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Als Faschingsprinz ungeeignet

Als Faschingsprinz ungeeignet
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E. E., wie Thaddäus Troll ihn sah. Der Mundartdichter und "große Impressionist deutscher Sprache", wie Walter Jens ihn nannte, hat 1980 im Landtagswahlkampf ein Portrait des Ausnahmepolitikers verfasst. Was Eppler konnte – und was nicht.

Was mir zu Erhard Eppler einfällt

Er denkt, was er sagt. Er würde das Wort Ausgewogenheit nicht aussprechen, sondern direkt Langeweile, Bevormundung oder Zensur sagen. Er lässt sich nicht mit dem Adjektiv christlich drapieren, obwohl er ein Christ ist, der Bergpredigt mindestens ebenso verpflichtet wie dem Godesberger Programm.

Er ist weitsichtig. Er schaut auf den Weg, lässt dabei aber das Ziel nicht aus dem Auge. Ein Politiker, dessen Name ich vergessen habe, hat ihn einmal Hans-guck-in-die-Luft genannt. Ein so unzutreffendes Bild decouvriert eher den Vergleichenden als den Verglichenen: es verrät Mangel an Menschenkenntnis oder an Qualitätsgefühl oder einfach Häme.

Erhard Eppler weiß, dass die Utopie von heute die Realität von übermorgen ist, dass Lebensqualität wichtiger ist als Wohlstand und dass wir eher an das Glas klaren Wassers von morgen als an die Gänseleber von heute denken müssen.

Er ist keineswegs ein Alleskönner. Vieles traue ich ihm nicht zu: auf einem roten Teppich Leutseligkeit ausschwitzen. Beim Volksfest ein Fass anstechen. Mit der Fernsehkamera unterm Hintern einen Berg besteigen (wohl aber ohne Kamera). Eine Bumskapelle dirigieren. In Baden-Baden im Roulette zu gewinnen. Ein Atommünster in eine Weinlandschaft zu setzen. Den VfB Stuttgart von der Tribüne aus anzufeuern (aber selber Fußball spielen schon). Einen Faschingsorden gesenkten Hauptes entgegenzunehmen. Auf der Kirbe zu schunkeln.

Wenn ich an Erhard Eppler denke, fallen mir Namen wie Galilei (aber ohne Widerruf auf Schneckenfresserei), Bach, Lessing und Alexander von Humboldt ein. Dagegen glaube ich nicht, dass er mit Nero, Rothschild, Strauß allzuviel anfangen kann.

Er ist zuverlässig und integer. Man könnte ihm einen Koffer voller Goldstücke anvertrauen und bekäme sie auf Abruf ungeschmälert wieder zurück. Ich halte ihn für viele Berufe geeignet. Ungeeignet aber als Fernsehansager, Grundstücksspekulant, Stadtmissionar, Faschingsprinz, Großinquisitor, Schlagerdichter.

Geeignet halte ich ihn dagegen für den Beruf eines Architekten, Bankdirektors, Geometers, Arztes, Uhrmachers, Forschungsreisenden, Mathematikers. Dass ich es nicht vergesse: Vor allem als Ministerpräsident halte ich ihn hervorragend geeignet und berufen.

Auf den ersten Blick wirkt er nüchtern. Auf den zweiten intelligent. Man muss ihm schon eine Weile zuhören, um zu erkennen, dass er über eine Portion Witz verfügt, der zuweilen von Sarkasmus gewürzt ist. Länger dauert es schon, bis man merkt, dass er herzlich sein kann.

Wenn es wahr ist, dass der Stil den Menschen verrät, dann ist er klar und logisch. Er versteht es, komplizierte Dinge einleuchtend und überzeugend darzustellen. Er ist redlich, indem er nicht überredet, sondern überzeugt. Er beunruhigt seinen Gesprächspartner, weil er beklagenswerte Tatsachen nicht bejammert, sondern sie zu verändern sucht und dabei seine Mitmenschen in die Pflicht nimmt. Selbst nie passiv, fordert er von seinen Partnern Aktivität. Er ist unbequem. Er verspricht weniger, als er hält. Er besticht nicht. Wenn es wahr ist, dass jeder Mensch bestechlich sei, so gilt für ihn der Satz, dass niemand so viel aufbieten kann, um ihn zu bestechen. Er ist nicht einmal durch Freundschaft zu korrumpieren. Denn wenn der Gegner ein besserer Fachmann, ein größerer Könner wäre, bevorzugte er ihn vor dem Freund. Man kann ihm nichts vormachen, wie er niemandem etwas vormacht. Ich halte ihn für einen miserablen Schauspieler. Nichts, was er sagt, ist blumig, ist verschwafelt, kommt nur aus den Büchern, spricht Ressentiments an.


Thaddäus Troll hat dieses Portrait für die Wählerinitiative zugunsten von Erhard Eppler im Landtagswahlkampf 1980 geschrieben. Der Dreisam Verlag, Freiburg, hat es damals veröffentlicht.


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