KONTEXT:Wochenzeitung
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Nazis in der zweiten Reihe

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Die AfD und ihre rechtsradikalen Mitarbeiter. Wenn die Partei überhaupt etwas dazu sagt, dann verharmlost sie. Jugendsünden, vielleicht auch ein Versehen, oder politische Ungefestigtheit. Dabei sind die Mitarbeitenden mit den braunen Flecken auf der Weste zu viele, um Ausrutscher zu sein. Die AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg ist bestes Anschauungsmaterial.

Kürzlich hatte unsere Kooperationspartnerin taz, ähnlich wie wir, mit der Kanzlei Höcker aus Köln einen Rechtsstreit auszufechten. 2018 hatte die Zeitung über die rechtsradikale Vergangenheit von Felix Nothdurft, einem damaligen Mitarbeiter von AfD-Chef Alexander Gauland, berichtet und ihn beim vollen Namen genannt. Dafür wurde die taz verklagt und stand mehrmals vor Gericht. Erst kürzlich hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ihr Recht gegeben: Die Presse, so das Urteil, sei "Wachhund der Öffentlichkeit".

"Die Entscheidung des Oberlandesgerichts", schrieb der taz-Anwalt Johannes "Jony" Eisenberg, "ist von herausragender Bedeutung für die Berichterstattung über die AfD und ihre Bundestagesmitarbeiter: Aus dem Bundestag fließen auf diese Weise große Summen in rechtsradikale Strukturen." Und nicht nur aus dem Bundestag.

Die AfD schert sich kaum um die Hintergründe ihrer Mitarbeitenden. Es gibt Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit Rechtsextremen und deren Organisationen. Es gibt mittlerweile dutzende Beteuerungen von AfD-Funktionären, dass aktuelle oder ehemalige Mitgliedschaft ihrer Mitarbeitenden in extremistischen oder heute verbotenen Organisationen Jugendsünden seien, zur Orientierung in politischer Ungefestigtheit dienten oder gänzlich aus Versehen passierten. Meistens will keiner etwas gewusst haben.

Aber bei der AfD sind die Mitarbeitenden mit den braunen Flecken auf der Weste zu viele, um Ausrutscher zu sein. Wer davon mehr profitiert – die Partei, die so über einen in rechter Arbeit geübten Stab verfügt, oder die Mitarbeitenden, weil die ihre Ideologie über Abgeordnete nun auch in politische Agenda umsetzen können, ist schwer zu sagen. Vermutlich macht es die Symbiose.

Und mit Sicherheit die Masse. Denn Felix Nothdurft, der ehemalige Mitarbeiter Gaulands, und Marcel Grauf, der für die baden-württembergischen AfD-Abgeordneten Heiner Merz und Christina Baum arbeitet, sind nur zwei von vielen Rechtsextremen, die als Redenschreiber, Ideengeber, Rechercheure und Netzwerker politische Arbeit machen für die Partei oder deren Abgeordnete. Allein die AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg ist bestes Anschauungsmaterial, wer so alles in den Hinterzimmern Zuflucht findet. Viele Medien von taz bis FAZ berichten seit Jahren, geändert hat sich kaum etwas.

"Rein ins Netz!" – Armin Allmendinger

Da ist etwa Armin Allmendinger, parlamentarischer Berater der AfD-Landtagsfraktion, zuständig für den Bereich Petitionen und Wirtschaft.

Allmendinger ist Alter Herr der Rheinfranken zu Marburg. Im Dezember 2016 zitiert die örtliche Lokalzeitung "Oberhessische Presse" aus einem internen Buch der schlagenden Verbindung, vor allem aus dem Kapitel "3.3.3 Die Juden – eine kritische Betrachtung": "Es gebe eine 'bestehende ewige Feindschaft' zwischen Nichtjuden und Juden. Mit der 'Selbstverherrlichung' der Juden als 'auserwähltes Volk' gehe deren 'Hass gegen andere Völker einher'" und so weiter. Fazit: "Juden haben die 'Judenfeindschaft geradezu herausgefordert'". Als die "Oberhessische Presse" die Rheinfranken um eine Stellungnahme anfragt, wollen die es nicht gewesen sein. Das zitierte Dokument sei schon lange nicht mehr in Gebrauch, Passagen darin seien "manipuliert worden": "Wir bekennen uns zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung....Antisemitismus geht für uns gar nicht."

Der Verfassungsschutz allerdings sieht in den zitierten Dokumenten ein "geschichtsrevisionistisches und antisemitisches Weltbild". Im Gutachten zur AfD vom Januar 2019 beschreibt die Behörde, dass "neben AfD-Funktionären in der Vergangenheit auch Horst Mahler sowie Politiker der NPD und der Republikaner als Redner" im Haus der Rheinfranken aufgetreten seien.

Im Antrag des Bundesrats auf ein Verbot der NPD im Jahr 2013 heißt es: "Von kaum zu überschätzender Bedeutung ist der Einsatz neuer Medien im rechtsextremen Spektrum im Allgemeinen und für die NPD im Besonderen." Im Gründungsjahr der AfD, ein nahezu prophetischer Satz. Den Beleg dafür liefert den Verfassungsschützern ein Artikel in der "Deutschen Stimme", dem Partei-Organ der NPD, Ausgabe 10/11-2011, Titel: 'Rein ins Netz!'. Geschrieben hat den Text damals Armin Allmendinger.

Mindestens zweimal, 2011 und 2013, hat Allmendinger noch für die "Deutsche Stimme" geschrieben. Für die "Burschenschaftlichen Blätter" schrieb er 2012 über das Gedenken am Ulrichsberg in Kärnten, ein Treffen von Weltkriegsveteranen, neuen und alten Nazis. Bis in die "späten Abendstunden", berichtet Allmendinger, habe man "gemeinsam eine schöne Zeit" verbracht. "Dies war ein schönes Zeichen der Verbundenheit der zahlreich vertretenen Jugend mit den Frontkämpfern der Kriegsgeneration." Gesprochen hat bei diesem Event auch ein ehemaliger Soldat der Waffen-SS. Der über Neunzigjährige, das sei nur am Rande erwähnt, trat später, 2017, auch bei der rechtsextremen Kleinpartei "Der dritte Weg" auf. Sein Thema: Meinungsfreiheit.

Allmendinger wird der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) als Mitglied zugerechnet. Unter anderem die Kontakte zur IB, die eigentlich ebenfalls unter den Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD fallen, hatten Ende 2018 die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in ganz Deutschland gesprengt. Der Verfassungsschutz hatte angekündigt, wegen einer Vielzahl personeller Überschneidungen nicht nur die IB, sondern auch die JA zu beobachten. Es seien, schreibt die Behörde, teils "regelrechte Parallelstrukturen" entstanden.

Von Unvereinbarkeit keine Spur: Reimond Hoffmann

Reimond Hoffmann, Parlamentarischer Berater in Sachen Finanzen der Baden-Württembergischen AfD-Fraktion, schien sich in dieser Parallelwelt ganz wohl zu fühlen. Seine Sympathie hat der Ex-Bundesvize der Jungen Alternative in sozialen Medien verkündet ("Die IB wird zu Unrecht vom Verfassungsschutz beobachtet! Wer sich für Deutschland einsetzt ist schon unter Verdacht."), zudem gibt es Fotos, die Hoffmann noch als Vorstands-Mitglied der Jungen Alternative in Baden-Württemberg mit Personal der Identitären zeigen. Von Unvereinbarkeit auch hier: keine Spur.

Zwei Jahre war Hoffmann für den AfD-Scharfmacher Björn Höcke in Thüringen beschäftigt. Nun arbeitet er in Stuttgart. Er ist einer, der auf Veranstaltungen gerne mit dem Handy im Anschlag unterwegs ist. Hoffmann scheint ehrgeizig, ein Netzwerker: Auf Facebook-Fotos ist er zu sehen mit Frank Magnitz, mit Erika Steinbach. "Frau Steinbach ist jemand, den man nicht genug schätzen kann", schreibt er dazu.

Hoffmann, 1987 in Rumänien geboren, ist Alter Herr der Freiburger Saxo-Silesia, einer Burschenschaft, die mehrfach für Furore sorgte. 2016 zitiert die "Badische Zeitung" aus einem internen Schreiben, anlässlich einer wilden Party zwei Jahre zuvor: "Am heutigen Montag um 09.00 Uhr befanden sich immer noch 'feiernde' Personen auf dem Haus; gleichzeitig wurden Nazilieder abgespielt und 'Heil Hitler' gebrüllt und dies alles so lautstark, dass es auch die Nachbarschaft und Passanten auf der Straße hören konnten." Weiter schreibt die "Badische", dass 2015 "Zwei Bundesbrüder ... auf dem Balkon Lautsprecher aufgestellt und Musik der verbotenen Neonazi-Rockband Landser laut abgespielt" hätten. "Es seien rechte Parolen skandiert und mehrfach der Hitler-Gruß gezeigt worden." Mittlerweile arbeitet Reimond Hoffmann nicht mehr nur als Mitarbeiter der AfD-Fraktion, sondern sitzt zeitgleich im Kreistag des Landkreises Rottweil und im Rottweiler Gemeinderat.

Rechtsrock und Volksverhetzung: Meike Hammer und Anna-Lena Schuster

Da ist außerdem die Rechtsanwältin Meike Hammer. Die "Stuttgarter Nachrichten" vermeldeten im Oktober 2018: "Es ist ein Personalwechsel mit Brisanz. Im Sozialausschuss des Landtags stellte die AfD-Fraktion am Donnerstag die Rechtsanwältin Meike Hammer offiziell als neue parlamentarische Beraterin vor." Sie ist die Ehefrau von Steffen Hammer, Rechtsanwalt und ehemaliger Frontmann der Band "Noie Werte", der bis zu ihrer Auflösung 2010 bekanntesten und ältesten deutschen Rechtsrockband.

Zum Personal, das für AfD-Abgeordnete in Baden-Württemberg arbeitet, gehörte auch Anna-Lena Schuster, bis vor kurzem Mitarbeiterin von Christina Baum in deren Wahlkreis Main-Tauber. Schuster war dort zur Kreistagswahl im Mai 2019 auch Kandidatin der AfD für den Wahlkreis 6, Bad Mergentheim. Ohne Erfolg, dafür sitzt Christina Baum jetzt drin. Schuster ist eine junge Frau, die die Klaviatur von Hate Speech, Fake News und Verschwörungstheorien perfekt beherrschte. Sie hat mehrere Blogs teils unter Pseudonym betrieben, war präsent auf Facebook und dem russischen Pendant VK.

Auf ihrem "Anna Schuster Blog für eine neue Welt" hieß es beispielsweise: "1400 Jahre Inzucht im Islam: Niedriger IQ, Gewalt und Terror", 2017 schrieb sie unter anderem über den "Hooton-Plan". Unter selbigem "verstehen wir die systematische und von langer Hand geplante Auslöschung der Deutschen durch die bewusst herbeigeführte Flutung Deutschlands mit IQ-minderen Kulturen. Durch die genetische Vermischung soll ein Einheitsmensch mit einem IQ <90 entstehen, der zu dumm zum Leben, zu klug zum Sterben und somit der perfekte Sklave ist." Ersonnen auch, und wer hätte es gedacht, von einem Juden, und unterstützt von der Neuen Rechten liebstem Feind George Soros, dem US-Philantropen und Unterstützer vieler Bürgerrechtsorganisationen. Mittlerweile sind alle ihre öffentlichen Auftritte aus dem Netz gelöscht.

Die Würzburger "Main-Post" schrieb am 15. November 2017 über ein Gerichtsverfahren gegen Anna-Lena Schuster. "Es war heftig, was eine 29-Jährige auf ihrem Google-Account geschrieben hat. Da wurden Muslime mit 'Kötern' verglichen, da wurde der Holocaust geleugnet, da wurden dunkelhäutige und homosexuelle Menschen verunglimpft, da wurde ein Hakenkreuz veröffentlicht." Vor Gericht sagte Schuster aus, das Hakenkreuz sei eine Swastika gewesen, das Glückssymbol der Hindus. Dennoch bescheinigte der Staatsanwalt ihr eine "rechtsextreme Gesinnung" und warf ihr unter anderem Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor. Das Amtsgericht Würzburg verurteilte sie laut Medienbericht zu 3000 Euro Geldstrafe. Christina Baum antwortete nicht auf die Kontext-Anfrage zu dieser Personalie.

HDJ-Vergangenheit: Laurens Nothdurft

Nicht zuletzt ist da Laurens Nothdurft, der seit einer ganzen Weile für die AfD in Baden-Württemberg arbeitet. Nothdurft hatte zwischenzeitlich ein kurzes Intermezzo als Justiziar der AfD im Bayerischen Landtag, kam dann aber wieder zurück nach Stuttgart als parlamentarischer Berater. Den Bayern war er offenbar zu weit rechts, als seine Vergangenheit in der "Heimattreuen Deutschen Jugend" bekannt wurde. Die HDJ sei "besonders heikel", schreibt die Süddeutsche Zeitung im April 2019, "da diese auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht." Die SZ zitiert einen bayerischen AfD-Abgeordneten: "Völlig ausgeschlossen, dass wir so jemanden einstellen".

Die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt in einem ihrer Dossiers: "Die Heimattreue Deutsche Jugend war bis zu ihrem Verbot am 31. März 2009 eine der wichtigsten völkischen Nachwuchsorganisationen der rechtsextremen Szene in Deutschland ... Als bundesweit organisierter Jugendverband verbreitet die HDJ rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut." In der Verbotsbegründung hieß es: "Im Rahmen scheinbar unpolitischer Freizeitveranstaltungen wird das am Nationalsozialismus orientierte Weltbild der HDJ Kindern und Jugendlichen vermittelt". Die "eigentliche Zielsetzung" des Vereins "sei die Heranbildung einer neonazistischen 'Elite'" gewesen.

Im Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg von 2002 heißt es, dass der Verband "zeitweilig von dem in Brandenburg gemeldeten NPD-Aktivisten Laurens Nothdurft geleitet" wurde. Laurens ist der Bruder von Felix, dem ehemaligen Gauland-Mitarbeiter und ebenfalls früheren HDJ-Mitglied, über den die taz berichtet hatte und deshalb vor Gericht stand. Im Gegensatz zu ihrer bayerischen Verwandten scheint das für die AfD in Baden-Württemberg kein größeres Problem zu sein. Auf Anfrage zu den Mitarbeitenden mit einschlägiger Vergangenheit kommt jedenfalls keine Antwort.

Ein Problem allerdings wird es, wenn Medien über diese Mitarbeiter berichten. Dann stehen Rechtsanwälte Gewehr bei Fuß, die verhindern wollen, dass die Namen der Betreffenden öffentlich werden. So geschehen bei Kontext, so geschehen bei der taz. "Seit Jahren versuchen Mitarbeiter und Mitglieder der AfD durch Drohschreiben und einstweilige Verfügungen die Berichterstattung über die Verbindung von Mitarbeitern mit rechtsradikalen Organisationen zu unterdrücken", schreibt taz-Anwalt Eisenberg. "Jener Felix Nothdurft ist nach Bekanntwerden seiner Vergangenheit gegen zahlreiche Medien vorgegangen, die sich jeweils – ohne Gerichte anzurufen – verpflichtet haben, auf die Abmahnung hin seinen Namen zu löschen. Neben Nothdurft sind zahlreiche weitere Mitarbeiter von AfD-Bundestagsabgeordneten, aber auch rechtsradikale Siedler, sowie AfD-Funktionäre gegen Medien vorgegangen, die sie und ihr Treiben öffentlich haben sichtbar werden lassen."

Die Einschüchterungsversuche laufen. Glücklicherweise laufen sie manchmal ins Leere.


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Kontext schaut nach den Rechten

Wer sich als Alternative für Deutschland anpreist, muss Lösungen anbieten. Kontext lässt sich durch politische Nebelkerzen und dreiste Lügen nicht einlullen, sondern checkt die Fakten.

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5 Kommentare verfügbar

  • Volker Birk
    am 17.01.2020
    Antworten
    Mit Bernd Höcke und dem “kleinen Himmler” Kalbitz hat die sogenannte “AfD” auch Nazis in der ersten Reihe vorzuweisen.
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