die Stabilitätskultur nicht mehr einhalten.‘"
Und so wird geklotzt, Bedenken werden ausgeblendet, stattdessen heißt es apodiktisch: Das muss sein. Wenn es nicht kommt, dann verliert die Stadt, die Region, dann verlieren wir den Anschluss an Europa. Wir werden abgehängt von der Moderne! Mit solchen Parolen wurde und wird S 21 verkauft.
Der Arm von Daimler-Benz
1994 fragen die Bahn und ihre Berater bei einem der größten Bankhäuser der Republik um Kredite für S 21 nach. Ihr Pech: Sie kamen an einen Finanzmanager, der sich die S-21-Unterlagen genau anschaute. Der Befund des Bankiers, der hier nicht genannt werden möchte, damals: "Das ist eine Mogelpackung, die Sie uns hier präsentieren. Sie rechnen sich wirtschaftliche und verkehrliche Vorteile aus, die es nicht geben wird, das funktioniert so nicht. Ich sagte denen überaus deutlich, weil mich das Projekt so aufgeregt hat, was ich von dem Ganzen hielt: Das ist einfach Unsinn!"
6 Kommentare verfügbar
Helmut Strenger
am 02.02.2020Das habe ich in der Manufaktur in Schorndorf vom Genossen Birzele auch erlebt:
Ein glühender Verehrer von etwas was er für fortschrittlich und für eine „Zukunftshoffnung“
hält. Also eine Begeisterung eines SPD-Genossen für S 21…